Die Verfassungsbeschwerde der Gesellschaft für Freiheitsrechte kann vor dem Bundesverfassungsgericht einen Erfolg feiern: Der Senat hat Teile des BKA-Gesetzes in der Tat für verfassungswidrig erklärt. Beanstandet wurde die Speicherung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten, insbesondere von Kontaktpersonen.

Mit Urteil vom 01. Oktober hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zwei Vorschriften des Bundeskriminalamtsgesetzes (BKAG) für verfassungswidrig erklärt. Betroffen ist die Befugnis des BKA, Kontaktpersonen zum Zweck der Terrorismusabwehr heimlich zu überwachen (§§ 45 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BKA-Gesetz (BKAG)) und die erhobenen Daten dann an eine polizeiübergreifende Plattform weiterzuleiten (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 BKAG). Der Senat hält die Vorschriften für zu weit und sieht deshalb einen rechtswidrigen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (BVerfG, Urt. v. 01.10.2024, Az. 1 BvR 1160/19).

Hintergrund ist die Verfassungsbeschwerde der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), einem gemeinnützigen Interessenverband, der sich vor allem gerichtlich gegen Überwachung und digitale Durchleuchtung einsetzt. Im Jahr 2019 war sie damit gegen die Novellierung des BKA-Gesetzes vorgegangen, die der Bundestag zwei Jahre zuvor beschlossen hatte. Nun wurde im Dezember 2023 mündlich verhandelt. Die GFF hatte sich neben den Vorschriften zur Datensammlung auch gegen die erweiterten Befugnisse zu Staatstrojanern ausgesprochen, diese Rüge wurde allerdings in diesem Verfahren nicht verhandelt. Das Gericht hatte hier einen detaillierten Vortrag gefordert, der auf ein anderes anhängiges Verfahren zum Artikel-10-Gesetz verschoben wurde.

Das BVerfG gab der Beschwerde jetzt in zwei wesentlichen Punkten statt.

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Überwachung von Kontaktpersonen verfassungswidrig

§ 45 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BKAG erlaubt es dem BKA, Kontaktpersonen zu überwachen, die zwar selbst nicht im Terrorismusverdacht stehen, aber zu diesen in einem gewissen Näheverhältnis stehen. Das bedeutet in der Praxis, dass auch diese Kontaktpersonen zum Beispiel abgehört oder durch verdeckte Ermittler beschattet werden können.

Das BVerfG führt aus, dass von solchen Maßnahmen eine besondere Gefahr für die Grundrechte der Betroffenen ausgehe, weil sie in der Praxis vor allem gebündelt auftreten: Eine Überwachung ziele darauf ab, „möglichst alle Äußerungen und Bewegungen zu erfassen und bildlich wie akustisch festzuhalten.“ Der Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sei laut Gericht deshalb so hoch, dass die Verfassung hier besonders hohe gesetzliche Schwellen erfordere. Diese Schwelle erreiche das BKAG in seiner aktuellen Fassung nicht.

Das BVerfG fordert mehr als eine reine Nähe der Kontaktperson zum Verdächtigen. Eine Überwachung solle erst erlaubt sein, wenn die Kontaktperson zusätzlich eine gewisse „individuelle Nähe“ zu der Gefahr habe, die durch die Ermittlungen aufgeklärt werden soll. Zudem müsse es eine Grundvoraussetzung sein, dass die geplanten Überwachungsmaßnahmen auch gegen den Hauptverdächtigen verfassungsrechtlich zulässig wären. In der jetzigen Fassung des § 45 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BKAG spiele die konkrete Gefährdungslage durch den Hauptverdächtigen jedoch keine Rolle. Eine Überwachung von Kontaktpersonen sei damit erst recht nicht hinreichend gesetzlich gerechtfertigt.

Rechtswidrige Speicherung von Daten in INPOL  

Das BVerfG stellte außerdem klar, dass grundrechtlich zwischen der ersten Erhebung von Daten (z.B. durch Überwachung) und der Weiterverarbeitung bzw. Speicherung grundsätzlich zu unterscheiden sei. Dabei handele es sich nicht um einen einzelnen Vorgang, sondern um zwei verschiedene Grundrechtseingriffe mit jeweils eigenen Anforderungen.

Aus diesem Grund konnten die entsprechenden Regelungen zur Datenspeicherung verfassungsrechtlich gesondert betrachtet werden. Die allgemeine Regel des BKAG zur Weiterverarbeitung von Daten, § 16 BKAG, wurde dabei nicht beanstandet. Stattdessen erklärte das Gericht § 18 BKAG für verfassungswidrig, soweit dieser in seinem Absatz 2 Nr. 1 die Speicherung von personenbezogenen Grunddaten von (nur) Beschuldigten im polizeilichen Informationsverbund erlaubt (in Verbindung mit § 13 Abs. 3 BKAG). Diese Speicherung sei eine „zweckverändernde Weiterverarbeitung“ und habe damit eigene Anforderungen an die gesetzliche Grundlage, der BKAG so nicht genüge. Solange § 18 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 BKAG keine Speicherungsschwelle oder Vorgaben zur Speicherdauer vorsehe, sei die Vorschrift deshalb ebenfalls verfassungswidrig. Dass eine Speicherungsschwelle in der Praxis bereits existiere, sei hierfür unerheblich. Entscheidend sei nur, dass die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage eine solche momentan nicht vorsehe.

Das BVerfG hat dem Gesetzgeber nun eine Frist bis Juli 2025 gesetzt, um den Gesetzestext anzupassen. Solange gelten die beanstandeten Vorschriften in einer vom BVerfG entsprechend angepassten Form fort.

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