Das LG München ging der Frage nach, inwieweit Telefonica Positivdaten ihrer Kunden an die SCHUFA und andere Auskunfteien melden darf. Im Jahr 2022 hatte sich sogar bereits die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder in einem gemeinsamen Beschluss kritisch zur Verarbeitung von Positivdaten durch Mobilfunkanbieter positioniert.
Dass Telefonica nach Abschluss eines Telekommunikationsvertrages Positivdaten der Kunden an die SCHUFA übermittelt, ist rechtswidrig. Weder der abgeschlossene Vertrag
(Art. 6 Abs. 1 b) Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)) noch die Interessen des Unternehmens (Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO) stellen ausreichende Rechtsgrundlagen für eine Übertragung dar (Landgericht (LG) München I, Urt. v. 25.04.2023, Az. 33 O 5976/22).
In vorliegenden Fall ging es um eine bestimmte Klausel von Telefonica, auf deren Grundlage das Unternehmen Positivdaten der Kunden an die SCHUFA weitergab. Positivdaten sind solche Informationen, die keine negativen Zahlungsinhalte beinhalten aber für die Bonitäts-Berechnung relevant sind. Die relevante Klausel lautete wie folgt: „Wir übermitteln zum Schutz der Marktteilnehmer vor Forderungsausfällen und Risiken personenbezogene Daten über die Beantragung, Aufnahme und Beendigung des Telekommunikationsvertrages (Name, Anschrift, Geburtsdatum, Information über den Abschluss dieses Telekommunikationsvertrags, Referenz zum Vertrag) an die SCHUFA, wenn sich dahingehend aus den Verträgen eine hinreichende Relevanz ergibt (Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO).“
Das LG München I nahm nun an, dass sowohl Art. 6 Abs. 1 b) DSGVO als auch Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Datenübermittlung seien. In Bezug auf Art. 6 Abs. 1 b) DSGVO begründete das Gericht dies damit, dass Telefonica mit den Kunden auch ohne Übermittlung von Positivdaten an Auskunfteien Verträge abschließen könne und diese Datenübermittlung zur Erfüllung des Vertrages bzw. zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen nicht erforderlich sei. Außerdem könne die Datenverarbeitung auch nicht von Art. 6 Abs.1 f) DSGVO gedeckt sein, da das Interesse der Betroffenen am Schutz ihrer Daten und vor allem ihrer Grundrechte die Interessen des Unternehmens an der Übermittlung der Positivdaten an die Auskunftei überwiegen.
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Nicht das mildeste Mittel
Zwar kann dagegengehalten werden, dass grundsätzlich auch einige Interessen für die Übermittlung der Positivdaten sprechen. So zum Beispiel die Möglichkeit der Betrugsprävention und eine damit einhergehende Schadensvermeidung im zweistelligen Millionenbereich. Dies könne z.B. durch eine Identitätsprüfung auf der Basis der Positivdaten erreicht werden. Unter Umständen kann die Meldung der Daten auch der Minimierung des Kreditausfallrisikos dienen.
Nichtsdestotrotz seien vorliegend vergleichbare, weniger intensive Möglichkeiten denkbar, so das LG München. Als ein milderes Mittel kommt eine Anpassung des Leistungskonzepts der Telefonica in Betracht. So könnten beispielsweise Vertragsmodelle mit geringeren kreditorischen Risiken oder die Erweiterung des Personals zur Kundenbetreuung und Kundenbewertung ein milderes, aber gleich effektives Mittel sein.
Die Überarbeitung von Konzepten, die kein gesteigertes kreditorisches Risiko haben, aber auch eine bessere Kundenarbeit mit höheren Kontrollschwellen stellen in Bezug auf das Ziel des Schutzes des Einzelnen vor Überschuldung wie auch der Kredit- und Ausfallrisiko-Minimierung ein milderes Mittel dar. Des weiteren könnte Telefonica für eine bessere Inklusion finanziell schwächerer Verbraucher neue Tarifmodelle errechnen und entwickeln.
Zuletzt nahm das Gericht Stellung zu den Schlüssen aus kontextlosen Negativdaten sowie der Möglichkeit des Verbrauchers, seinen Score durch das Vorhandensein von Positivdaten zu verbessern: Aus nicht vorhandenen Daten dürften keine negativen Schlüsse gezogen werden. Das Interesse der Auskunfteien an den Positivdaten bezüglich der Scoreberechnung/-verbesserung könne auch auf der Grundlage von mit Einwilligung erteilten personenbezogenen Daten befriedigt werden.
Interessen der Verbraucher nicht ausreichend berücksichtigt
Außerdem verkenne Telefonica die Intensität des Eingriffs, der durch die pauschale Ermächtigung zur Meldung von Positivdaten auf der Basis der von ihr verwendeten Klausel ausgeht. Die geschützten Interessen der Verbraucher haben ein hier ein sehr hohes Gewicht. Daher ist die Datenübermittlung, trotz der vielen Interessen des Unternehmens wie eben der Betrugsbekämpfung, dem Identitätsschutz und einer Schadensreduktion im zweistelligen Millionenbereich, schlichtweg unverhältnismäßig.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
agr/ezo