Bei einem Antrag an Google, angeblich unrichtige Inhalte aus seinen Suchergebnissen auszulisten, müsse der Suchmaschinenbetreiber im Rahmen des Möglichen prüfen, ob die Inhalte tatsächlich unrichtig sind, so der EuGH-Generalsanwalt. Dies gelte zumindest dann, wenn die Betroffenen einen Anfangsbeweis für die Unrichtigkeit der Suchergebnisse geliefert hätten.

Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Pitruzzella vertritt in seinen Schlussanträgen die Ansicht, dass Google dazu verpflichtet werden könne, Anträge auf Auslistung von Links aus seinen Suchergebnissen im Rahmen ihrer konkreten Möglichkeiten zu überprüfen. Dies gelte zumindest dann, wenn die Auslistungsanträge auf die Behauptung gestützt sind, die Informationen seien unrichtig und wenn die Betroffenen hierfür einen Anfangsbeweis erbringen können. Bei Bildern, die im Zusammenhang mit solchen Artikeln veröffentlich werden, sei im Übrigen nicht der Kontext der Bildveröffentlichung zu berücksichtigen, sondern nur die Darstellung an sich (Rechtssache C-460/20).

Worum ging es in dem Fall?

Der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigt sich mit einem Fall, bei dem ein Paar aus der Finanzbranche gegen Google geklagt hatte. Der Suchmaschinenbetreiber hatte sich geweigert, in seinen Suchergebnissen Links auszulisten, die zu Artikeln einer Webseite mit angeblich unrichtigen Informationen über das Paar führten.  

Die besagte Webseite hatte im Jahr 2015 diverse Artikel veröffentlicht, die Zweifel u.a. an der Seriosität der Anlagemodelle der beiden und ihrer Gesellschaften äußerten. In diesen Artikeln wurde das Paar zum einen namentlich genannt, zum anderen wurden in einem der Artikel Fotos hinzugefügt, die das Paar mit Luxusgütern darstellten, um so in Verbindung mit dem Artikel den Lesern zu verbildlichen, wie das Paar seinen angeblich fremdfinanzierten Luxus auslebt.

Demgegenüber wird dem Unternehmen der Webseite in verschiedenen Veröffentlichungen der Vorwurf gemacht, sie würden Unternehmen erpressen, indem sie zunächst negative Berichte über diese veröffentlichen, um dann gegen ein sogenanntes Schutzgeld die Berichte zu löschen.

Der BGH wollte nun zum einen wissen, wie die in dem konkreten Fall widerstreitenden Grundrechte abzuwägen sind, wenn eine betroffene Person nach Artikel 17 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) die Auslistung von Links zu Inhalten einer Webseite beantragt. Zum anderen wollte das deutsche oberste Zivilgericht wissen, ob bei der Prüfung eines Antrags auf Entfernung von Vorschaubildern aus den Ergebnissen einer Bildersuche der Inhalt der Website, in die das betreffende Foto eingefügt ist, zu berücksichtigen sei.

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Suchmaschinenbetreiber und ihre weitreichende Verantwortung

Grundsätzlich steht hier die Frage im Raum, wie weit die Verantwortung von Suchmaschinenbetreibern geht. Suchmaschinen verwenden Algorithmen und subjektive Auswahlkriterien, welche die Auswahl und Anzeige der Suchergebnislisten beeinflussen. Google & Co. funktionieren somit als ein „gatekeeper“ der Informationen. Die Funktion von Suchmaschinen steht damit in einem Spannungsverhältnis zwischen den Grundrechten. Personen, die Suchergebnisse gelöscht haben wollen, berufen sich auf die Achtung des Privatlebens sowie den Schutz personenbezogener Daten. Dem gegenüber stehen die Freiheit der Meinungsäußerung sowie die Informationsfreiheit. Die Frage ist daher: Wann überwiegt in diesem Spannungsverhältnis welches Recht, wenn es um die Behauptung unrichtiger Informationen geht?

Grundsätzlich fänden – gerade bei öffentlich bekannten Personen – deren Grundrechte auf Privatsphäre und Datenschutz ihre Grenzen im öffentlichen Informationsinteresse, so der Generalanwalt. Dieses Verhältnis kehre sich allerdings um, wenn die behaupteten Informationen über diese Personen unrichtig seien. In einem solchen Fall bestehe ein Recht auf Löschung von Suchergebnissen zu unrichtigen Inhalten. Dies ergebe sich letztlich sogar aus der in Art. 1 der Charta der Grundrechte verbürgten Menschenwürde. Eine unrichtige Information beeinträchtige ihre Würde, da sie auf einer unrichtigen Darstellung beruhe und eine Verfälschung ihrer Identität bewirke, die heute vor allem im Netz definiert werde.

Nur: Wie ist damit umzugehen, wenn (noch) nicht klar ist, ob die fraglichen Informationen korrekt sind oder nicht?

Generalanwalt: Google muss im Rahmen seiner Möglichkeiten prüfen

Der Generalanwalt stellt hier zunächst grundlegend fest, dass ein Suchmaschinenbetreiber grundsätzlich nicht dazu verpflichtet werden könne, alle Links zu Inhalten auf deren Richtigkeit zu überprüfen. Jedoch sei er in seiner Funktion als „gatekeeper“ in der besonderen Verantwortung, bei der Frage nach einer Auslistung von angeblich unrichtigen Informationen mitzuwirken. Er müsse daher eine aktive Rolle bei der Löschung (angeblich) unrichtiger Inhalte spielen.

Allerdings schließt der Generalanwalt aus, dass eine Auslistung allein auf der Grundlage des bloß einseitigen Antrags des Betroffenen vorgenommen werden kann. Ebenso schließt er aus, dass von dem Betroffenen verlangt werden kann, sich an den Herausgeber der Webseite zu wenden, um die Entfernung des angeblich unrichtigen Inhalts zu verlangen.

Der Generalanwalt ist der Ansicht, dass der Betroffene verpflichtet sei, die Umstände anzugeben, auf die er seinen Antrag stützt, und einen Anfangsbeweis dafür zu erbringen, dass die Inhalte, deren Auslistung verlangt wird, unrichtig seien. Der Suchmaschinenbetreiber müsse demgegenüber im Rahmen seiner Möglichkeiten prüfen, ob der Antrag richtig ist oder nicht. Dabei müsse er, wenn möglich, den Herausgeber der gelisteten Website kontaktieren und dann darüber entscheiden, ob er dem Auslistungsantrag stattgebe oder nicht. Wenn sich der Inhalt auf eine Person beziehe, die eine öffentliche Rolle habe, müsse sich die Entscheidung für die Auslistung auf besonders aussagekräftige Bestätigungen für die Unrichtigkeit der Informationen stützen.

Schließlich könne der Suchmaschinenbetreiber, wenn dies im Einzelfall notwendig ist, um einen nicht wiedergutzumachenden Schaden für die betroffene Person zu vermeiden, die Listung vorübergehend aussetzen oder in den Ergebnissen der Suche angeben, dass die Richtigkeit einiger der Informationen bestritten werde.

EuGH: Nur das Foto an sich ist relevant, nicht der Kontext

Hinsichtlich der Antwort auf die zweite Frage ist der Generalanwalt der Auffassung, bei der Abwägung der widerstreitenden Grundrechte sei nur der Informationswert der Fotos als solcher zu berücksichtigen – unabhängig von dem Kontext, in den sich diese Fotos auf der Webseite, von der sie entnommen worden seien, einfügten.

Angesichts des Umstands, dass das Bild einer Person eines der Hauptmerkmale ihrer Persönlichkeit sei, komme dem Schutz des Rechts der Person auf Vertraulichkeit in diesem Kontext besondere Bedeutung zu, da die Fotos besonders persönliche Informationen vermitteln könnten.

Das Gutachten des Generalanwalts ist nicht bindend für EuGH-Richter.

ahe/gre