Nahezu alle großen deutschen Mobilfunkanbieter wie Telefónica (O2), Telekom und Vodafone übermitteln seit Jahren sogenannte Positivdaten an die Schufa – ohne Einwilligung ihrer Kunden. Etwa ein Drittel aller deutschen Mobilfunknutzer sind betroffen. Das hat eine Auswertung von tausenden Schufa-Auskünften durch die Verbraucherkanzleien WBS.LEGAL und Legalbird ergeben. Dabei hat ein Gericht längst entschieden: Eine solche Datenweitergabe ist illegal! Welche Konsequenzen das hat und wieso den Betroffenen bis zu 5.000 Euro Schadensersatz zustehen, erläutern Rechtsanwalt Christian Solmecke von WBS.LEGAL und Andreas Quauke von Legalbird.
Bereits Ende 2021 hatten die Süddeutsche Zeitung und der NDR öffentlich gemacht, dass praktisch alle deutschen Mobilfunkbetreiber (u.a. Telekom, Vodafone und O2 Telefónica, Drillisch, freenet und mobilcom-debitel) sog. Positivdaten an die Schufa weitergegeben haben. Daraufhin ist die Verbraucherzentrale gerichtlich gegen die drei größten Anbieter vorgegangen. Bereits im April 2023 konnte sie ein bahnbrechendes Urteil gegen Telefónica erstreiten: Danach hätte es eine freiwillige Einwilligung zur Datenweitergabe gebraucht – das ist aber nicht passiert (LG München I, Urteil vom 25. April 2023, Az. 33 O 5976/22).
Positivdaten sind Informationen wie die Anzahl laufender und alter Verträge mit verschiedenen Anbietern oder wann Rechnungen bezahlt wurden. Auch diese vermeintlich neutralen Informationen lassen negative Rückschlüsse zu: Bereits die Anzahl der abgeschlossenen Verträge oder der häufige Wechsel eines Mobilfunkvertrags können z.B. als Indiz für Anbieter-Hopping zu günstigen Konditionen gewertet werden. Das sehen Unternehmen nicht gern und könnten jemanden deshalb als nicht vertrauenswürdig einstufen. Solche Bewertungen könnten außerdem in die „Scores“ der Auskunfteien einfließen, die darüber entscheiden, ob man einen Vertrag, eine Wohnung oder einen Kredit erhält – oder eben nicht.
Datenweitergabe dauert an!
RA Solmecke: „Wir haben mittlerweile die Datenschutzbestimmungen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen aller gängigen Mobilfunkbetreiber in Deutschland überprüft. Es ist erschreckend, dass kaum einer bis heute seine Weitergabepraxis angepasst hat. Vielmehr scheint man es hier vorzuziehen, den Weg durch die Instanzen zu gehen, anstatt sich die Einwilligung in die Datenweitergabe an die Schufa zu holen.“
Andreas Quauke von Legalbird: „Wir haben bereits über 15.000 Schufa-Auszüge für unsere Mandanten angefordert und nach den ersten 3.500 Datensätzen festgestellt, dass jeder dritte Mobilfunkvertrag tatsächlich auch betroffen ist. Entsprechend viele illegale Einträge gibt es deshalb bei der Schufa. Die prozentuale Verteilung der Positiveinträge pro Mobilfunkbetreiber konzentriert sich auf die großen Netzbetreiber: Spitzenreiter ist Vodafone mit 35% aller Einträge, gefolgt von Telefónica (26%) und der Telekom (17%).“
Die Meinung der Gerichte ist eindeutig
RA Solmecke: „Das Urteil gegen Telefónica hat eindeutig bestätigt, dass es sich um einen Datenschutzverstoß handelt, auch andere Gerichte sehen das in vergleichbaren Sachverhalten so:
- So hat das LG Frankfurt a.M. die Klausel des Energieversorgers Eprimo gekippt, weil deren weite Formulierung es erlaubte, Positivdaten an Auskunfteien zu übermitteln – was das Gericht ebenfalls als DSGVO-widrig ansah (Urteil vom 26. Mai 2023, Az. 2-24 O 156/21).
- Eine weitere Klage der Verbraucherschützer gegen die Telekom hat das LG Köln zwar aus prozessualen Gründen in erster Instanz abgewiesen – inhaltlich vertrat das Gericht jedoch dieselbe Ansicht wie das LG München (Urteil vom 23. März 2023, 33 O 376/22). Die Sache geht jetzt aber in der Berufungsinstanz weiter.
Die Betroffenen haben jetzt einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), wenn ihre Daten illegal an die Schufa weitergegeben worden sind.“
Schadensersatz bis zu 5.000 Euro für Betroffene
RA Solmecke: „Aktuell gehen wir davon aus, dass Betroffenen ein Schadensersatz von bis zu 5.000 Euro zusteht. Das sind Schadensersatzzahlungen, die etliche Gerichte in der Vergangenheit bei illegalen Schufa-Einträgen auch genau so ausgeurteilt haben. So sprach bereits das LG Mainz einen Betrag in Höhe von 5.000 Euro nach einer unberechtigten Datenweitergabe an die Schufa Holding AG zu (LG Mainz, Urteil vom 12. November 2021 – 3 O 12/20, GRUR- RS 2021, 34695 (juris)). Ebenfalls 5.000 Euro sprach das OLG Dresden für eine unberechtigte Datenweitergabe zu (OLG Dresden, Urteil vom 30. November 2021 – 4 U 1158/21). Bei einer Weitergabe höchstpersönlicher Daten sind sogar 15.000 Euro angemessen, wie das AG Stuttgart entschied (Urteil vom 27. September 2023 zur Aufrechterhaltung eines Versäumnisurteils – 12 Ca 359/21 15.000 Euro). Für die Betroffenen ist ein solch belastender Schufa-Eintrag auf jeden Fall ein Schaden, der ausgeglichen werden muss. Die Höhe ist absolut gerechtfertigt, handelt es sich doch um einen massiven und systematischen sowie langjährigen Eingriff.“
Was tun wir für Betroffene?
Quauke: „Bislang haben sich rund 100.000 Verbraucher bei uns gemeldet. Wir prüfen jetzt in jedem Einzelfall, ob ein Vorgehen sinnvoll ist. Zunächst schreiten wir mit Rechtsschutzversicherern voran, da die Rechtslage noch nicht zu 100% geklärt ist und wir das Kostenrisiko für unsere Mandanten gering halten wollen. In einem weiteren Schritt würden wir dann auch ein Modell für alle anderen finden. Die ersten Klagen werden wir diese Woche rausschicken. Tausende weitere Klageverfahren folgen dann in den nächsten Monaten. Diese werden an allen Landgerichten Deutschlands anhängig gemacht werden“, erklärt Quauke.
Betroffene können hierzu einfach kostenlos dieses Formular ausfüllen und checken, ob auch sie betroffen sind:
Weitere Informationen finden Sie auch auf unserer Seite:
https://www.wbs.legal/it-und-internet-recht/datenschutzrecht/schufa/mobilfunkanbieter/
RA Solmecke: „Nicht nur deshalb sehen wir große Parallelen zu den Facebook-Datenleck-Fällen. Auch dort ging es um Daten, auf die nicht ordentlich aufgepasst worden ist. Dabei hat die Vergangenheit gezeigt, dass die Gerichte vielfach 1.000 Euro an Schadensersatz für angemessen hielten. Bei der Schufa dürfte es deutlich mehr sein, da hier auch die Auswirkungen für die Einzelnen deutlich größer sind“, ergänzt RA Solmecke.
Wie reagieren die Mobilfunkanbieter?
„Die Mobilfunkanbieter lehnen bislang – wenig überraschend – die Ansprüche ab. Sie meinen, einer Einwilligung hätte es nicht bedurft. Das entspricht im Wesentlichen der Argumentation, die auch vor den Landgerichten gegenüber Verbraucherschützern vertreten wurde. Aber damit werden sie nicht durchkommen, denn hier sind die Gerichtsurteile und das Datenschutzrecht in unseren Augen eindeutig“, so Solmecke weiter.