Gerichtsentscheidungen dürfen nicht an andere Behörden weitergeleitet werden, wenn die Beteiligten darin namentlich genannt werden. Ein Verstoß kann zu einem Schadensersatzanspruch gemäß Art. 82 DSGVO wegen Verletzung der DSGVO führen. Das bestätigte das LG Köln jüngst in einem Urteil, entschied aber, dass es im konkreten Fall an einem kausalen Schaden für einen solchen Anspruch fehle.
In der Sache selbst ging es um den Inhaber eines Ladenlokals, der gerichtlich gegen die Stadt Bergisch Gladbach vorging. Die Stadt hatte aufgrund der Corona-Pandemie die Schließung der Geschäftslokale angeordnet. Dagegen ging der Ladeninhaber vor und klagte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Köln. Das VG Köln entschied sodann per Beschluss über die Sache. Die Stadt Bergisch Gladbach leitete diesen Beschluss an Mitarbeiter anderer Kommunen weiter, ohne den Namen des Ladeninhabers herauszunehmen oder zu schwärzen. Infolge dessen sei es zu Anfeindungen als “Corona Leugner” gekommen, so der Ladeninhaber. Die Gerichtsentscheidung sei zudem ausgedruckt zusammen mit einem Zettel mit der Aufschrift “Ihr seid es” unter den Scheibenwischer seines Autos gesteckt worden.
Der Inhaber sah in der Weitergabe seiner Daten durch das Versenden der Gerichtsentscheidung einen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Es hätte eine Anonymisierung vorgenommen werden müssen. Der Inhaber machte daher einen Schadensersatzanspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 8.000 Euro gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO gegen die Stadt Bergisch Gladbach geltend. Das Landgericht (LG) Köln stimmte dem Inhaber zu, dass die Weitergabe des Namens grundsätzlich einen Anspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO begründe. Im konkreten Fall lehnte es diesen aber mangels Kausalität ab (v. 03.08.2021, Az. 5 O 84/21).
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Art. 82 Abs. 1 DSGVO grundsätzlich anwendbar
Das Gericht stimmte dem Ladeninhaber zu, dass ein Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO für solche Fälle der Datenweitergabe bestehe. Der Anspruch bestünde für jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist. Die Übersendung des Beschlusses des VG Köln an Mitarbeiter anderer Kommunen stelle einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung dar, so das LG Köln. Die Stadt Bergisch Gladbach hätte den Beschluss anonymisieren und dadurch die Identität des Klägers unkenntlich machen müssen.
Insofern bestand hinsichtlich der Frage, ob ein Verstoß gegen die DSGVO vorliege, Einigkeit zwischen Gericht und Kläger. Bezüglich des Schadensersatzanspruchs folgte das Gericht allerdings der Argumentation der Gegenseite, der Stadt Bergisch Gladbach.
Kein kausaler Schaden wegen Weitergabe der Daten
Die Stadt Bergisch Gladbach stellte sich auf den Standpunkt, dass die Nachteile, die der Ladeninhaber erlitten habe, nicht kausal auf die Weitergabe der Entscheidung zurückzuführen seien. Vielmehr habe der gesamte Rechtsstreit schon vorher einige mediale Aufmerksamkeit bekommen und sei Gegenstand der Berichterstattung in einer Tageszeitung gewesen. Sowohl der Inhalt des Streits als auch der Name des Inhabers seien daher schon öffentlich bekannt gewesen.
Das sah das LG Köln genauso und lehnte einen Schmerzensgeldanspruch ab. Es sei nicht ersichtlich, dass die Anfeindungen gerade aufgrund des weitergeleiteten Beschlusses erfolgt sind. Zudem hätten sich auch andere Geschäftsinhaber gegen die Schließung ihrer Lokale gerichtlich zur Wehr gesetzt, so dass auch diese an den Beschluss hätten gelangen können. Außerdem führte das Gericht an, dass die Mitarbeiter der anderen Kommunen selbst zur Verschwiegenheit verpflichtet waren und es daher zweifelhaft sei, dass die Daten durch sie an die Öffentlichkeit geraten sind.
Gegen den Schmerzensgeldanspruch führte das Gericht zudem aus, dass keine immaterielle Beeinträchtigung des Klägers ersichtlich sei. Eine solche ist durchaus gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO ersatzfähig. Sie muss aber klar erkennbar sein. Andernfalls würde es zu einer uferlosen Häufung von Ansprüchen wegen immaterieller Schädigungen kommen. Dies sei aber nicht Sinn und Zweck der Vorschrift.
Das LG Köln hat mit dieser Entscheidung einmal mehr die Voraussetzungen für einen Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO konkretisiert. Der vorliegende Fall dürfte nicht der letzte dieser Art sein, sodass das Urteil für künftige Verfahren wegweisend sein könnte.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
lpo