Die Mitarbeiterin eines Pflegedienstes ließ sich bei einem Videodreh von ihrem Arbeitnehmer filmen, ohne zu wissen, wofür das Material verwendet werden sollte. Der Pflegedienst erstellte aus den Sequenzen ungefragt ein Werbevideo und lud es auf YouTube hoch. Dafür gibt es maximal 2.000 € DSGVO-Schadensersatz, wie das LAG Kiel nun im Prozesskostenhilfeverfahren entschied.
Wirkt eine Mitarbeiterin freiwillig an einem Videodreh mit, kann sie maximal mit einer DSGVO-Entschädigung in Höhe von 2.000 Euro rechnen, wenn der Arbeitgeber aus den Videosequenzen ungefragt ein YouTube-Werbevideo erstellt. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein jetzt im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden (Beschl. v. 31.05.2022, Az. 2 Ca 82 e/22).
Ein Pflegedienst ließ ein 36-sekündiges Werbevideo drehen, an dessen Dreh unter anderem eine vom 08.09. bis 31.12.2021 bei dem Dienst beschäftigte Pflegehelferin teilnahm. Sie ist in dem Video zunächst unscharf und ab Sekunde 0:11 in Ganzkörperaufnahme zu sehen, wie sie in ein Auto einsteigt, auf dem „Wir suchen Pflegekräfte“ zu lesen ist und ein Audio-Overlay sagt „Steige jetzt mit ein!“. Später ist die Mitarbeiterin deutlich und in Portraitgröße im Auto sitzende zu erkennen, während das Audio-Overlay „zwischenmenschliche Beziehungen“ anpreist. Die Pflegehelferin hatte sich nur mündlich zum Videodreh bereit erklärt. Der Pflegedienst hatte sie nicht vorab über den Zweck der Datenverarbeitung und ihr Widerrufsrecht in Textform informiert und veröffentlichte das Video im Internet auf YouTube.
Die ehemalige Mitarbeiterin verklagte den Pflegedienst daraufhin auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 6.000 Euro. Später erweiterte die Pflegehelferin ihre Klage und verlangte vom Pflegedienst, die weitere Nutzung des Videos zu unterlassen. Dieser nahm das Video in der Folge aus dem Netz und schloss mit der Geschädigten mittlerweile einen verfahrensbeendenden Vergleich.
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Gegenstand der jetzigen Entscheidung war nicht das Hauptsacheverfahren, sondern ein Antrag der Pflegehelferin auf Prozesskostenhilfe. Diese war ihr vom Arbeitsgericht (ArbG) bewilligt worden, allerdings nur bis zu einer Schmerzensgeldsumme von 2.000 Euro. Gegen diese teilweise Versagung der Prozesskostenhilfe wandte sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde. Das ArbG half der Beschwerde nicht ab und legte die Sache stattdessen dem LAG zur Entscheidung vor. Dieses bestätigten nun jedoch die Entscheidung des ArbG.
Schadensersatzbegehren über 2.000 Euro hat keine Erfolgsaussicht
Für die Gewährung von Prozesskostenhilfe komme es gemäß § 114 ZPO auf die Erfolgsaussichten der Klage an, so die obersten Arbeitsrichter in Schleswig-Holstein. Das ArbG habe zutreffend erkannt, dass die summarische Prüfung anhand des Maßstabs des § 114 Abs. 1 ZPO, ob ein bestimmtes Schmerzensgeld angemessen erscheint oder nicht, sich im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens regelmäßig nur darauf beschränken kann, ob die begehrte Kompensation sich ausgehend von den konkreten Umständen des Einzelfalls der Höhe nach innerhalb eines vertretbaren Rahmens bewegt. Angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalls habe der für den der Klagforderung zugrundeliegenden Verstoß die Obergrenze einer noch vertretbaren Höhe des begehrten Schmerzensgelds bei 2.000 Euro gelegen. Durch den geltend gemachten Verstoß des Pflegedienstes gegen die Bestimmungen der DSGVO sei der Ex-Angestellten ein immaterieller Schaden entstanden. Nach Erwägungsgrund 146 Satz 6 der DSGVO sollten die betroffenen Personen einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden erhalten. Bei der Bemessung des immateriellen Schadensersatzes durch das Gericht seien daher alle Umstände des Einzelfalls zu betrachten. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass ein tatsächlicher und wirksamer rechtlicher Schutz der aus der DSGVO hergeleiteten Rechte gewährleistet werden solle.
Freiwilliges Mitwirken am Videodreh mindert Erfolgschancen
Unter Berücksichtigung und Abwägung aller Umstände des Einzelfalls stelle ein Schadensersatz in Höhe von 2.000,00 EUR die Obergrenze dar. Das ArbG habe zu Recht darauf abgestellt, dass die Beeinträchtigung des Rechts der ehemaligen Mitarbeiterin am eigenen Bild hier nicht schwerwiegend war, da sie um die streitbefangenen Aufnahmen wusste und an dem Videodreh freiwillig mitgewirkte. Die Pflegehelferin hätte sich mit den Aufnahmen einverstanden erklärt, allein nicht in der gebotenen schriftlichen Form und ohne vorherige Unterrichtung über den Verarbeitungszweck und das Widerrufsrecht. Dass die Aufnahmen (Einsteigen ins Auto, im Auto sitzend) die Intimsphäre der Geschädigten berührt oder sie diskriminiert hätten, sei nicht erkennbar. Das ArbG habe bei der Bemessung des Schmerzensgeldes auch berücksichtigen dürfen, dass der Pflegedienst das Video umgehend aus dem Netz genommen habe, nachdem die Ex-Angestellte sie aufgefordert hatte, die Nutzung des Videos zu unterlassen. Selbst wenn zugunsten der Geschädigten berücksichtigt würde, dass es sich nicht nur um Fotos, sondern um kommerziell genutzte Bewegtbilder gehandelt hat und ein möglicherweise nur geringes Verschulden nicht zu Gunsten des Pflegedienstes in die Betrachtung eingestellt würde, sei nach den Umständen kein höheres Schmerzensgeld gerechtfertigt.
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jko