Übersieht ein Arbeitgeber bei der Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses, dass das Profil eines ehemaligen Arbeitnehmers weiterhin im Internet abrufbar ist, so handelt es sich um eine DSGVO-Verletzung, welche einen Schmerzensgeldanspruch auslösen kann.
Ein neues Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln (Urteil vom 14.9.2020 – 2 Sa 358/20) dürfte für alle Arbeitgeber mit eigener Homepage und alle Arbeitnehmer, die darauf auftauchen, interessant sein. Man kennt das: Eine Firmenhomepage, auf der sich die einzelnen Mitarbeiter mit Foto und Name, manchmal auch einer kurzen Vita, vorstellen. Soweit nichts Besonderes und so war es auch im Fall, den das LAG Köln nun zu entscheiden hatte.
Foto nach Ausscheiden weiterhin im Netz auffindbar
Die Klägerin, eine Professorin für Medien- und Eventmanagement, war an einem Standort der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte verlinkte auf ihrer Homepage auch ein Profil der Klägerin. Die Klägerin und die Beklagte einigten sich in der Folgezeit auf einen Aufhebungsvertrag. In diesem wurde vereinbart, dass das Profil der Professorin im Intranet und das Profil mit Foto von der Website gelöscht werden solle. Das Intranet-Profil wurde sodann auch gelöscht, doch bei dem Profil im PDF-Format – inzwischen war die Webseite auf HTML umgestellt worden – übersah die Beklagte, dass dieses weiterhin über das Netz abrufbar war. Die Professorin stieß darauf, in dem sie sich selbst googelte und unter den ersten zehn Treffern fand. Über einen Rechtsanwalt verlangte sie daraufhin die Löschung des Profils sowie weiterer Artikel über vergangene Forschungsvorhaben der Klägerin. Die Beklagte kam dem nach.
Die Professorin wandte sich dann an die Datenschutzbeauftragten ihres Bundeslandes, welche gegenüber der Beklagten die noch online stehende PDF rügte. Die Datenschutzbeauftragte stellte auch fest, dass der Aufhebungsvertrag nur eine Regelung zu der Verlinkung des Profils der Klägerin auf der Homepage und im Intranet der Beklagten enthalte; Berichterstattungen über einzelne von der Klägerin durchgeführte Projekte, welche die Beklagte nach dem Anwaltsbrief der Klägerin, auch schon anonymisiert hatte, seien als genehmigte Datenverarbeitung zulässig gewesen.
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Schadensersatz wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung
Die Professorin verlangte daraufhin Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 Euro aus § 82 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Danach hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen.
Die Professorin verlangte darüber hinaus den Ersatz ihrer Anwaltskosten in Höhe von 413,64 Euro samt Zinsen und dass die Beklagte sie freistellt von Kosten, die wegen der Inanspruchnahme ihrer Rechtsschutzversicherung und einer daraus resultierenden Erhöhung der Selbstbeteiligung in künftigen Rechtsstreiten für sie entstehen könnten.
Sie argumentierte, dass § 12a Arbeitsgerichtsgesetz (AGG) wegen der Unabdingbarkeit von Art. 82 DSGVO als europäische Verordnung unangewendet bleiben müsse. Nach § 12 a AGG besteht nämlich in Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs „kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten oder Beistands“.
Das Arbeitsgericht sprach der Klägerin daraufhin 300 Euro Schadenersatz zu. Es sah in der Vorhaltung der PDF eine Persönlichkeitsrechtsverletzung, die einen Bagatellfall überschreitet. Einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung ihrer Anwaltskosten und auf eine Freistellung von Versicherungsbeiträgen sah das Gericht jedoch nicht.
Daraufhin ging die Klägerin in Berufung. Die Beklagte beantragte, die Berufung zurückzuweisen.
Weitere Google-Suchergebnisse von Relevanz
Das Landesarbeitsgericht stellte eine „versehentliche Aufrechterhaltung der Sichtbarkeit des PDF mit dem Profil der Klägerin“ fest. Das Arbeitsgericht habe hier zwar richtig gewertet, „dass die Intensität der Rechtsverletzung marginal war“. Allerdings habe die weitere Abrufbarkeit des PDF-Profils den fehlerhaften Rückschluss zugelassen, die Professorin sei nach wie vor als Lehrende für die Beklagte tätig.
Das Gericht sah es als relevant an, welcher Art die anderen neun Einträge in den Suchergebnissen bei Google waren. Da die Klägerin nicht vorgetragen habe, von Dritten zu dem PDF-Profil kontaktiert worden zu sein, könne davon ausgegangen werden, „dass das bei Google auffindbare Suchsuchergebnis für Personen, die sich für die Klägerin interessierten und deshalb ihren Namen gegoogelt haben, eher uninteressant war“. Auch könne ausgeschlossen werden, dass das PDF-Profil zu vielen Aufrufen der Seite der Beklagten geführt habe. Ein Reputationsschaden der Klägerin sei, so das Gericht, „fernliegend“.
Was § 12a ArbGG betrifft, entschied das Landesarbeitsgericht, dass bei der Anwendbarkeit von § 12a ArbGG auf den Beseitigungsanspruch nicht um eine Ausgestaltung des Beseitigungsanspruchs handele. Da die DSGVO die Kosten des Beseitigungsanspruchs nicht regle, fänden die allgemeinen deutschen gesetzlichen Regeln aus § 12a ArbGG alleinige Anwendung.
Die Kammer urteilte außerdem, dass Art. 82 DSGVO nur den primären Schadensersatz hinsichtlich der immaterieller Schäden bzw. Persönlichkeitsrechtsverletzungen regle. Sekundäre Schäden wie Rechtsverfolgungskosten, seien „von der DSGVO nicht erfasst“ und richteten sich nach dem nationalen Recht.
mop