Nancy Faesers Bundesinnenministerium stellte am 06.08. einen Änderungsentwurf vor, der dem BKA weitreichende neue Befugnisse geben sollte. Es ist von heimlichen Wohnungsdurchsuchungen, automatisierten Datenbankanalysen und KI-gestützten Bildersuchen die Rede. Einige Rechtsexperten sehen darin einen Affront gegen den Rechtsstaat.

In Reaktion auf die tragische Messerattacke in Solingen sprach Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im ZDF-Sommerinterview von einem Gesetzgebungsvorhaben, das „die Zuständigkeiten des BKA bei Terrorismusgefahr erweitern“ solle. Der Entwurfstext liegt nun öffentlich vor und sorgt mit seinen drei wesentlichen Änderungen für Aufsehen. Vor allem das Bundeskriminalamt (BKA) soll mit neuen, weitreichenden Eingriffsgrundlagen zur Terrorismusbekämpfung ausgestattet werden. Was der Entwurf nur „punktuelle“ Änderungen nennt, wird nun heftig diskutiert.

Heimliche Wohnungsdurchsuchungen

Im Fokus der Debatte steht die neue Befugnis des BKA, heimlich in Wohnungen von Verdächtigen einzudringen, um dort Spionagesoftware zu installieren. Bisher war der Einsatz von staatlicher Spionagesoftware auf eine Infektion der Geräte aus der Ferne angewiesen – durch sogenannte „Staatstrojaner“. Seit 2017 ist den Polizeibehörden unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, digitale Kommunikation mit diesen Mitteln abzuhören.

Das Innenministerium sieht hier offenbar ein Defizit: Der Fernzugriff sei nicht immer zuverlässig, um die Zielgeräte zu infizieren. Vor allem bei Geräten, die nicht täglich oder nur zu bestimmten Zwecken genutzt werden, gestalte sich die bisherige Herangehensweise als schwierig. Deshalb sollen neue Regeln im BKA-Gesetz nun einen „physischen Zugriff“ auf die Geräte erlauben, was wiederum bedeutet, dass BKA-Beamte ohne Wissen des Betroffenen in Wohnungen eindringen und Geräte manipulieren können sollen.

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Automatisierte Datenbankanalysen

Der zweite große Punkt des Entwurfs befasst sich mit der automatisierten Auswertung von polizeilichen Datenbanken. Die Kriminaldatenbank des BKA soll mit jener der Bundespolizei „technisch zusammengeführt“ werden. Damit soll man in einem zweiten Schritt durch automatisierte Prozesse „neues Wissen generieren“ können, das bei der Strafverfolgung und Gefahrenverhütung hilft.

Die anlasslose Zusammenführung und Auswertung der Datenbanken ist vor dem Hintergrund der DSGVO und der Allgemeinen Persönlichkeitsrechte fragwürdig. Die nachgelagerte automatisierte Analyse ist hingegen grundsätzlich möglich, wird aber an hohe grundrechtliche Hürden geknüpft. (s. BVerfG Urt. v. 16.02.2023, Az. 1 BvR 1547/19, 1 BvR 2534/20). Ob das Innenministerium diesen Hürden gerecht wird, ist anhand der Begründung aber zweifelhaft.

KI-gestützter Bildabgleich

Der Entwurf will dem BKA außerdem erlauben, mit KI-Tools Bildabgleiche mit dem Internet durchzuführen. Softwarelösungen wie PimEyes ermöglichen schon jetzt, mit fortschrittlicher Gesichtserkennung andere Bildquellen eines eingegebenen Bildes zu finden. Dafür hatte es bisher an Rechtsgrundlagen gefehlt, wie unter anderem der Fall von Ex-RAF Terroristin Daniela Klette zeigte. Hier war es Journalisten weit vor den Ermittlungsbehörden gelungen, Klette zu identifizieren. Die Behörde nahm diese Angaben dann als Tipp entgegen, wobei der Einfluss auf die Ermittlungsergebnisse weiterhin unklar ist.

Mit der geplanten Änderung des BKA-Gesetzes möchte das Innenministerium diese unangenehme Befugnislücke nun schließen. Auch hier werden datenschutzrechtliche Konflikte gesehen, insbesondere da auch Bilder von Menschen im Internet landen, die dem vorher nicht zugestimmt haben – etwa wenn sie nur im Hintergrund zu sehen sind.

Reaktionen überwiegend negativ

Entsprechend fallen auch die öffentlichen Reaktionen aus. Allen voran kritisierte Justizminister Marco Buschmann den Entwurf auf X mit klaren Worten. Das „heimliche Schnüffeln in Wohnungen“ mache man im Staate des Grundgesetzes nicht. Der Entwurf würde seiner Auffassung nach weder das Kabinett passieren noch eine Mehrheit im Bundestag finden.

Der Deutsche Journalisten-Verband fürchtet, dass die geplanten Änderungen die Pressefreiheit und den Informantenschutz gefährden. Grund hierfür ist, dass die Regelungen (schon jetzt) vorsehen, dass auch Kontaktpersonen von Verdächtigten mit Spionagesoftware abgehört werden können. Die Voraussetzungen sind durchaus schon jetzt relativ hoch und verfassungsrechtlich umstritten. So braucht es eine „dringende Gefahr“ für Staatssicherheit oder Leib und Leben, wie sie vor allem bei geplanten Terroranschlägen vorliegt. Außerdem braucht es stets einen richterlichen Beschluss für eine Abhörungsmaßnahme. Dass nun aber auch Investigativjournalisten eine heimliche Wohnungsbetretung zu befürchten haben, wird nicht ohne Weiteres hingenommen. Man nennt den Entwurf ein „legislatives No-Go“.

Das Innenministerium begründet die Entscheidung damit, dass Tatverdächtige und Gefährder im Bereich Terrorismus und schwerer organisierter Kriminalität „schnell und effektiv“ identifiziert und lokalisiert werden können. Die FDP-Fraktion sieht diesen Standpunkt ein, warnt aber vor leichtfertigen Rechtseingriffen. Andernfalls schaffe sich der Rechtsstaat selbst ab. Der Deutsche Anwaltsverein sieht den „Rechtsstaat in seinen Grundfesten ins Wanken“ geraten.

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