Die elektronische Patientenakte ist erst zu Jahresbeginn in Deutschland eingeführt worden, doch schon musste sich das BVerfG damit beschäftigen. Da jedoch die Nutzung freiwillig ist, könnten Versicherte selbst über die damit einhergehende Datenverarbeitung entscheiden, weshalb es für eine Verfassungsbeschwerde bereits an der Zulässigkeit fehle.

Verbundene Datenverarbeitungen verletzen Versicherte nicht in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, da die Nutzung einer elektronischen Patientenakte für Versicherte freiwillig ist Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe beschlossen und eine Verfassungsbeschwerde wegen fehlender Zulässigkeit nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 4. Januar 2021, Az. 1 BvR 619/20). Einen Antrag auf einstweilige Anordnung in einem zweiten Verfahren, mit dem das Inkrafttreten der entsprechenden Vorschriften verhindert werden sollte, haben die Richter ebenfalls abgelehnt (Beschluss vom 04. Januar 21, Az. 1 BvQ 108/20).

Die elektronische Patientenakte

Die elektronische Patientenakte soll ermöglichen, dass Ärzte, Therapeuten, Apotheken und Pflegeeinrichtungen jederzeit ohne Zeitverlust die für sie relevanten Gesundheitsdaten des Patienten abrufen können. Das ist kein komplett neues Prinzip, da schon seit Jahren elektronische Akten im Gesundheitswesen benutzt werden. Ohne eine elektronische Akte müssten Ärzte sowohl untereinander als auch in der Kommunikation mit der Krankenkasse Informationen schriftlich austauschen. Das wäre nicht nur zeitraubend, es könnte auch die Gesundheit des Patienten gefährden, wenn wichtige Gesundheits-Informationen nicht weitergegeben wurden, zum Beispiel Allergien oder Vorerkrankungen.

Bislang hat jeder Arzt und jedes Krankenhaus seine eigene elektronische Patientenakte geführt. Diese diente vor allem dem Arzt zur Dokumentation. Eine Einsicht durch den Patienten war nicht vorgesehen. Ebenso war der Arzt nicht verpflichtet diese elektronisch zu führen. Mit den neuen Änderungen soll das anders werden. Hier hat der Patient die Verfügungsgewalt über seine Gesundheitsdaten. Er allein soll entscheiden, ob und welche Daten gespeichert werden und auch, welche wieder gelöscht werden sollen. Daraus folgt auch, dass der Patient zu Behandlungsbeginn entscheiden kann, ob er dem Arzt Einsicht in seine Daten gewährt. Dabei findet die zentrale Speicherung bei der Krankenkasse statt.

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Weshalb wurde geklagt?

Der Beschwerdeführer wendete sich gegen Vorschriften des Sozialgesetzbuches (SGB V) im Zusammenhang mit der elektronischen Patientenakte, gegen § 68b Abs. 2 und Abs. 3 SGB V und gegen § 299 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB V. In einem weiteren Verfahren begehrte der dortige Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung, um das Inkrafttreten von § 68b Abs. 3, § 284 Abs. 1 Satz 1 Nr. 19 SGB V zu verhindern.

Konkret handelte es sich um § 68b Abs. 1 Satz 4 SGB V. Dieser besagt, dass Krankenkassen die versichertenbezogenen Daten, die sie nach § 284 Abs. 1 SGB V rechtmäßig erhoben und gespeichert haben, für die Vorbereitung von Versorgungsinnovationen im erforderlichen Umfang auswerten können.

Der Antragsteller als auch der Beschwerdeführer sahen darin ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung gem. Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verletzt.

Sie befürchten, dass so eine zentral gespeicherte virtuelle Datenbank mit den hochsensiblen Gesundheitsdaten der Versicherten entsteht, auf die auch ohne Einsatz der elektronischen Gesundheitskarte zugegriffen werden könne. Diese ist in Bezug auf die IT-Sicherheit nicht hinreichend abgesichert und kann so zum Ziel von Hackerangriffen werden. Außerdem ermöglichen die §§ 68b Abs. 2, Abs. 3, 299 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB V, dass immer aussagekräftigere Gesundheitsprofile erstellt werden könnten.

Elektronische Patientenakte: Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Das BVerfG nahm nun jedoch die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Diese sei unzulässig, da der Beschwerdeführer nicht in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung gem. Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verletzt sei. Eine Verletzung der Grundrechte habe als Voraussetzung, dass der Patient unmittelbar und gegenwärtig betroffen sei, so die Karlsruher Richter. Dies sei hier aber nicht der Fall, da die Nutzung der E-Patientenakte freiwillig sei. Der Patient könne selbst entscheiden, ob der Arzt Einsicht in seine Gesundheitsdaten nehmen dürfe und welche konkreten Daten er ihm zur Verfügung stelle. Darum könne eine pauschale Gefährdung der IT-Sicherheit nicht angenommen werden. Schließlich habe der Beschwerdeführer es somit selbst in der Hand, die geltend gemachte Verletzung in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung abzuwenden, indem er seine Einwilligung zur Nutzung der elektronischen Patientenakte entsprechend nicht erteile.

Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das BVerfG ebenfalls abgelehnt. Eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde wäre aus Gründen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) unzulässig. Der Antragsteller sei verpflichtet gewesen, zunächst bei den Sozialgerichten (SG) um Rechtsschutz im Wege einer Feststellungs- oder Unterlassungsklage nachzusuchen. Das SG habe zuerst zu klären, wie die in § 68b SGB V verankerten Datenverarbeitungsbefugnisse auszulegen seien. Davon hänge sodann ab, inwiefern der Antragsteller rechtlich und tatsächlich beschwert sei.

dza/tsp