Das Blockieren gehört auf X längst zum alltäglichen Geschäft. Ein Recht der Nutzer, das nicht selten den eigenen Kommentarbereich vor unerwünscht kritischen Besuchern schützt. Unter Privatpersonen ist das nach Gutdünken möglich, doch dürfen Politiker das auch? „Nein, aber…“, sagte das AG Berlin-Mitte sinngemäß in einem jungen Beschluss und schaute sich das X-Profil von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach genauer an.

„SPD Bundestagsabgeordneter, Bundesgesundheitsminister, der hier selbst und privat tweetet“: Unter anderem diese Worte haben jüngst das Amtsgericht Berlin-Mitte (AG) beschäftigt. Es ging um die Frage, ob es Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erlaubt war, einen Journalisten auf der Kurznachrichtenplattform X (ehemals Twitter) zu blockieren, der im Februar 2022 Beiträge im Zusammenhang mit staatlichen Corona-Maßnahmen kritisch kommentiert hatte. Eine Abmahnung des Journalisten an das Bundesministerium für Gesundheit wurde zurückgewiesen. Daraufhin erhob er vor Gericht einen Antrag auf einstweilige Verfügung – das AG lehnte den Antrag ab. Der Grund: Karl Lauterbach poste nur „privat“. Der Account sei keine „virtuelle öffentliche Einrichtung“ (Beschl. v. 19.10.2023, Az. 151 C 167/23 eV).

X-Account kann „öffentliche Einrichtung“ sein

Der Journalist trug vor, durch die Blockierung in seinem Recht auf diskriminierungsfreien Zugang zu öffentlichen Leistungen und Einrichtungen verletzt zu sein. Unter Verweis auf die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (VG) Hamburg und München erkannte das AG zunächst an, dass ein von einer Behörde betriebener, staatlicher Social-Media-Account in der Tat eine virtuelle „öffentliche Einrichtung“ sei und in einem solchen Fall ein diskriminierungsfreier, offener Zugang gewährt werden müsse.

Zentral stellte sich also die Frage, ob es sich bei Lauterbachs X-Account um eine private oder hoheitliche Plattform handelt. Das sei jedoch nicht für jeden Post einzeln zu beurteilen, sondern nach dem „Gesamtgepräge“ des Accounts. Andernfalls würde man einen einheitlichen Auftritt lebensfern künstlich aufspalten, so das Gericht. Damit erteilt es der durchaus vertretenen gegenläufigen Rechtsauffassung eine Absage. Für die Beurteilung des Accounts würden dabei Inhalt, Form und der äußere Zusammenhang der Posts des Accounts eine Rolle spielen.

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Lauterbach postet aber „selbst und privat“

Für die Bewertung, ob Lauterbach als Privatperson oder als Amtswalter in Erscheinung tritt, zog das Gericht unterschiedliche Kriterien heran. Zunächst einmal die Amtsbezeichnungen, die er selbst in seiner Profilbeschreibung angibt: „SPD Bundestagsabgeordneter, Bundesgesundheitsminister“. Diese reichten laut Gericht jedoch noch nicht aus, um Lauterbach die Inanspruchnahme staatlicher Autorität für den Account zu unterstellen. Seine staatliche Funktion müsse derart in den Vordergrund rücken, dass für jeden Dritten sofort klar würde, dass er jetzt in amtlicher Funktion auftreten wolle. Hiergegen sprechen laut Gericht unter anderem die geposteten „Selfies“ sowie die Posts von geschenkten Jutebeuteln, untermalt durch Emoticons. Dass Karl Lauterbach zwischendurch Posts eines Bundesministeriums repostet – und umgekehrt – ändere daran nichts.

Gegen einen hoheitlichen Auftritt spreche auch, dass Lauterbach nicht ersichtlich auf Ressourcen seines Ministeriums zurückgreift, um den Account zu unterhalten. Auch der Nutzername sei maßgebend, der im Unterschied zu tatsächlichen staatlichen Einrichtungen nicht eindeutig genug ist. Das Gericht sieht eine gängige Praxis darin, dass sich Nutzernamen staatlicher Accounts ausschließlich aus dem Namen bzw. der Abkürzung des jeweiligen Ressorts speisen und eben nicht aus Amtsbezeichnungen des jeweiligen Ministers. Lauterbach bezeichne sich auf seinem Account jedoch frei als „Prof. Dr. Karl Lauterbach“ – und nicht etwa als „Bundesminister der Gesundheit Prof. Dr. Karl Lauterbach“.

Zuletzt mache es auch keinen Unterschied, dass Lauterbachs Account seitens X mit einem „blauen Haken“ verifiziert ist. Laut den Richtlinien von X ist diese Verifizierung zwar „staatlichen Accounts und multilateralen Organisationen“ vergönnt, allerdings habe Lauterbach diese Verifizierung nicht aktiv beantragt. Sie stünde außerdem auch jedem „einfachen“ Mitglied des Deutschen Bundestages zu – unabhängig davon, ob sie etwa als Minister auch Teil der Exekutive sind.

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Blocken als Grundrecht

Im Ergebnis ist damit klar: Der X-Account von Karl Lauterbach ist in der Tat kein Sprachrohr eines Bundesministers, sondern der private Social-Media-Account des dahinterstehenden Bundestagsmitglieds und Professors. Ein genereller Anspruch auf Zugang zu diesem Account besteht damit nicht. Letztlich genieße das „Entfernen unliebsamer Kommentare Dritter sowie das Blockieren anderer Nutzer in diesem Falle seinerseits grundrechtlichen Schutz“.

Die Beschwerde steht dem antragsstellenden Journalisten noch offen. Ob das Verfahren noch vor dem zuständigen Landgericht landet, bleibt abzuwarten.

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