Laut Google-Bewertungen lobten Gäste die schnelle Bedienung im Herzoglichen Bräustüberl Tegernsee. Dennoch gab Google lange Wartezeiten an. Der Wirt klagte. Google hat kurz vor der mündlichen Verhandlung am LG München I nun den Unterlassungsanspruch anerkannt. Viel spannender als die Wartezeiten, war jedoch die Frage der Klagezustellung. Diese bleibt nun unbeantwortet.
Etwas überraschend wurde der Streit zwischen Suchmaschinen-Gigant Google im Streit mit dem Wirt des Herzoglichen Bräustüberl Tegernsee beigelegt. Der für den 28.08.2019 geplante Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht (LG) München I wurde aufgehoben (Az. 25 O 13925/18).
Lange Wartezeiten? Alles Schmarrn! Im Bräustüberl gibt’s schnellen Service
Der Tegernsee ist so etwas wie der Promi- und Touristenhotspot Oberbayerns. Eine traumhafte Seenlandschaft und ein wunderschönes Bergpanorama. Da verwundert es eigentlich nicht, dass auch das Herzogliche Bräustüberl Tegernsee meist gut besucht ist. Um die schönen Tage nicht durch lange Wartezeiten zu vergeuden, hilft heute die Google-Suche.
Denn sucht man bei Google beispielsweise nach Restaurants, Lokalen oder Gaststätten, erhalten Suchende neben Angaben zu den Öffnungszeiten u.a. auch Informationen zu den üblichen Wartezeiten der jeweiligen Tages- oder Abendzeit, die potenzielle Gäste einkalkulieren sollten.
Doch so gut besucht, wie es Im Stoßzeiten-Chart von Google angezeigt wurde, ist es im Herzoglichen Bräustüberl Tegernsee gar nicht. Bei Google aber war die Rede von Wartezeiten: Mal 15 Minuten, an Wochenenden gar auch mal 90 Minuten.
Peter Huber, der Wirt des Bräustüberl, verklagte daraufhin Google, denn der Wirt fürchtete Einbußen. Potenzielle Gäste, die sich zuvor informieren, könnten sich in andere Lokalitäten begeben. Dabei lobten zahlreiche Gäste in den Google-Bewertungen insbesondere den „schnellen Service“, oder auch den „Top-Service“ des Bräustüberl.
Zwar verschwand der Google-Chart Mitte Juli, eine Unterlassungserklärung jedoch gab Google nicht ab. Eine Garantie also, dass die Angabe dauerhaft nicht mehr auftauche, hatte der Wirt somit nicht.
Auf Nachfrage des Wirts verwies der Internetriese darauf, dass die dargestellten Wartezeiten auf einem Algorithmus basieren, der nicht veränderbar sei. Google im Wortlaut: „Die geschätzten Wartezeiten basieren auf anonymen Daten von Personen, die in der Vergangenheit das betreffende Restaurant besucht haben, ähnlich wie bei den Funktionen ‚Stoßzeiten‘ und ‚Besuchsdauer‘.“ Unternehmen könnten aber über einen Link Feedback geben. Und: „Wir werden den Fall außerdem untersuchen, um Google Maps weiter zu verbessern.“
Den Wirt ärgerte am meisten, „dass man hilflos ausgeliefert“ sei. Gäste hätten ihn 2017 auf den Google-Chart aufmerksam gemacht. Ein Google-Mitarbeiter habe auf einen Algorithmus verwiesen, der weltweit gleich sei. „Sie erfahren nicht, dass das aufgeschaltet wurde, Sie bekommen nicht gesagt, warum das aufgeschaltet wurde. Sie können nicht sagen, dass Sie das nicht möchten – und wenn es falsch ist, können Sie es nicht korrigieren“, so der Wirt.
Nun hat Google etwas überraschend mit Schriftsatz vom 27.08.2019 ein Anerkenntnis abgegeben und ist damit einem Rechtsstreit aus dem Weg gegangen. Google hat den Unterlassungsanspruch anerkannt und um Aufhebung des Termins gebeten. Die Wartezeitenfunktion bleibt nun gesperrt, doch dem Wirt stehe es frei, so Google, die Wartezeitenangaben in Zukunft wieder freischalten zu lassen.
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Klagezustellung auch an Google Germany?
Doch bei der Klage des Wirts gibt es nicht nur inhaltliche Probleme. Bereits die Klagezustellung stellt eine Hürde dar. Daher war der eigentliche Rechtsstreit in diesem Fall aus juristischer Sicht tatsächlich Nebensache. Spannender war die grundsätzliche Rechtsfrage, ob eine Klage im Zusammenhang mit den Google-Diensten gegen einen US-Konzern auch bei der Tochtergesellschaft in Deutschland zugestellt werden kann.
Der Internetkonzern behauptet jedoch, dass die Standorte von Google in Deutschland nichts mit den Google-Diensten zu tun hätten, sodass die deutsche Dependance nicht der richtige Adressat sei. Vielmehr müssten Klagen an die Zentrale in den USA gerichtet werden. Ein seit langer Zeit juristisches Ärgernis.
Wir sind seit langem der Auffassung, dass Google versucht, potenzielle Kläger von der Inanspruchnahme von Rechtsschutz abzuschrecken. Denn die Klageerhebung in den USA, vor allem aufgrund hoher Übersetzerhonorare, ist mit erheblichen Mehrkosten verbunden. Darüber hinaus dauert die Klagezustellung Monate. Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum Google, das in Deutschland Büros mit Rechts- und Entwicklungsabteilungen unterhält, nichts mit den Google-Diensten zu tun haben soll.
Anders als für soziale Netzwerke gilt für Suchmaschinen wie Google das Netzwerkdursetzungsgesetz (NetzDG) nicht. Nach dem NetzDG müssen Anbieter von sozialen Netzwerken einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten benennen. An diese können dann Klagen gerichtet werden, auch wenn der jeweilige Konzern seinen Hauptsitz im Ausland hat.
Durch das Anerkenntnis Googles wird diese Rechtsfrage nun nicht geklärt. Wir beantworten die wichtigsten Fragen:
Welche Bedeutung hat die Anerkenntnis des Anspruchs durch Google – ist das ein ungewöhnlicher Schritt?
„Ein Anerkenntnis hat die Folge, dass die Angelegenheit nicht vor Gericht verhandelt wird. Vielmehr erlässt der Richter ein sogenanntes Anerkenntnisurteil, in dem er dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch (hier der Unterlassungsanspruch des Wirtes gegen Google) stattgibt. Des Weiteren werden die Gerichtskosten der Beklagten, also Google, auferlegt.
Ungewöhnlich ist der Schritt von Google nicht. In der Praxis kommt es regelmäßig zu Anerkenntnisurteilen. So vermeiden die Beklagten eine grundsätzliche Klärung der Rechtsfrage durch höhere Instanzen, denn schließlich haben die Kläger durch das Anerkenntnisurteil ja ihr Ziel erreicht und so kein Interesse mehr daran, Rechtsmittel einzulegen.“
Wie steht es mit der Möglichkeit der Zustellung einer Klage an Google in Deutschland?
Da es aktuell leider keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt und auch der Gesetzgeber – anders als bei Sozialen Netzwerken wie Facebook mit dem NetzDG – noch nicht aktiv wurde, bleibt uns Juristen derzeit keine andere Möglichkeit, als Google die Klagen an dessen Europasitz nach Irland zuzustellen. Wir senden unsere Klagen aber dennoch zeitgleich auch stets an Google Germany. Die derzeitige Situation bleibt durch das Anerkenntnis nun zunächst weiterhin wie gehabt. Doch natürlich ist es de facto so, dass sich bei Sachverhalten mit Bezug nach Deutschland Google Germany um Streitfälle kümmert und insbesondere Schriftverkehr in die USA weiterleitet. Ich bin davon überzeugt, dass in Wirklichkeit oftmals Angestellte der GmbH in Deutschland die Kommunikation und die Abwicklung vollständig übernehmen. Die Aussage Googles, dass Google Germany lediglich ein konzernverbundenes Unternehmen der Google Inc sei, weshalb die Google Germany GmbH weder zustellungsbevollmächtigt noch zustellungsberechtigt sei, ist für mich eine reine Schutzbehauptung.
Durch das Anerkenntnis wurde lediglich eine Chance vertan. Die Frage muss nun in einem anderen Verfahren geklärt werden, oder der Gesetzgeber greift ein und klärt die derzeitige Rechtslage.
Müsste hier eine gesetzliche Regelung her, wie es sie für strafbare Inhalte mit dem NetzDG bereits gibt?
Nach § 5 des NetzDG haben Anbieter sozialer Netzwerke im Inland einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen und auf ihrer Plattform in leicht erkennbarer und unmittelbar erreichbarer Weise auf ihn aufmerksam zu machen. An diese Person können Zustellungen in Gerichtsverfahren vor deutschen Gerichten bewirkt werden.
Eine Regelung im Sinne des § 5 NetzDG wäre natürlich auch für Suchmaschinen-Giganten wie Google begrüßenswert. Das eigentliche Problem, dass eine effektive Rechtsdurchsetzung gegenüber Google nur sehr schwerfällig ist, löst das aber unseres Erachtens nicht. Am Ende des Tages müssen Verbraucher dennoch im Einzelfall ihr Recht einklagen, was mit unter Umständen großen Kosten verbunden ist. Wünschenswert wäre es daher, dass beispielsweise Verbraucherschutzverbände mehr Möglichkeiten bekämen, wegen grundlegender Fragen zu klagen, um das Gefälle „David gegen Goliath“ auch hinsichtlich des Kostenrisikos etwas abzuschwächen.
tsp
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