Der Sächsische Richterverein wirft dem Datenschutzbeauftragten Andreas Schurig wegen seines Prüfberichts über die massenhafte Mobilfunkdatenerfassung vom 08. September 2011 eine Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes vor.
Der Sächsische Datenschutzbeauftragte Schurig kritisierte in besagtem Bericht gegenüber dem Sächsischen Landtag das Verfahren der massenhaften Erfassung von Mobilfunkdaten (sog. Funkzellenabfrage). Anlässlich einer Demonstration in Dresden im Februar dieses Jahres haben Polizei und Staatsanwaltschaft sog. „Strukturermittlungen“ gegen eine kriminelle Vereinigung durchgeführt und dafür eine große Menge Mobilfunkdaten aus dem Umkreis der Demonstration aufgezeichnet. Laut Schurig ist das Verfahren rechtswidrig, weil nicht verhältnismäßig, gewesen, d.h. die Rechte der Betroffenen seien nicht ordentlich gegen das öffentliche Interesse an der Aufklärung von Straftaten abgewogen worden.
Für Ermittlungen dieser Art muss in Grundrechte eingegriffen werden, so unter anderem in das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG. Daher sieht das Gesetz in diesem Zusammenhang, neben der genannten Verhältnismäßigkeit, den sog. Richtervorbehalt vor. Die ermittelnde Behörde benötigt für die Funkzellenabfrage einen richterlichen Beschluss, d.h. das zuständige Gericht prüft vorher, ob die geplanten Maßnahmen der ermittelnden Behörden rechtmäßig sind und genehmigt diese mit förmlichem Beschluss.
Nach Angaben des Datenschutzbeauftragten habe die Staatsanwaltschaft im konkreten Fall die entsprechenden Beschlussvorlagen vorformuliert und das zuständige Gericht habe diese dann nur noch abgezeichnet. Wegen dieser Verfahrensweise hätten die Gerichte ihre Prüfungspflicht verletzt, weshalb die Beschlüsse als Grundlage der Funkzellenabfrage und damit die Maßnahme selbst rechtswidrig seien.
In dem Bericht heißt es daher unter anderem, dass Staatsanwaltschaft und LKA „mangelnden Respekt vor dem Fernmeldegeheimnis, der Versammlungsfreiheit, der Pressefreiheit, der Religionsfreiheit sowie den spezifischen Rechten von Abgeordneten und Rechtsanwälten gezeigt“ hätten.
Schurig kritisiert damit direkt die ausführenden Behörden, also Staatsanwaltschaft und Polizei. Eine förmliche Beanstandung der richterlichen Beschlüsse zur Funkzellenabfrage liegt darin aber nicht.
Dennoch fühlt sich der Sächsische Richterverein laut eines Beitrages bei MDR.de veranlasst, in den Ausführungen Schurigs zugleich einen, wenn auch indirekten, Angriff auf die Richterschaft zu sehen. Insbesondere stört sich der Vorsitzende des Richtervereins, Reinhard Schade, an den Aussagen Schurigs. Er erklärt, dass der Datenschutzbeauftragte damit seine Kompetenzen überschritten habe. Die Gerichte würden wegen ihrer verfassungsmäßig garantierten Unabhängigkeit eben gerade nicht einer solchen Kontrolle des Datenschutzbeauftragten unterliegen. Schurig würde daher den Gewaltenteilungsgrundsatz verletzen. Auf dieser Linie richtet nach Information des MDR auch der Präsident des Oberlandesgerichts Dresden, Ulrich Hagenloch, direkte Worte an Schurig: „Meine Verantwortung für die Dritte Staatsgewalt und meine Fürsorgepflicht gegenüber den Richtern gebietet, Ihrem Einwirken in den justiziellen Kernbereich mit Entschiedenheit entgegenzuwirken“.
Der Richterverein zeigt sich damit erbost über die indirekten Vorwürfe an die Richter und fordert derzeit ausdrücklich eine Entschuldigung von Seiten des Datenschützers.
Schurig weist die Kritik zurück, insbesondere würde er seine gesetzliche Aufgabe erfüllen, indem er rechtswidrige Maßnahmen der Datenerhebung durch die ausführende Behörde beanstandet. Zwar könnte man darin zugleich einen Angriff auf die Richter sehen, dennoch, so der Datenschützer, habe er die richterlichen Kompetenzen damit nicht in Zweifel gezogen.
Der Streit um die Kompetenz des Datenschutzbeauftragten in Sachsen ist nicht ganz neu. Bereits 2001 kam es zu einem Verfahren gegen den damaligen Datenschützer Thomas Giesen, der seinerzeit Aktenvermerke des Ex-Justizministers Steffen Heitmann veröffentlicht hatte. In dem Prozess gegen Giesen vor dem Dresdner Landgericht urteilte das Gericht zugunsten des Datenschützers. Die Pflicht und das Amt des Datenschutzbeauftragten, über die Gewaltenteilung und das kritische öffentliche Interesse zu wachen, wurden seinerzeit als vorrangig gegenüber den Geheimhaltungspflichten angesehen.
Es bleibt abzuwarten, wie sich dieser Kompetenzstreit entwickelt.
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