Wissen Sie, wie oft Ihre Kinder im Internet unterwegs sind? Wissen Sie, was sie dort treiben? Wissen Sie, was die (rechtlichen) Folgen eines von Ihnen als unbedenklich angesehenen Handelns ihres Nachwuchses sein können?
Das Netz ist kein “rechtsfreier Raum“, in dem die Gesetze der normalen Welt nicht gelten. Diese Serie soll Eltern daher auf verschiedene problembehaftete Fallkreise aufmerksam machen.
Abofallen-Betreiber haben’s (rechtlich) schwer
Allgemein können wir sagen: In rechtlicher Hinsicht haben die Abofallen-Betreiber einen sehr schweren Stand. Sie müssen (mittlerweile) insbesondere auch strafrechtliche Sanktionen fürchten.
Nach einer wegweisenden Entscheidung des OLG Frankfurt (Beschluss vom 17.12.2010, Az. 1 Ws 29/09; siehe auch AG Marburg, Urteil vom 08.02.2010, Az. 91 C 981/09) können Abofallen nämlich auch den Tatbestand des (gewerblichen) Betrugs nach dem Strafgesetzbuch erfüllen. Diese Entscheidung wird jedoch nicht jeden Einzelnen davon abhalten können, es weiter mit dieser “Geschäftstaktik“ zu versuchen. Es ist daher geboten, einen grundsätzlichen Blick, insbesondere auf die vertragsrechtliche Seite des Abofallen-Modells, zu werfen.
Es ist nämlich schon mehr als zweifelhaft, ob überhaupt ein wirksamer Vertrag zwischen Nutzer und Seitenbetreiber zustande kommt. Da der Nutzer gerade von der Unentgeltlichkeit des Angebots ausgeht, der Abofallen-Betreiber aber Geld sehen will, haben sich die Vertragsparteien in einem wesentlichen Vertragspunkt (juristisch: „essentialia negotii“) nicht geeinigt. Somit kann auch kein Vertrag zustande kommen. Nach Ansicht des LG Mannheim kann in solchen Fällen auch ein sogenannter Dissens nach § 155 BGB vorliegen (Urteil vom 14.01.2010, Az. 10 S 53/09).
Die Seitenbetreiber argumentieren sodann aber, dass sehr wohl vereinbart wurde (nämlich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen), dass das Angebot etwas kosten würde. Der Nutzer habe die AGB akzeptiert – sie seien somit Vertragsbestandteil geworden. Unabhängig von der Frage, ob im konkreten Fall überhaupt ein Vertrag geschlossen wurde, haben die Seitenbetreiber mit dieser Ansicht gar nicht so Unrecht. Denn tatsächlich können Vertragsinhalte auch in AGB geregelt werden. Allerdings gelten für derartige Vertragsklauseln, die in AGB gefasst werden, vielfältige Einschränkungen. So muss etwa die typische AGB-Klausel, die den Hinweis auf die Kostenpflichtigkeit enthält, in der Regel als überraschend klassifiziert werden.
Überraschend bedeutet nach dem Wortlaut des Gesetztes (§ 305c Abs. 1 BGB), dass die Bestimmung so ungewöhnlich ist, dass der Vertragspartner des Abofallen-Betreibers mit ihr nicht zu rechnen braucht (siehe etwa AG München, Urteil vom 16.01.2007, Az. 161 C 23695/06; AG Hamm, Urteil vom 26.03.2008, Az. 17 C 62/08). In der Regel verstößt diese Klausel auch gegen das sogenannte Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 BGB. Nach dieser Regelung dürfen Bestimmungen in AGB den Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligen; dabei müssen sie insbesondere „klar und verständlich“ sein. Beispielsweise das AG Gummersbach (Urteil vom 30.03.2009, Az. 10 C 221/08) hat daher einen Verstoß gegen dieses Transparenzgebot bejaht.
Die oben genannte Klausel („das Angebot kostet etwas“) wird daher nicht Vertragsbestandteil – falls also überhaupt ein Vertrag geschlossen wurde, dann ist er zumindest unentgeltlicher Natur. In Einzelfällen haben die Abofallen-Betreiber auch versucht, die Klauseln, die die Kostenpflichtigkeit beinhalten, erst nach Vertragsschluss in Form von Newslettern den Betroffenen unterzujubeln. Die rechtliche Beurteilung stellt sich in diesem Fall jedoch nicht wesentlich anders dar, die Klauseln können schlichtweg nicht wirksam einbezogen werden (vergleiche § 305 Abs. 1 S. 1 BGB: „bei Abschluss eines Vertrages“).
Weil zwischen der angebotenen Leistung und dem nach Meinung der Seitenbetreiber zu entrichtenden Entgelt in der Regel auch ein offensichtliches und gravierendes Missverhältnis vorliegt, kann der Vertrag zusätzlich auch nach § 138 BGB sittenwidrig sein (siehe etwa LG Saarbrücken, Urteil vom 22.06.2011, Az. 10 S 60/10). Der Vertrag ist damit von Rechts wegen unwirksam – eine zusätzliche Erklärung des Vertragspartners ist hier nicht notwendig.
Bei dem abgeschlossenen Abofallen-Vertrag (wiederum: wenn er überhaupt geschlossen wurde) handelt es sich in der Regel um einen sogenannten Dienstvertrag. Der Seitenbetreiber schuldet nach dem Grundverständnis des BGB daher die „Leistung der versprochenen Dienste“, der andere Teil die „Gewährung der vereinbarten Vergütung“, § 611 BGB. Werden von diesem Grundverständnis eines Dienstvertrages in AGB Abweichungen getroffen, sind diese in der Regel gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ebenfalls unwirksam. Die Seitenbetreiber versuchen etwa in schöner Regelmäßigkeit, ihrem Vertragspartner eine Vorleistungspflicht aufzuerlegen. Das bedeutet, dass die Abofallen-Opfer dazu verpflichtet werden, direkt nach Vertragsabschluss die fälligen Beträge zu entrichten. Im Rahmen eines Dienstvertrages ist die Vergütung nach dem Gesetzeswortlaut jedoch erst nach Leistung der Dienste zu entrichten, § 614 BGB.
Besonderheiten für Minderjährige
Für die “Taten“ Ihrer Kinder stellt sich der Fall ohnehin noch einmal anders dar: Diese dürfen, soweit sie noch nicht das siebte Lebensjahr vollendet haben, selbst noch gar keine Verträge abschließen. Sie sind gemäß § 104 BGB geschäftsunfähig, Willenserklärungen sind nach § 105 Abs. 1 BGB nichtig, also unwirksam. Diese Regelungen sind gänzlich dem Schutz Minderjähriger verschrieben – daher können die Seitenbetreiber grundsätzlich überhaupt keine Rechte geltend machen; ein Vertrag mit einem solchen Minderjährigen ist schlichtweg nicht möglich.
Besonders problematisch kann der Fall aber dann sein, wenn sich Ihre Kinder nicht unter dem eigenen Namen, sondern mit den Daten eines Elternteils auf der Seite angemeldet haben. Für die rechtliche Bewertung eines derartigen Sachverhalts möchten wir auf die nachfolgenden (Unter-)Kapitel verweisen, da dieser Problemkreis (Stichwort: Handel unter fremdem Namen) eine gesonderte juristische Betrachtung erfordert.
Ist Ihr Kind zwischen 7 und 17 Jahren alt, ist es ist nach dem Wortlaut des BGB „in der Geschäftsfähigkeit beschränkt“, § 106 BGB. Wird es dann Opfer einer Abofalle und meldet sich auf einer entsprechenden Seite an, ist möglicherweise tatsächlich ein Vertrag geschlossen worden. Da es sich bei einer Abofalle jedoch klassischerweise um ein entgeltliches Dauerschuldverhältnis handelt, kann der Minderjährige auch hier nicht alleine “tätig“ werden. Das mögliche Vertragsverhältnis bietet dem Minderjährigen nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil, § 107 BGB, und ist daher vielmehr „schwebend unwirksam“, §§ 107, 108 BGB; das bedeutet, dass die Wirksamkeit des Vertrages von Ihrer (vorherigen oder nachträglichen) Zustimmung – also von der Zustimmung eines gesetzlichen Vertreters – abhängt.
Genau so wenig wie Ihr Kind ohne Ihre Zustimmung einen Mobilfunkvertrag oder ein Pay-TV-Abonnement abschließen darf, darf es sich hier verpflichten, dem Abofallen-Betreiber eine monatliche Gebühr zu entrichten. Der Vertrag mit dem Minderjährigen wäre nur dann möglich, wenn das Verhältnis tatsächlich unentgeltlicher Natur wäre; dann wäre das Vertragsverhältnis nämlich tatsächlich „lediglich rechtlich vorteilhaft“. Verweigern Sie also ihre Zustimmung, kommt der Vertrag nicht zustande, § 108 Abs. 1 BGB. Äußern Sie sich zu diesem Geschäft überhaupt nicht, liegt es am Abofallen-Betreiber, Ihre Genehmigung einzuholen. Schweigen Sie sodann weiterhin, gilt die Genehmigung nach zwei Wochen als verweigert, § 108 Abs. 2 BGB. Trotz alledem gilt auch hier das Vorgesagte: In den klassischen Fällen ist es fraglich, ob überhaupt ein Vertrag geschlossen wurde; zudem sind die häufig verwendeten AGB-Klauseln (wie oben dargestellt) in der Regel unwirksam.
Was ist zu tun, wenn das Kind an eine Abofalle geraten ist? Die Ihre Rechte und Tipps zur Reaktion auf eine Abofalle finden Sie in der nächsten Folge unserer Serie.