Dass soziale Netzwerke manche Beiträge löschen müssen, ist bekannt. Doch wann dürfen denn Forenbetreiber und andere Online-Portale überhaupt Postings löschen oder Nutzerkonten sperren? Müssen sie dabei die Meinungsfreiheit beachten? Nun hat der BGH klare Regeln zum sog. „virtuellen Hausrecht“ für soziale Netzwerke aufgestellt.

Hinweis: Dieser Beitrag wurde zuerst am 12.01.2018 veröffentlicht und nun aktualisiert.

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) hat damals viele Kritiker auf den Plan gerufen, die eine Beschneidung der Meinungsfreiheit, ja gar eine Zensur durch private Netzwerke befürchten. Mittlerweile hat aber eine weitere Frage mehr an Brisanz gewonnen: Wann dürfen soziale Netzwerke, Forenbetreiber und alle anderen Webseiten mit Kommentarfunktion Beiträge löschen oder Nutzer sperren? Und inwieweit müssen sie sich dabei überhaupt an die Meinungsfreiheit halten? Denn diese bindet ja eigentlich originär nur den Staat.

Nun hat der Bundesgerichtshof in einem lange erwarteten Urteil zum „virtuellen Hausrecht“ Facebooks klare Regeln für den Fall aufgestellt, dass Nutzer gegen Gemeinschaftsstandards verstoßen haben (Urt. v. 29.07.2021, Az. III ZR 179/20 und III ZR 192/20). In diesen Fällen gilt: Das Netzwerk darf Beiträge nur löschen und Nutzer sperren, wenn es folgende Regeln eingehalten hat: Das Netzwerk muss den Nutzer

  1. vorab über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos informieren bzw. im Nachhinein über die Löschung von Beiträgen zu informieren,
  2. ihm den Grund dafür mitteilen,
  3. ihm eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einräumen und
  4. danach nochmal neu entscheiden.

Das Urteil deckt aber noch nicht alle Fälle ab, in denen das „virtuelle Hausrecht“ zum Tragen kommt. Daher hier ein Überblick über die Rechtslage:

Was ist das virtuelle Hausrecht?

Das „virtuelle Hausrecht“ steht grundsätzlich allen Betreibern von Internetplattformen offen, bei denen Dritte eigene Inhalte einstellen können – also Portale oder Blogs mit Kommentarfunktion, Meinungsforen, Bewertungsportalen, sozialen Netzwerken, offenen Mailinglisten aber auch Online-Händlern. Das ist in der Vergangenheit bereits mehrfach gerichtlich bestätigt worden (zuletzt BGH, Urt. v. 29.07.2021, Az. III ZR 179/20 und III ZR 192/20).

Allerdings wird es nicht immer auf die gleiche Grundlage gestützt – hier kommt es auf die Ausgestaltung der Seite und der meist vorhandenen Nutzungsbedingungen an. So muss man auf vertragsrechtliche Grundlagen zurückgreifen, wenn nur die Nutzungsbedingungen missachtet werden, wohingegen eine Gesetzesverletzung oder eine gezielte Behinderung des Unternehmens auf die gesetzliche Herleitung des Hausrechts gestützt werden kann.

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Welche Arten des virtuellen Hausrechts gibt es?

Gesetzliche Gründe

Das Recht, Beiträge zu löschen, kann man aus einem Verstoß gegen Gesetze herleiten, die das Portal sogar verpflichten, Beiträge zu löschen. Hier geht es zu um die sog. Störerhaftung. Nach dem sog. notice-and-takedown-Verfahren sind Webseitenbetreiber dann verpflichtet, rechtsverletzende Beiträge zu prüfen und zu löschen, nachdem sie von Nutzern oder den Betroffenen gemeldet wurden. Denn die Verletzten haben sonst entsprechende Unterlassungs- bzw. Beseitigungsansprüche gegen die Portale.

Entsprechende Gesetze sind zum einen die Strafnormen wie etwa Beleidigung – dass hier gelöscht werden muss, war schon vor Einführung des NetzDG klar. Jetzt aber wird den Portalbetreibern hier eine Frist gesetzt, innerhalb der sie löschen müssen. Eine Lösch-Pflicht kann sich aber auch aus weiteren strafrechtlichen Normen ergeben, die das NetzDG nicht auflistet. Auch sonst hat der Plattformbetreiber ein Recht zur Löschung, wenn die Inhalte gesetzlich verboten sind oder Rechte Dritter aus dem Wettbewerbs-, Marken-, Urheber- oder Persönlichkeitsrecht verletzt wurden und sie darauf aufmerksam gemacht wurden.

Vertragliche Nutzungsbedingungen (AGB)

Besteht zwischen dem Webseitenbetreiber und dem Nutzer ein Vertrag, so kann das Hausrecht auch darauf gestützt werden. Darüber hinaus wird der Nutzer meist gezwungen sein, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Seite zu akzeptieren. Darin lassen sich Seitenbetreiber meist explizit ein Hausrecht einräumen und konkretisieren, wann sie es wie ausüben können. Das ist sehr sinnvoll, weil nur hier das Hausrecht klar ausgestaltet ist und auch die Nutzer – zumindest meistens, wenn auch wohl nicht immer – wissen, worauf sie sich einlassen. Voraussetzung ist hier aber, dass die AGB auch wirksam sind und im Einzelnen die gesetzlichen Grenzen eingehalten werden (dazu und zu der BGH-Entscheidung vom 29.7.2021 später mehr).

Übrigens: Facebook-Unternehmens- und Fanseiten müssen sich an die AGB des Netzwerks halten und dürfen keine eigenen Regeln aufstellen. Sie dürfen lediglich durchgreifen, um den Geschäftsbetrieb der eigenen Unternehmensseite aufrecht zu erhalten bzw. Rechtsverstöße zu vermeiden.

Herleitung aus dem Sachenrecht

Ein „virtuelles Hausrecht“ steht Portalbetreibern aber auch dann zu, wenn sie es nicht oder nur unzureichend in den Nutzungsbedingungen ihres Portals geregelt haben. Es ist dann an die Eigentums- und Besitzrechtsgarantien des Zivilrechts und das daraus abgeleitete sachenrechtliche Hausrecht angelehnt (vgl. § 903 BGB, 1004 Abs. 1 BGB bzw. §§ 861862 i.V.m. 858 BGB analog). Denn auch im virtuellen Raum gibt es Eigentum bzw. Besitz an der Hardware, auf der die Foreneinträge gespeichert werden. Und sogar Mieter bzw. durch entsprechende Verträge berechtigte Nutzer der Servertechnik können sich parallel zur „wirklichen Welt“ auf Besitzrechte bei der Ausübung des Hausrechts berufen. Mehrere Gerichte wie das OLG Köln und das LG München haben das bereits bestätigt (vgl. LG München I, Urteil vom 25.10.2006, Az. 30 O 11973/05; OLG Köln, Beschluss vom 25.8.2000, Az. 19 U 2/00). Auch kann dieser digitale Raum durch tatsächliche, z. B. redaktionelle, Einwirkungsmöglichkeiten beherrscht werden.

Ohne Regelung des „virtuellen Hausrechts“ in den Nutzungsbedingungen sind jedoch dessen Inhalt, Umfang und Grenzen nicht ganz klar. Zumindest kann ein Portalbetreiber dieses Recht dann ausüben, wenn er wegen eines zu missbilligenden Nutzungsverhaltens Rechtsverletzungen drohen und der Portalbetreiber ohnehin Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche gegen den Nutzer bestehen.

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Welche Rechte können Portalbetreiber aus dem Hausrecht haben? 

Recht zur Löschung einzelner Beiträge

Das „virtuelle Hausrecht“ erlaubt grds. – unabhängig davon, auf welcher Grundlage es ausgeübt wird – auch die Löschung von Posts (BGH, Urt. v. 29.07.2021, Az. III ZR 179/20 und III ZR 192/20). .

Recht zur Kündigung des Nutzungsverhältnisses

Die gespeicherten Nutzerprofile, -konten oder -accounts sind Teile eines Dauerschuldverhältnisses, das auch aus wichtigen Gründen nach § 314 BGB ohne Einhaltung einer Frist außerordentlich gekündigt werden kann. Hier muss man dann immer schauen, ob auch im Einzelfall ein wichtiger Grund vorliegt (s.u.).

Recht zur Erteilung von virtuellen Hausverboten

Weiter als das Recht zur Kündigung ist dann sogar das klassische Hausrecht, ein Hausverbot zu erteilen. Danach dürfen die Nutzer sich auch in Zukunft nicht mehr auf die Webseite begeben und da an der Diskussion teilnehmen. Das gilt vor allem in Online-Shops, wo der Kunde dann bei dem Händler nicht mehr kaufen darf. Das kann man durch die Sperrung von IP-Adressen durchsetzen. (OLG Hamm, Urteil v. 23.10.2007, Az. 4 U 99/07).

(Kurzfristige) Sperrung von Nutzerkonten

Es ist natürlich auch möglich, Nutzern die Rechte zu nehmen, die andere haben. So ist es möglich, einen Nutzeraccount für kurze oder längere Zeit zu blockieren, die Nutzerbeiträge für die Zukunft komplett zu unterbinden oder nur in einem gewissen Umfang zuzulassen.

Welche Grenzen hat das virtuelle Hausrecht?

Auch wenn ein virtuelles Hausrecht im Online-Shop grundsätzlich anerkannt wird, kann der Betreiber nicht willkürlich Maßnahmen gegenüber potenziell störenden Nutzern ergreifen. Denn das virtuelle Hausrecht wird durch den Inhalt der AGB, gesetzliche Regeln und letztlich auch durch die Grundrechte beschränkt.

Mittelbare Drittwirkung der Meinungsfreiheit beachten

Zurück zur Ausgangsfrage – muss ein privater Anbieter überhaupt die Meinungsfreiheit beachten? Denn grundsätzlich gilt dieses in Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte Grundrecht ja nur für Eingriffe durch den Staat, vor denen der Bürger geschützt werden soll. Demgemäß lassen sich aus der Meinungsfreiheit selbst keine direkten Ansprüche gegenüber Facebook ableiten.

Gilt die Meinungsfreiheit für Facebook & Co?

Es ist aber seit dem Lüth-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) anerkannt, dass Grundrechte auch eine sog. mittelbare Drittwirkung entfalten können. Sie gilt sicher in besonderem Maße auch für Facebook & Co., weil die Netzwerke eine immense Macht haben, auf die freie Meinungsäußerung der Nutzer einzuwirken. Je mehr sich die öffentliche Debatte auf soziale Netzwerke verlagert, desto stärker müssen sie auch die Meinungsgrundrechte beachten.

Letztlich gibt es noch keine höchsten Gerichtsurteile dazu, wie genau die Grundrechte in der Praxis hier zu beachten sind. Stattdessen gibt es sogar vereinzelte Rechtsprechung, nach der es den Betreibern kostenloser Portale vollkommen freigestellt ist, welchen Nutzern sie die Nutzung ihres Portals gestatten wollen und wem sie willkürlich kündigen können. Das AG Karlsruhe hat dies in einem Fall mit dem Hinweis auf die Vertragsfreiheit des Portalbetreibers bejaht (AG Karlsruhe, Urteil vom 24.6.2012, Az. 8 C 220/12). Doch diese Rechtsprechung kann eigentlich nicht haltbar sein. Und entsprechende gegenteilige Rechtsprechung existiert ebenfalls (LG Bonn, Urteil vom 16.11.1999, Az. 10 O 457/99). Daher ist davon auszugehen, dass Facebook & Co die Grundrechte beachten müssen. Nur wie sieht das aus?

Was bedeutet die Drittwirkung der Grundrechte?

Die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte bedeutet, dass sog. unbestimmte Rechtsbegriffe, also bewusst schwammige Formulierungen des Gesetzes oder der AGB mit Wertungsmöglichkeiten im Lichte der Grundrechte bestimmt werden müssen. Das sind etwa bei § 242 BGB der Grundsatz von „Treu und Glauben“, aus dem das Willkürverbot und das Verbot widersprüchlichen Verhaltens abgeleitet wird. Auch die in § 241 Abs. 2 BGB geregelte „Rücksichtnahmepflicht“ bei Verträgen fällt darunter. Und etwa bei § 314 BGB ist der „wichtige Grund“ für eine Kündigung so zu werten. Diese Wertung führt also faktisch dazu, dass der Betreiber bei den AGB und hausrechtlichen Maßnahmen die grundrechtliche Wertung bei der faktischen Ausübung des Hausrechts beachten muss, weil sich die Nutzer sonst auf eine Verletzung dieser Grundsätze berufen können (s.u.).

Der Betreiber darf sein virtuelles Hausrecht nur ausüben, wenn nicht die Meinung selbst unterdrückt, sondern nur die Form deren Ausdrucks eingeschränkt wird. So ähnlich hat das sogar mal der Bundesgerichtshof (BGH) für reale Geschäftsräume entschieden, was übertragbar sein dürfte (Urteil vom 03.11.1993, Az. VIII ZR 106/93). In der Eröffnung des Geschäftsverkehrs liege ein generelles Einverständnis für eine ordnungsgemäße Nutzung durch jedermann. Denn Nutzer vertrauen darauf, dass jeder den öffentlich zugänglichen Raum nutzen darf und nicht willkürlich ausgesperrt werden kann. Danach müssten auch Inhaber virtueller öffentlicher Portale Einschränkungen ihres Hausrechts hinnehmen, wenn sie diese öffentlich anbieten.

Willkür, der gezielte Ausschluss unliebsamer Meinungen, widersprüchliches Verhalten und unverhältnismäßige Maßnahmen können nicht erlaubt sein. Die Löschung von Beiträgen, Sperrung oder Blockade der Nutzer müssen daher durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein, um zulässig zu sein.

Sachgründe für die Ausübung des Hausrechts

Bereits aufgrund der Störerhaftung des Betreibers ist klar, dass er bei Gesetzesverstößen wie Urheberrechtsverletzungen oder Beleidigungen der Teilnehmer nicht nur agieren darf, sondern muss. Allerdings wird im typischen Fall der Löschung eines Postings wegen der Verletzung der Persönlichkeitsrechte anderer Nutzer eine Abwägung der Meinungsgrundrechte mit den Persönlichkeitsrechten vorzunehmen sein, wobei der jeweilige Kontext im Einzelfall zu berücksichtigen ist.

Eine Rechtfertigung kann sich aber auch aus einer Vertragsverletzung, einer Verletzung der (wirksam einbezogenen) AGB oder einer sonstigen Störung des Betriebs der Seite ergeben. Keine Willkür liegt vor, wenn das Hausrecht auf Grundlage von wirksam einbezogenen AGB ausgeübt wird (dazu gleich mehr). Existieren keine solchen AGB, die das konkrete Verhalten regeln, kann sich das erlaubte Verhalten zwar noch aus dem Sinn und Zweck des Dienstes und der Selbstfestlegung einer Kommunikationskultur durch die Nutzer ergeben. Dieser regelfreie Spielraum ist dann aber besonders durch die Kommunikationsgrundrechte geschützt, sodass Betreiber für Maßnahmen hier deutlich mehr Argumentationsaufwand haben.

So kann der Geschäftsbetrieb einer Fanseite z.B. gestört sein, wenn eine sachliche Diskussion wegen eines Shitstorms nicht mehr möglich ist, wenn der Server wegen zu vieler Anfragen lahmgelegt wird und die Seite ihren Zweck nicht mehr erfüllen kann. Auch der sachliche Zweck eines Portals kann Kommentaren Grenzen setzen – so kann es in Ordnung sein, Werbung für Diätpillen in einem Forum für Essstörungen zu löschen.

Wenn der Seitenbetreiber aber einzelne Teilnehmer diskriminiert oder ihm gewisse Inhalte unangenehm sind, darf er nicht löschen. Auch Hausverbote, weil etwa der Kunde nur interne Vertragsrechte verletzt und etwa zu spät gezahlt hat, gehen wohl über die Grenze des Erlaubten.

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AGB-Kontrolle

Aufgrund der Privatautonomie im Bereich des Vertragsrechts kann der Plattformbetreiber in den Nutzungsbedingungen, die bei der Anmeldung des Nutzers zur vertraglichen Grundlage gemacht werden sollten, das Hausrecht grundsätzlich frei regeln. Ein Plattformbetreiber wie Facebook darf – laut BGH – sich in seinen Nutzungsbedingungen das Recht vorbehalten, Beiträge oder Konten zu sperren – selbst wenn die Nutzer nur gegen Gemeinschaftsstandards verstoßen und sich nicht strafbar gemacht haben (Urt. v. 29.07.2021, Az. III ZR 179/20 und III ZR 192/20).

Voraussetzung ist aber immer, dass die Bedingungen auch wirksam sind. Denn AGB unterliegen einer Kontrolle durch die Gerichte nach den §§ 305 ff BGB. So darf z.B. im Online-Handel nicht von bestimmten, verbraucherschützenden Regeln abgewichen werden. Und generell dürfen AGB den gesetzlichen Wertungen nicht zuwider laufen.

Bei der Prüfung, ob eine Klausel unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist, bedürfe es einer umfassenden Würdigung und Abwägung der wechselseitigen Interessen, so der BGH. Dabei seien vorliegend die kollidierenden Grundrechte der Parteien – auf Seiten der Nutzer die Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, auf Seiten von Facebook & Co. vor allem die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG – zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden.

Der BGH sagte in seinem Urteil auch klar, welche Voraussetzungen gelten, damit Nutzungsbedingungen wirksam sind: Das Netzwerk muss den Nutzer

  1. vorab über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos informieren bzw. im Nachhinein über die Löschung von Beiträgen zu informieren,
  2. ihm den Grund dafür mitteilen,
  3. ihm eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einräumen und
  4. danach nochmal neu entscheiden.

Nur dann sind die AGB auch wirksam. Im BGH-Fall hatte Facebook die Verfasserin der Hasskommentare aber nicht vorgewarnt und sah dies auch nicht in den Nutzungsbedingungen vor. Die entsprechenden Geschäftsbedingungen von Facebook vom 19. April 2018 seien deshalb unwirksam.

Nur dann sind die AGB auch wirksam. Im BGH-Fall hatte Facebook die Verfasserin der Hasskommentare aber nicht vorgewarnt und sah dies auch nicht in den Nutzungsbedingungen vor. Die entsprechenden Geschäftsbedingungen von Facebook vom 19. April 2018 seien deshalb unwirksam. Die aufgrund dieser unwirksamen Geschäftsbedingungen gelöschten Beiträge müssten dann wiederhergestellt, gesperrte Konten wieder freigeschaltet werden.

Vertragliche Grenzen

Auch muss ein Portal- oder Netzwerkbetreiber, mit dem man einen Vertrag geschlossen hat, die gesetzlichen Regelungen zu Vertragsverhältnissen beachten, insbesondere den Verbraucherschutz. Auch wichtig sind hier die vertraglichen Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB, wobei auch hier in der Wertung die Grundrechte eine Rolle spielen.

Daraus folgt z.B., dass der Betreiber im Falle des Verstoßes gegen vertragliche Pflichten nicht löschen, sperren oder kündigen darf, ohne ggf. zuvor die Maßnahme angedroht zu haben. Auch muss man beachten, dass z.B. ein Netzwerkkonto oder die Teilnahme an einem Forum bewusst auf Dauer angelegt sind und der Nutzer auch deshalb vor einer sofortigen Sperrung stärker geschützt ist. So sind gerade Accountsperren besonders intensive Maßnahmen und sollten daher insbesondere, wenn sie länger andauern, nur nach vorheriger Androhung erfolgen. Nur in besonders krassen Fällen von Fehlverhalten können sofortige Kontosperren gerechtfertigt sein. Hier kommt es auch wieder darauf an, ob das Recht in den AGB (wirksam) geregelt ist oder nicht.

Gesetzliche Grenzen

Es gibt nicht nur gesetzliche Pflichten, in denen Betreiber löschen müssen. Die Gesetze geben neben der AGB-Kontrolle und den Vertragsregeln auch Grenzen, wann gerade nicht gelöscht oder gesperrt werden darf.

Der Plattformbetreiber darf insbesondere weder in seinen Regeln noch durch die Ausübung des Hausrechts jemanden aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligen. Das wäre als Diskriminierung ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Auch das NetzDG macht in § 3 zumindest einige Vorgaben, wie das Löschverfahren in organisatorischer Hinsicht ablaufen soll. Auch Schulungen der ausführenden Mitarbeiter sind vorgeschrieben. Dadurch soll gewährleistet werden, dass nicht übermäßig gelöscht wird. Allerdings schränkt es die Netzwerke nicht inhaltlich ein. Dies wird von vielen Kritikern bemängelt.

Weitere gesetzliche Schranken können sich durch das Kartellrecht ergeben, wenn die Plattform (wie etwa Facebook und YouTube) eine gewisse Marktmacht haben.

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Rechte Betroffener, wenn ihre Beiträge unrechtmäßig gelöscht wurden

Bei der Frage, was Nutzer gegen eine möglicherweise unrechtmäßige Ausübung des virtuellen Hausrechts machen können, kommt es auf die Maßnahme und die Grundlage an, auf der gehandelt wurde. Direkt wegen einer Verletzung der Meinungsfreiheit kann nicht geklagt werden – man braucht immer eine Grundlage aus dem Zivilrecht.

Wer etwa möglicherweise unberechtigt gekündigt wurde, kann feststellen lassen, dass der Nutzungsvertrag weiterbesteht und die außerordentliche Kündigung nach § 314 BGB nicht wirksam war. Dann muss der Betreiber den Nutzer wieder aufnehmen und freigeben.

Unrechtmäßige Löschungen können z.B. zu Schadensersatz- und ganz eventuell auch Entschädigungsansprüchen wegen einer Vertragsverletzung bzw. einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch die Löschung führen. Zumindest kann man damit ggf. die Wiederherstellung des gelöschten Posts erreichen. Als Anspruchsgrundlagen kommen die allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften zu Schadensersatz, §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. dem Nutzungsvertrag bzw. § 823 Abs. 1 i.V.m. dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Betracht.

Auch denkbar ist es, Unterlassungsansprüche gegen eine drohende Löschung oder nach erfolgter Löschung bei Wiederholungsgefahr geltend zu machen.

Hat der Betreiber aufgrund von AGB gehandelt, so kann man in diesem Rahmen auch prüfen lassen, dass die AGB unwirksam sind – z.B. wegen eines Verstoßes gegen das AGG oder die Meinungsfreiheit. Und auch ansonsten kann man sich auf diese Normen eben nur berufen, soweit das Gesetz bzw. die Meinungsfreiheit im Einzelfall das virtuelle Hausrecht begrenzen. So kann eine Löschung oder Kündigung unwirksam sein, wenn in den AGB stand, dass Nutzer jederzeit ohne Angabe von Gründen gelöscht oder gesperrt werden können. Diese Regelung verstoße gegen das Verbot der unangemessen Benachteiligung gemäß §§ 305, 307, 308 Abs. 4 BGB.  Mit einer ähnlichen Klage gegen eine Sperrung hatte auch ein Forennutzer im vergangenen Jahr Erfolg.

Das neue NetzDG hingegen gibt Nutzern, deren Beiträge unrechtmäßig gelöscht wurden, keinen Rechtsanspruch auf Wiederveröffentlichung zu Unrecht entfernter oder gesperrter Beiträge. Sie sind im Wesentlichen darauf beschränkt, Stellungnahmen zu nicht offensichtlich rechtswidrigen Inhalten abzugeben. Im Einzelfall kann allerdings die Gelegenheit zur Stellungnahme Voraussetzung für eine Löschung sein.

Letztlich sind die rechtlichen Folgen für Netzwerke nicht einmal das schlimmste Risiko, wenn sie übermäßig löschen. Bei tatsächlichem Overblocking drohen vielmehr öffentliche Kritik, Imageverluste und Abwanderung der Nutzer.

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