WhatsApp ändert seine Nutzungsbedingungen und hebt das Mindestalter von bislang 13 Jahren auf 16 Jahre herauf. Der Grund für die Änderung ist die am 25. Mai wirksam werdende Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Was droht minderjährigen Nutzern, die jetzt bei der Altersangabe lügen? Eine Einschätzung des Kölner Medienrechtsexperten Christian Solmecke:
Wie sichert WhatsApp nun das Mindestalter von 16 Jahren?
Lange wurde nur spekuliert, nun steht fest, wie genau WhatsApp die Anhebung des Mindesalters „kontrolliert“. Wer nun seine App aktualisiert, der erhält einen Hinweis über die Aktualisierung der Nutzungsbedingungen und der Datenschutzrichtlinie. Diesen muss man bis zum 10. Juni zustimmen, um den Dienst weiter nutzen zu können.
Klickt man auf „weiter“, so kommt man auf dieses auf dem Screenshot zu sehende Feld:
Später heißt es zwar „Wenn du nicht alt genug bist, um in deinem Land berechtigt zu sein, unseren Bedingungen zuzustimmen, muss dein Erziehungsberechtigter in deinem Namen unseren Bedingungen zustimmen.“ Anders als diese Formulierung vermuten lässt, ist dies aber keine Hintertür, um den Dienst auch unter 16 mit Zustimmung der Eltern weiter nutzen zu können. Diese Formulierung stammt noch aus der Zeit, in der WhatsApp mit 13 nutzbar war, manche Länder aber aus gesetzlichen Gründen erst eine Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten ab 16 Jahren vorsah. Dann durfte man den Dienst mit Einwilligung der Eltern weiter nutzen. Jetzt aber muss der Nutzer – offiziell – mindestens 16 Jahre alt sein, ohne Ausnahme.
Und was bedeutet das für Jüngere? Nun, sicherlich werden sie die App nicht von ihrem Smartphone löschen, das ist klar. Und da die Bestätigung des Alters ja auch sehr leicht ist, werden sie einfach das Häkchen setzen und „so tun als ob“. Denn ein wirklich technisch sicherer Altersnachweis wird ja nicht verlangt. Nur, welche Folgen kann so eine Lüge haben?
Was droht unter 16-jährigen, die ein falsches Alter bestätigen?
Accountlöschung?
RA Christian Solmecke schätzt die Folgen einer Falschangabe ein: „Die gravierendste Folge dürfte meiner Ansicht nach lediglich sein, dass WhatsApp den Account sperrt oder löscht, sollte tatsächlich herauskommen, dass ein Nutzer jünger ist als angegeben. Theoretisch ist das nach den Nutzungsbedingungen möglich, denn darin heißt es, dass der Dienst ausgesetzt oder beendet werden kann, wenn er unerlaubt genutzt wird. Letztlich glaube ich aber, dass WhatsApp keine strenge Linie fahren wird. Schließlich will das Unternehmen keine Nutzer verlieren.
Letztlich ist das Risiko eh gegeben, sollten die Eltern dem Vertrag nicht zugestimmt haben. Denn zwischen WhatsApp und dem Minderjährigen wird beim Download der App ein Dienstvertrag geschlossen, der nur wirksam ist, wenn die Eltern diesen bei unter 18-jährigen Kindern auch genehmigt haben. Bis zur Zustimmung ist dieser Vertrag schwebend unwirksam – sollten sie die Genehmigung verweigern, können sie dies WhatsApp mitteilen, dann muss der Dienst den Account des Kindes eh löschen, inkl. aller Daten.
Schadensersatz?
Zwar stellt sich die Frage, ob die Datenschutz-Aufsichtsbehörden den Dienst später dazu zwingen können, strenger zu kontrollieren oder ihm sogar Bußgelder auferlegen könnte, weil er die DSGVO im Hinblick auf den Minderjährigenschutz umgeht. Undenkbar ist das nicht, denn man kann auch die Ansicht vertreten, dass WhatsApp es letztlich nicht ernst meint mit seiner Altersbeschränkung und sich nur den strengen Vorgaben der DSGVO entziehen möchte. Davon bin ich schon ausgegangen, als die Neuigkeit über die Anhebung des Mindestalters bekannt wurde.
Ich bin aber sicher, dass WhatsApp diese Gelder dann nicht als Schadensersatzforderungen auf einzelne Nutzer bzw. ihre Eltern abwälzen kann, obwohl diese ja eigentlich gegen Vertragsbestimmungen verstoßen haben. Zum einen könnten die Eltern einen etwaigen Vertrag zunichte machen, indem sie ihre Zustimmung verweigern, sodass letztlich nur eine Haftung nach dem Deliktsrecht für Minderjährige in Betracht käme (§ 828 BGB für das Kind, § 832 BGB für die Aufsichtspflichtigen). Zum anderen hätte eh nicht der einzelne Nutzer das Bußgeld mit verursacht, sondern erst die massenweisen „Lügen“ vieler Nutzer. Und da diese letztlich durch WhatsApp „provoziert“ waren, dürfte das anzurechnende Mitverschulden des Unternehmens selbst für den Schaden (das Bußgeld) bei 100 % liegen. Das Risiko von Schadensersatzklagen gegen die einzelnen Nutzer sehe ich also überhaupt nicht.
Betrug?
Strafrechtlich ist hier auch kein Tatbestand erfüllt. In Betracht käme allenfalls (Computer-)betrug. Dies setzt nämlich einen zurechenbaren Vermögensschaden voraus, wo wieder das gleiche Problem wie beim Schadensersatz besteht. Und außerdem sehen die entsprechenden Normen im Strafgesetzbuch (StGB) voraus, dass man jemanden täuscht, in der Absicht, sich selbst einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, der identisch ist mit dem Vermögensnachteil des anderen. Man selbst möchte aber nur den Dienst nutzen, wodurch WhatsApp selbst erst einmal nur einen Vorteil erhält, nämlich einen weiteren Nutzer, von dem man Daten sammeln kann. Dass daraus möglicherweise Bußgelder folgen können, hängt damit nicht zusammen.“
Einschätzung von RA Solmecke zur Ankündigung der Altersanhebung durch WhatsApp am 16. April 2018:
„Meiner Ansicht nach erfolgt hier die Änderung des Eintrittsalters nur, damit die Regelungen der DSGVO zum Schutz von Minderjährigen nicht beachtet werden müssen. Nach neuer Rechtslage ab dem 25. Mai ist es so, dass Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren in Deutschland eigentlich die Einwilligung der Eltern benötigen, um soziale Netzwerke nutzen zu können. Die Netzwerke müssten dann ihre Technik so umstellen, dass eine angemessene Verifikation des Alters bzw. der elterlichen Einwilligung möglich ist und sie diese Einwilligung den Behörden gegenüber nachweisen könnten. Sofern nun WhatsApp seine Dienstleistung nur an Jugendliche ab 16 Jahre anbietet, ist zumindest die Zustimmung der Eltern hinfällig. Bei anderen Diensten – wie etwa Facebook – ist die Zustimmung nach wie vor erforderlich.
Doch auch wenn die Einwilligung der Eltern bei WhatsApp künftig nicht mehr erforderlich ist, muss weiterhin eine Altersüberprüfung erfolgen. Die einfache Angabe „Ich bin 16“ wird auch zukünftig nach meinem Dafürhalten nicht ausreichen und in Zukunft noch zu zahlreichen Diskussionen der Datenschützer führen. Offenbar setzen die Dienste derzeit darauf, dass Kinder und Jugendliche sich dann einfach mit einem falschen Alter anmelden werden. Dann aber meint das Unternehmen es nicht ernst und möchte seine jungen Nutzer eigentlich doch behalten bzw. ansprechen. Aus meiner Sicht kommt WhatsApp so nicht aus dem Anwendungsbereich von Art. 8 DSGVO raus und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Datenschützer sich dann auch dieser Thematik widmen werden. Mit der Änderung können sich die Dienste also mit Nichten komplett dem Einfluss der DSGVO und ihren drakonischen Strafen (Haftung mit bis zu 4 % des Konzernumsatzes und 20 Millionen €) entziehen.
Im Übrigen ist neben der Einwilligung aufgrund von datenschutzrechtlichen Erwägungen auch noch die Einwilligung in den Vertrag als solchen zu betrachten. In Deutschland gilt nach dem Minderjährigenrecht, dass fast alle Verträge erst ab einem Alter von 18 Jahren geschlossen werden können. Insofern halte ich alle Verträge, die Minderjährige mit WhatsApp oder Facebook ohne Zustimmung der Eltern geschlossen haben, für schwebend unwirksam. Es ist dann Sache der Eltern, ob sie diese Verträge nachträglich genehmigen oder nicht.
Genehmigen sie nicht, müssen eigentlich sämtliche Daten des Minderjährigen umgehend gelöscht werden. Das gilt ab dem 25. Mai auch für die Profile der 13-15-Jährigen, die derzeit noch bei WhatsApp angemeldet sind.“