Harnwegskapseln, die zum Diätmanagement bei Blasenentleerungsstörungen und Harnwegsinfekten verkauft werden, sind keine Arzneimittel. Mit diesem Urteil widersprach das BVerwG nun dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Ein Unternehmen vertrieb in Österreich hergestellte Harnwegskapseln in Deutschland. Das Unternehmen selbst verstand sein Produkt als „diätetisches Lebensmittel“, das heißt als Lebensmittel, das für eine besondere Ernährung bestimmt ist. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ging hingegen von einem zulassungspflichtigen Arzneimittel aus.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) musste sich deshalb mit der Abgrenzung der beiden Möglichkeiten beschäftigen und entschied, dass die Harnwegskapseln zwar als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke verkauft wurden, dies aber nicht ausreiche, um sie als Arzneimittel einzustufen (Urt. v. 17.09.2021, Az. 3 C 20.20).

Harnwegskapseln als Lebensmittel zum Diätmanagement

Die Harnwegskapseln wurden mit der ergänzenden Bezeichnung „Diätetisches Lebensmittel zum Diätmanagement bei Blasenentleerungsstörungen und Harnwegsinfekten“ verkauft. Einen Hinweis auf den Namen des österreichischen Herstellers oder seine Internetseite enthielt das Etikett des Produkts nicht.

Im September 2014 stellte das BfArM nach § 21 Abs. 4 Arzneimittelgesetz (AMG) fest, dass es sich bei dem Erzeugnis um ein zulassungspflichtiges Präsentationsarzneimittel handele. Ein Präsentationsarzneimittel liegt vor, wenn die Präsentation bzw. Werbung eines Produktes den Eindruck erweckt, dass das Produkt heilende Wirkungen im Sinne eines Arzneimittels oder Medizinproduktes hat.

BfArM sieht Arzneimitteltherapie gegeben

Das Unternehmen erhob dagegen Widerspruch und betonte, das Produkt werde ausdrücklich als diätetisches Lebensmittel vertrieben und entsprechend gekennzeichnet. Es sei gerade nicht als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt. Das BfArM wies den Widerspruch zurück und entgegnete, die Behandlung von Blasenentleerungsstörungen und Harnwegsinfekten durch harntreibend wirkende Mittel stelle sehr wohl eine Arzneimitteltherapie dar.

Während das Verwaltungsgericht (VG) Köln die anschließende Klage des Unternehmens abwies, war sie beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster größtenteils erfolgreich. Zwar erfülle das Erzeugnis aller Voraussicht nach nicht die Voraussetzungen eines diätetischen Lebensmittels. Dies bewirke aber keine Einstufung als Präsentationsarzneimittel. Schutz vor solchen Falschdeklarationen sei mit den Mitteln des Lebensmittelrechts zu gewährleisten.

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Verpflichtende Angaben führen nicht zu Einstufung als Arzneimittel

Die Revision gegen das Urteil beim BVerwG hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht der Richter hat das OVG richtigerweise entschieden, dass die angefochtene Feststellung des BfArM, bei dem Mittel handele es sich um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel, rechtswidrig war. Werde ein Produkt als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke in den Verkehr gebracht, führten die für derartige Lebensmittel verpflichtenden Angaben (z.B. das Einsatzgebiet) grundsätzlich nicht dazu, dass man es als Präsentationsarzneimittel einstufen müsse.

Ob das Erzeugnis tatsächlich, wie vom Unternehmen behauptet, die Voraussetzungen für die Einstufung als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke erfülle, sei nicht Gegenstand der auf § 21 Abs. 4 Satz 1 AMG gestützten Verfügung und müsse deshalb nicht entschieden werden. Damit komme zwar möglicherweise ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke in den Verkehr, das sich für den Personenkreis, für den es bestimmt sei, nicht wirksam verwenden lasse. Diesem Umstand wäre aber mit den Mitteln des Lebensmittelrechts zu begegnen. Eine Schutzlücke entsteht aus Sicht des BVerwG damit nicht.

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