Eine neue Markenrechtsverletzung trotz strafbewehrter Unterlassungserklärung begründet regelmäßig erneut die Wiederholungsgefahr. Diese kann grundsätzlich nur durch eine weitere Unterlassungserklärung mit einer erheblich höheren Strafbewehrung ausgeräumt werden. Ein Vertragsstrafenversprechen nach dem „Hamburger Brauch“ ist dabei ausreichend, wie jetzt der BGH entschieden hat.
Geklagt hatte der Autohersteller Audi gegen den Betreiber eines Online-Shops, in dem Autozubehör wie Türlichter vertrieben werden. Bereits 2016 mahnte Audi den Betreiber ab, da die verkauften Türlichter mehrere von Audi eingetragene Marken aufwiesen. Infolgedessen wurde eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.
Im August 2019 kauften dann Testkäufer von Audi auf der Plattform ein Türlicht, das mittlerweile unter einer anderen Bezeichnung als 2016 verkauft wurde. Es handelte sich dabei nicht um ein Originalprodukt von Audi, erneut beinhaltete es jedoch einen Markenrechtsverstoß. Die Türlichter waren mit einem Inlay versehen, dass das markenrechtlich geschützte Logo und den Namen von Audi projizierten. Der Betreiber des Shops gab daraufhin erneut gegenüber Audi eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Die Höhe der Strafzahlung hätte bei einem erneuten Verstoß wie bei der ursprünglichen Unterlassungserklärung durch Audi festgelegt werden können. Audi akzeptierte die Unterlassungserklärung nicht und klagte auf Unterlassung, weil die abgegebene Erklärung die Vertragsstrafe nicht beziffere und somit nicht geeignet sei, die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen.
Audi klagte daraufhin vor dem Landgericht (LG) Braunschweig auf Unterlassung, welches die Klage abwies. Die dagegen gerichtete Berufung vor dem Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig hatte nur teilweise Erfolg. Der Bundesgerichtshof (BGH) gab der Unterlassungsklage von Audi dann umfänglich statt (Urteil v. 01.12.2022, Az. I ZR 144/21).
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Höhere Strafbewehrung wohnt „Hamburger Brauch“ inne
Die Unterlassungserklären in diesem Fall wurden nach dem sogenannte „Hamburger Brauch“ abgegeben. Die drohende Vertragsstrafe wurde dabei weder als Mindest- noch als Maximalsumme konkretisiert, sondern konnte im Ermessen von Audi festgelegt werden. Der Shop-Betreiber konnte die festgesetzte Summe sodann gerichtlich überprüfen lassen.
Die Richter des BGH führten in der Entscheidung aus, dass nach ständiger Rechtsprechung des BGH die Wiederholungsgefahr durch eine erneute Markenrechtsverletzung nur durch eine weitere Unterlassungserklärung ausgeräumt werden könne. Die darin enthaltene Vertragsstrafenandrohung müsse erheblich über derjenigen der erstmaligen Unterlassungserklärung liegen. Bei der Formulierung des Hamburger Brauches sei diese Voraussetzung auch erfüllt, wenn keine Mindesthöhe der Vertragsstrafe definiert sei.
Die Festsetzung des Betrags liege beim Hamburger Brauch in der Hand der geschädigten Partei und die abgegebene Erklärung begrenze die Vertragsstrafe nicht. So sei sichergestellt, dass eine gesteigerte Sanktion im Wiederholungsfall erfolge und die Vertragsstrafe nicht zu niedrig angesetzt werde. Dies hätte für die Geschädigten ebenfalls den Vorteil, dass bei gravierenden Rechtsverletzungen eine höhere Summe angesetzt werden könne, als mit Blick auf die Erstverletzung zulässig gewesen werde. Audi sei durch die Formulierung des Hamburger Brauches daher bessergestellt als bei einer konkreten Festlegung der Vertragsstrafe.
Unterlassungsklage bei Ablehnung der Unterlassungserklärung möglich
Die Richter des BGH hatten darüber hinaus über die Frage zu entscheiden, ob die Unterlassungsklage von Audi überhaupt möglich ist, wenn sie zuvor die Abgabe einer Unterlassungserklärung durch den Betreiber des Online-Shops abgelehnt hatten. Dazu dürfte die Wiederholungsgefahr durch die Übersendung und anschließende Ablehnung der Unterlassungserklärung nicht entfallen sein.
Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung stellt einen Vertrag zwischen – in diesem Fall – Audi und dem Shop-Betreiber dar. Dieser ist durch die Ablehnung der Unterlassungserklärung nicht zustande gekommen. Zwar habe der BGH in seiner früheren Rechtsprechung die Wiederholungsgefahr bereits dann entfallen lassen, wenn die Unterlassungserklärung zugegangen ist, an dieser Rechtsprechung hielten die Richter jedoch nicht mehr fest.
Lehne der Geschädigte die Unterlassungserklärung ab, fehle es an einer wirksamen Vertragsstrafenandrohung für den Schädiger. Dadurch, dass er bei einer erneuten Rechtsverletzung nicht mit einer Vertragsstrafe rechnen müsse, fehle es an der erforderlichen Abschreckungswirkung, die die Abgabe einer Unterlassungserklärung normalerweise innehabe. Die Wiederholungsgefahr entfalle deshalb jedenfalls ab Zugang der Ablehnungserklärung nicht.
Keine unbillige Benachteiligung
Diese Änderung der Rechtsprechung würde für den Betreiber des Online-Shops nach Ansicht der BGH-Richter auch kein unbilliges Ergebnis bedeuten. Zwar kämen durch die Erhebung einer Unterlassungsklage weitere Kostentragungspflichten in Betracht, dieser könne er sich jedoch durch ein sofortiges Anerkenntnis gemäß § 93 der Zivilprozessordnung (ZPO) entziehen.
Sind mehrere Unternehmen geschädigt, reicht außerdem in der Regel die Abgabe einer einzigen Unterlassungserklärung aus. Die Ablehnung der Erklärung und anschließende Klage würde daher die Gefahr weiterer Abmahnungen und damit verbundener Kosten durch Mitbewerber mit sich bringen. Die Richter argumentieren jedoch damit, dass auch ohne Aufforderung eine Unterlassungserklärung an die betroffenen Mitbewerber abgegeben werden könne und sich die Gefahr so ohne weitere Kosten aus dem Raum schaffen ließe.
lfe