Das EuG hatte Anfang 2018 der Markenanmeldung von „Fack Ju Göhte“ einen Riegel vorgeschoben. Der deutsche Filmtitel „Fack Ju Göhte“ sei nicht als Unionsmarke eintragungsfähig, da er gegen die guten Sitten verstoße, urteilte das EuG und hatte damit eine Klage von Constantin Film abgewiesen. Daraufhin zog Constantin Film vor den EuGH. Im Juli 2019 legte der EuGH-Generalanwalt seine Schlussanträge vor. Nun hat der EuGH entschieden. Der Titel werden von der deutschsprachigen breiten Öffentlichkeit nicht als moralisch verwerflich wahrgenommen. Damit muss das EUIPO erneut über die Markenanmeldung entscheiden.
Das Gericht der EU (EuG) hatte 2018 der Markenanmeldung von „Fack Ju Göhte“ einen Riegel vorgeschoben. Das EuG bestätigte die Auffassung des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO). Dieses hatte die Anmeldung aus zwei Gründen verweigert: Einerseits sah das EUIPO in dem Wort „Fack“ einen Verstoß gegen die guten Sitten und andererseits würde der Name Goethes in diesem Kontext verunstaltet. Constantin Film als Rechteinhaber zog daraufhin vor den EuGH.
Im Juli 2019 legte der EuGH-Generalanwalt Bobek sodann seine Schlussanträge vor. Der Generalanwalt hatte darin dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vorgeschlagen, das Urteil des Gerichts und die Entscheidung des EUIPO aufzuheben. Die angeblich beleidigende und vulgäre Natur der Marke sei nämlich nicht in Bezug auf einen speziellen sozialen Kontext zu einer bestimmten Zeit nachgewiesen worden. Hier müsste schon etwas genauer hingeschaut werden.
Am Donnerstag, den 27. Februar 2020, hat nun der EuGH sein Urteil in der Sache verkündet. Sowohl das EUIPO als auch das EuG, die beide das Zeichen „Fack Ju Göhte“ für sittenwidrig hielten, hätten nicht hinreichend berücksichtigt, dass dieser Titel einer Filmkomödie von der deutschsprachigen breiten Öffentlichkeit offenbar nicht als moralisch verwerflich wahrgenommen werde. Das EUIPO muss daher nun erneut über das von Constantin Film als Unionsmarke angemeldete Zeichen „Fack Ju Göhte“ entscheiden (Rechtssache C-240/18 P) .
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Worum geht es im Fack Ju Göthe-Verfahren?
Im Jahr 2015 meldete die Constantin Film Produktion GmbH (Constantin Film) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) das dem Titel eines erfolgreichen deutschen Films entsprechende Wortzeichen „Fack Ju Göhte“ zur Eintragung als Unionsmarke für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen an. Die Anmeldung wurde zurückgewiesen, weil das Wortzeichen gegen die „guten Sitten“ verstoße. Das EUIPO war der Ansicht, die Wörter „Fack Ju“ würden genauso ausgesprochen wie der englische Ausdruck „fuck you“ und stellten daher eine geschmacklose, anstößige und vulgäre Beleidigung dar, durch die der hochangesehene Schriftsteller Johann Wolfgang von Goethe posthum beleidigt werde.
Im Jahr 2017 erhob Constantin Film Klage beim Gericht der Europäischen Union (EuG) und beantragte, die Entscheidung des EUIPO aufzuheben. Das EuG jedoch wies die Klage zurück, woraufhin Constantin Film vor den EuGH zog.
EuG hatte Klage von Constantin Film abgewiesen
Das EuG hatte Anfang 2018 die Klage abgewiesen und entschieden, dass der Anmeldung der Unionswortmarke Fack Ju Göhte ein absolutes Eintragungshindernis entgegenstehe (Rechtssache T-69/17).
Die Marke verstoße gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten. Bereits die Beschwerdekammer des Amtes für geistiges Eigentum der Europäischen Union (EUIPO) war davon ausgegangen, dass es sich bei dem Ausdruck „fuck you“, selbst wenn die maßgeblichen Verkehrskreise ihm keine solche Bedeutung beimäßen, gleichwohl um einen Ausdruck handele, der nicht nur geschmacklos, sondern auch anstößig und vulgär sei. Unter diesen Umständen gehe das Vorbringen von Constantin Film, die Beschwerdekammer des EUIPO sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass das in Rede stehende Zeichen eine sexuelle Bedeutung habe, ins Leere und ihm könne nicht gefolgt werden. Unter anderem aufgrund dieses Eintragungshindernisses in Deutschland und in Österreich, dürfe Fack Ju Goehte nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 von der Eintragung als Wortmarke ausgeschlossen werden. Die Klage der Constantin Film Produktion GmbH war daher vom EuG insgesamt zurückzuweisen.
Gegen das Urteil des Gerichts hatte Constantin Film beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) Rechtsmittel eingelegt und Fehler bei der Auslegung und der Anwendung der Unionsmarkenverordnung gerügt, nach der Unionsmarken, die „gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen“, von der Eintragung ausgeschlossen sind, sowie einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Rechtssicherheit und der guten Verwaltung.
Schlussanträge des EuGH-Generalanwalts
Im Juli 2019 hatte der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen bereits darauf hingewiesen, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung im Markenrecht Anwendung finde, auch wenn der Schutz dieses Rechts nicht das vorrangige Ziel der Marken sei, sondern es im Markenrecht im Wesentlichen darum gehe, gegenüber den Verbrauchern die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten.
Das EUIPO spiele beim Schutz der öffentlichen Ordnung und der guten Sitten zwar eine Rolle, doch handele es sich dabei nicht um seine Hauptaufgabe. Hinsichtlich der Begriffe „öffentliche Ordnung“ und „gute Sitten“, auf die in der Verordnung Bezug genommen wird, bestehe zwar eine gewisse Überschneidung, jedoch sei zwischen beiden Begriffen zu unterscheiden und bei ihrer jeweiligen Beurteilung seien unterschiedliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen.
Möchte das EUIPO, wie im vorliegenden Fall, insbesondere auf das absolute Eintragungshindernis der guten Sitten abstellen, müsse es darlegen, weshalb ein bestimmtes Zeichen gegen diesen Grundsatz verstoßen würde. Diese Beurteilung müsse sich unbedingt auf einen bestimmten sozialen Kontext stützen und es dürften keine tatsächlichen Beweise außer Acht gelassen werden, die die eigenen Ansichten des EUIPO darüber, was zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Gesellschaft den guten Sitten entspricht oder nicht entspricht, entweder bestätigen oder möglicherweise in Frage stellen. Mit anderen Worten: Diese Beurteilung kann nicht allein unter Berücksichtigung des Wortzeichens, isoliert von seiner allgemeineren Wahrnehmung in der Gesellschaft und seinem Kontext vorgenommen werden.
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Generalanwalt widerspricht EUIPO und EuG
Für die Diskussion um den Filmtitel „Fack Ju Göthe“ gelangte der Generalanwalt zu dem Ergebnis, dass die vom EuG bestätigte Beurteilung durch das EUIPO diesen Anforderungen nicht genüge.
Der Generalanwalt setzte sich insoweit mit der Bewertung bestimmter von Constantin Film vorgebrachter Aspekte durch das EUIPO und das Gericht auseinander; dazu gehören etwa der Erfolg des Films „Fack Ju Göhte“, der trotz seines Titels nicht umstritten gewesen sei, die ordnungsgemäße Genehmigung des Filmtitels und die Freigabe des Films für Jugendliche sowie dessen Einbeziehung in das Lernprogramm des Goethe-Instituts.
Zwar sei keiner dieser Aspekte als solcher entscheidend für die Beurteilung im Sinne der Verordnung, doch gehe von ihnen eine starke Indizwirkung für die soziale Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise in Bezug auf die guten Sitten aus.
Daher hätten das EUIPO und das EuG erheblich überzeugendere Argumente dafür anführen müssen, weshalb ihrer Meinung nach eine gleichnamige Marke wegen des Verstoßes gegen die guten Sitten gegenüber genau denselben Verkehrskreisen gleichwohl nicht eintragungsfähig sei.
Schließlich wies der Generalanwalt darauf hin, dass das EuG rechtsfehlerhaft nicht beanstandet habe, dass das EUIPO die Abweichung von seiner bisherigen Entscheidungspraxis nicht angemessen begründet habe oder keinen schlüssigen Grund dafür angegeben habe, warum über die Anmeldung des Zeichens „Fack Ju Göhte“ anders zu entscheiden gewesen sei als in einem ähnlichen Fall (Die Wanderhure, Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO vom 28. Mai 2015, R 2889/2014 4), auf den Constantin Film das EUIPO zur Unterstützung ihrer Anmeldung hingewiesen hatte. Dieser Fall betraf das Zeichen – „DIE WANDERHURE“ –, das auch der Titel eines deutschen Romans und seiner
Verfilmung ist. Das EUIPO wählte in jener Sache einen eher liberalen Ansatz und die Marke wurde für nicht sittenwidrig gehalten.
Das Urteil des EuGH – Titel für deutsches Publikum nicht moralisch verwerflich
Mit seinem Urteil vom 27. Februar 2020 hat der EuGH das Urteil des EuG und die Entscheidung des EUIPO, die weitgehend dieselben Fehler enthielten, aufgehoben.
Nach Auffassung des EuGH hätten das EuG und das EUIPO nicht hinreichend berücksichtigt, dass verschiedene Begleitumstände übereinstimmend darauf hinwiesen, dass der Titel der in Rede stehenden Filmkomödien trotz der Gleichsetzung der Wörter „Fack Ju“ mit dem englischen Ausdruck „Fuck you“ von der deutschsprachigen breiten Öffentlichkeit nicht als moralisch verwerflich wahrgenommen wurde.
Trotz der mit dem großen Erfolg dieser Filmkomödien einhergehenden großen Sichtbarkeit ihres Titels habe dieser offenbar nicht zu einem Meinungsstreit beim Publikum geführt. Im Übrigen seien zu den Fack Ju Göthe-Filmkomödien, die im schulischen Umfeld spielen, auch jugendliche Zuschauer zugelassen worden.
Darüber hinaus hätten die Filme Fördermittel verschiedener Organisationen erhalten und wurden überdies vom Goethe-Institut zu Unterrichtszwecken verwendet.
Auch die Wahrnehmung des englischen Ausdrucks „Fuck you“ sei durch das deutschsprachige Publikum nicht zwangsläufig dieselbe wie die eines englischsprachigen Publikums. Nach Auffassung der EuGH-Richter könne die Empfindlichkeit in der Muttersprache nämlich wesentlich stärker als in einer Fremdsprache sein. Aus dem gleichen Grund nehme das deutschsprachige Publikum diesen englischen Ausdruck auch nicht zwangsläufig ebenso wahr, wie es dessen deutsche Übersetzung wahrnehmen würde, so die Richter.
Darüber hinaus bestünden der Titel der fraglichen Komödien und damit die angemeldete Marke nicht aus diesem englischen Ausdruck als solchem, sondern aus dessen lautschriftlicher Übertragung ins Deutsche, ergänzt um das Element „Göhte“.
Unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass kein konkreter Aspekt vorgetragen wurde, um plausibel zu erklären, weshalb das allgemeine deutschsprachige Publikum das Wortzeichen „Fack Ju Göhte“ als Verstoß gegen grundlegende moralische Werte und Normen der Gesellschaft wahrnähme, wenn es als Marke verwendet würde, obwohl dasselbe Publikum den Titel der gleichnamigen Komödien offenbar nicht für sittenwidrig hielt, stellte der EuGH fest, dass das EUIPO nicht rechtlich hinreichend dargetan habe, dass die angemeldete Marke nicht eingetragen werden könne.
Das EUIPO muss daher erneut über die Markenanmeldung von Constantin Film entscheiden.
tsp