Zum Thema Markenrecht hat das Landgericht Bielefeld am 29.12.2000 die unten veröffentlichte Entscheidung getroffen. Wenn Sie rechtliche Fragen zum Thema haben oder einen Rechtsanwalt benötigen, rufen Sie uns an 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit).

Weitere Informationen zum Bereich Markenrecht finden Sie hier.

Konkret hat das Landgericht Bielefeld folgendes entschieden:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die

Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

I. Tatbestand

Die Parteien streiten über die Kosten einer markenrechtlichen Abmahnung.

Die Klägerin vermarktet Software. Sie ist Inhaberin der am 17.11.1995 unter der Warengruppe „Datenverarbeitungsgeräte / Datenverarbeitungsprogramme“ eingetragenen Marke „Explorer“. Der Beklagte betrieb jedenfalls bis März 2000 unter der Adresse „…….“ eine Internet Domain. Unter jener Domain bot er unter der Zeile „FTP-Explorer 1.00.09“ einen sog. Link, d.h. eine Verknüpfung zu der Homepage der amerikanischen Firma FTPx Corporation, von der aus Internet-Nutzer die Möglichkeit hatten, die besagte Software zu laden. Mit Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigten vom 22.3.2000 forderte die Klägerin den Beklagten zur Abgabe einer vorgefertigten Unterlassungserklärung auf, in der sich der Beklagte verpflichtete, die Kennzeichnung „FTP-Explorer“ zukünftig nicht mehr im geschäftlichen Verkehr für Software zu verwenden. Zugleich stellte sie dem Kläger die Gebühren ihres Prozeßbevollmächtigten über insgesamt 1.895,21 DM in Rechnung. Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht unterzeichnete der Beklagte die Unterlassungserklärung am 27.3.2000, ohne die Kostenrechnung zu begleichen.

Die Klägerin macht einen Anspruch auf Zahlung der Abmahnkosten ihrer Prozeßbevollmächtigten geltend. Sie meint, zwischen der von ihr vertriebenen Marke „Explorer“ und dem vom Beklagten mittels Link vermittelten „FTP-Explorer“ bestehe Verwechselungsgefahr. Die Marke „Explorer“ sei im EDV-Bereich bekannt. Ihre Bekanntheit ergebe sich insbesondere aus der Benutzung durch die Fa. Microsoft. Dem vom Beklagten verwendeten Zusatz „FTP“ komme allein beschreibende Bedeutung zu, da die Buchstabenkombination für „File Transfer Protocol“ und damit lediglich für ein Standard-Übertragungsprotokoll für Internet-Dateien stehe.

Der Beklagte handele auch im geschäftlichen Verkehr, da er mit seinem Link zumindest fremde Geschäftsinteressen fördere.

Sie beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.633,80 DM zuzüglich 7,5 % Zinsen p.a. seit dem 09.05.2000 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, es liege schon keine Verwechselungsgefahr zwischen dem Begriff „Explorer“ und „FTP-Explorer“ vor, da sich die Bezeichnung „Explorer“ inzwischen als allgemeiner Gattungsbegriff für Software zum Durchsuchen und Herunterladen von Dateien im Internet durchgesetzt habe. Der Begriff „Explorer“ sei nicht (mehr) unterscheidungskräftig. Die Nutzung des Begriffes „Explorer“ durch die Fa. Microsoft könne sich die Klägerin nicht zurechnen lassen, da Microsoft ein Fremdbenutzungswille fehle. Bei seiner – des Beklagten – Domain habe es sich um eine rein private Homepage gehandelt, so daß jedenfalls kein Handeln im geschäftlichen Verkehr vorliege. Er beruft sich zudem auf § 23 Nr.2 MarkenG. Jedenfalls sei seine Haftung nach § 5 II und III TeledienstG ausgeschlossen.

Der Beklagte erhebt ferner die Einrede des rechtsmißbräuchlichen Verhaltens, da die Klägerin lediglich kleinere Unternehmen und Private abmahne, nicht jedoch Großunternehmen wie T-Online oder IBM, die gleichfalls den Begriff „Explorer“ im Softwarebereich nutzten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Klägerin stehen keine Ansprüche gegen den Beklagten auf Zahlung von 1.633,80 DM aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 683 Satz 1, 677, 670 BGB zu.

Für die von der Klägerin per Anwaltsschreiben geforderte Unterlassungserklärung bestand kein Rechtsgrund; die Aufwendungen der Klägerin waren mithin nicht erforderlich.

Es kann dahinstehen, ob der Beklagte durch das Setzen eines Links auf seiner Homepage im geschäftlichen Verkehr gehandelt hat und eine markenmäßige Benutzung dieses Zeichens vorliegt.

Der Beklagte hat jedenfalls mit der Setzung des „FTP-Explorer“-Links auf seiner Domain kein Markenrecht der Klägerin verletzt. Zwischen dem von der Klägerin verwendeten Begriff „Explorer“ und dem vom Beklagten gebrauchten „FTP-Explorer“ besteht keine Verwechselungsgefahr im Sinne von § 14 II Nr.2 MarkenG.

a) Bei der Prüfung der Verwechselungsgefahr zweier Marken kommt es darauf an, wie die sich gegenübertretenden Begriffe auf den Durchschnittsverbraucher jener Art von Waren wirken. Die Verwechselungsgefahr wird dabei maßgeblich nicht allein durch den Ähnlichkeitsgrad der sich gegenübertretenden Bezeichnungen, sondern auch durch deren Kennzeichnungskraft und durch den Grad der Warennähe bestimmt. Zwischen diesen drei Bestimmungsfaktoren besteht eine Wechselwirkung dahingehend, daß ein höherer Ähnlichkeitsgrad erforderlich ist, wenn die Kennzeichnungskraft nur schwach ist und umgekehrt (BGH NJW-RR 1993, S.553).

Der vom Beklagten in dem Link verwendete Begriff „FTP-Explorer“ setzt sich gleichermaßen zusammen aus der in Großbuchstaben erfolgenden Abkürzung „FTP“ wie dem Begriff „Explorer“. Keiner der beiden Bestandteile wirkt dabei für sich allein prägend.

Dem Begriff „Explorer“ kommt allenfalls schwache Kennzeichnungskraft zu. „Explorer“ stammt aus der englischen Sprache und hat im wesentlichen beschreibenden Inhalt. Übersetzt bedeutet der Begriff „Entdecker“ oder „Forscher“. Jedoch ändert auch die Benutzung eines Begriffes aus der englischen Sprache nichts an seiner im wesentlichen beschreibenden Funktion, denn auch fremdsprachigen Wörtern kommt primär beschreibende Bedeutung zu, wenn sie für den maßgeblichen inländischen Verkehrskreis zum allgemeinen Sprachgebrauch gehören oder eine im Verkehr übliche Bezeichnung für konkrete Produkte darstellen (vgl. Fezer, MarkenG, 2. Aufl., § 8 Rn.104). Gerade für die angesprochenen Verkehrskreise – namentlich die Nutzer des Internet – sind aufgrund der weltweiten Zugänglichkeit des Netzes englischsprachige Begriffe vertraut und üblich. Dies gilt gerade auch für den hier streitgegenständlichen Begriff „Explorer“. Die Bezeichnung „Explorer“ ist im Internetverkehr inzwischen im Verbund mit Software für die Suche und Organisation von Dateien in fast jedem Bereich vorhanden, in dem solche Software für das Durchsuchen des Netzes gewerblich wie nicht-gewerblich bereitgehalten wird. Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, daß etwa Anbieter wie T-Online auf ihrer Homepage Shareware, d.h. frei zugängliche Software mit dem Zusatz „Explorer“ in erheblicher Zahl zum Download bereithalten (im Dezember 2000 : 357 Angebote). Soweit die Klägerin diesen Umstand mit Nichtwissen bestreitet, ist dies unerheblich, da diese Tatsache unschwer im allgemein zugänglichen Internet nachgeprüft werden kann und daher allgemeinbekannt ist. Darüberhinaus wird der Begriff „Explorer“ auch von zahlreichen anderen Anbietern verwendet; mit ihm wird regelmäßig Software für das Durchsuchen von Dateien im Internet bezeichnet.

Durch diese anderweitige, von der Klägerin unabhängige Benutzung des Begriffes „Explorer“ ergibt sich eine erhebliche Verwässerung des „Explorer“-Begriffes und damit Schwächung seiner Kennzeichnungskraft.

b) Die Klägerin kann sich auch nicht den von ihr behaupteten Bekanntheitsgrad der Marke „Explorer“ aufgrund deren Benutzung durch die Fa. Microsoft zurechnen lassen gem. § 26 II MarkenG. Das Gericht schließt sich insoweit der von Fezer (MarkenG, 1997, § 26 Rn.86) und vom LG Düsseldorf (Urt. v. 25.10.2000, Az. 2a O 106/00) vertretenen Auffassung an, nach der die Zurechnung einer Drittbenutzung der Marke ausscheidet, wenn dem Dritten nach außen erkennbar ein Fremdbenutzungswille fehlt oder wenn es sich um eine „aufgedrängte Zustimmung“ des Markeninhabers handelt (so Ingerl/Rohnke, MarkenG, 1998, § 26 Rn.69). So liegt der Fall hier : Der von der Fa. Microsoft vor dem OLG München geschlossene Vergleich erfolgte ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Sitzungsprotokolls ausdrücklich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Microsoft hat damit zu erkennen gegeben, daß sie den Begriff „Explorer“ gerade nicht (quasi abgeleitet) mit der Zustimmung der Klägerin verwenden will. Auch eine konkludente Zustimmung kann aufgrund der explizit festgehaltenen Ablehnung einer rechtlichen Verpflichtung gerade nicht hergeleitet werden. Die Klägerin hat das Vorbringen des Beklagten auch nicht bestritten, nach dem die Fa. Microsoft in ihrer Explorer-Software regelmäßig auf Urheberrechte Dritter verweist, hierunter zwar auf dritte Firmen, jedoch nicht auf die Klägerin. Die Klägerin hat ihrerseits keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, die auf einen Fremdbenutzungswillen der Fa. Microsoft schließen lassen würden. Eine Zurechnung nach § 26 II MarkenG kommt daher nicht in Betracht.

c) Aufgrund sämtlicher vorgenannter Umstände kommt dem von der Klägerin verwendeten Begriff „Explorer“ eine so schwache Kennzeichnungskraft zu, daß fast jedweder Zusatz geeignet ist, die Verwechselungsgefahr im Sinne von § 14 II MarkenG zu beseitigen.

Der Bestandteil „FTP“ prägt den vom Beklagten verwendeten Begriff „FTP-Explorer“ in gleichem Maße; eine schwächere Kennzeichnungskraft dieser Buchstabenkombination gegenüber dem Begriff „Explorer“ vermag das Gericht nicht zu erkennen. Zwar mag die Buchstabenfolge „FTP“ als Abkürzung für „File Transfer Protocol“ und mithin für das Protokoll zur Dateiübertragung stehen. Gleichwohl hat die Buchstabenfolge „FTP“ nicht nur beschreibende Wirkung, da sie als Abkürzung für den durchschnittlichen Internet-Benutzer nicht sofort erkennbar ist (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2000, Az. 2a O 106/00). Hinzukommt, daß mit der Kennzeichnung „FTP“ gerade die vom Beklagten mittels Link vermittelte Datei-Durchsuchungs-Software für den durchschnittlichen Benutzerkreis des Internet näher gekennzeichnet wird.

Aufgrund dieser Umstände ist nicht ersichtlich, daß dem Element „Explorer“ eine höhere Kennzeichnungskraft als dem Element „FTP“ zukommt. Die hier vorliegende Übereinstimmung der Kollisionsmarke mit einem von zwei in ihrer Kennzeichnungskraft gleichwertigen Zeichenbestandteilen begründet noch keine Verwechselungsgefahr (vgl. BGH GRUR 1991, S.319,320 – HURRICANE). Dies gilt im vorliegenden Fall erst recht, da der vom Beklagten verwendete Begriff mit dem Bestandteil „FTP“ beginnt und Wortanfängen regelmäßig stärker beachtet werden als nachfolgende Wortteile (Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 14 MarkenG Rn.328 m.w.N.). Ein Hervorteten des Bestandteils „Explorer“ gegenüber dem Element „FTP“ kann jedenfalls nicht festgestellt werden.

Lag folglich mangels Verwechselungsgefahr kein Rechtsgrund für die vom Beklagten geforderte Unterlassungserklärung vor, so besteht kein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Abmahnkosten aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 I Nr.11, 713 ZPO.