Zum Thema Markenrecht hat das Landgericht Düsseldorf am 25.02.2004 die unten veröffentlichte Entscheidung getroffen. Wenn Sie rechtliche Fragen zum Thema haben oder einen Rechtsanwalt benötigen, rufen Sie uns an 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit).

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Konkret hat das Landgericht Düsseldorf folgendes entschieden:

In dem Rechtsstreit

hat die 2 a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf

auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2004

für R e c h t erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin firmierte zunächst als xxx GmbH. Im Jahre 2000 wurde ihre Firma in „xxx GmbH“ geändert. Die Eintragung der Firmenänderung in das Handelsregister erfolgte am 10. August 2000. Die Klägerin nutzt die Domain „ratiosoft.de“ seit 14. Dezember 2000. Noch als xxx GmbH meldete sie am 7. Februar 2000 die am 29. September 2000 erworbene Wortmarke 300092075 „Ratio Soft“ geschützt für die Klassen 9, 25, 41 und 42 an. Die Klägerin erbringt Beratungsleistung im Softwarebereich, und zwar im SAP-Umfeld.

Der Beklagte entwickelt ebenfalls Software. Er berät insbesondere Software-Entwickler. Es geht hierbei um Geräte- bzw. Maschinensteuerung im weitesten Sinne, darunter fallen „Embedded Systems“, „Echtzeitanwendungen“, „Serielle Kommunikation“ und die „Implementierung spezieller Protokolle.

Der Beklagte ist seit 1997 unter der Firma „Rationelle Softwareentwicklung“ tätig. Er ist Inhaber der Domain „ratiosoft.com“.

Die Domain „ratiosoft.com“ wurde am 6. März 1998 für den Beklagten registriert. Seit wann sie benutzt wird, ist zwischen den Parteien streitig ( vgl. Anlage B2/B3).

Die Klägerin meint, dass dem Beklagten keine Rechte an dem Zeichen „Ratiosoft“ zustehen.

Die Klägerin meint ferner, dass die Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung der Klägerin durch den Beklagten bzw. ein Domain Grabbing vorliegen. Unstreitig bot der Beklagte der Klägerin die Domain zu Kauf an. Die Parteien streiten dabei lediglich über die Frage, ob der Beklagte der Klägerin ein Angebot von 80.000,– Euro oder von 100.000,– Euro unterbreitet habe.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen,

1.

die Internet-Domain „ratiosoft.com“ freizugeben;

2.

es zu unterlassen, die Begriffe „Ratiosoft“, und/oder „Ratio Soft“ ohne ihre Einwilligung zur Bezeichnung von Dienstleistungen zu verwenden, die vom Verkehr mit der Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung in Verbidnung gebracht werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, dass keine Dienstleistungsidentität vorliege, da im EDV-Bereich kleinste Unterschiede beim jeweils angebotenen Spektrum der Waren- oder Dienstleistungen zu berücksichtigen seien. Die von den Parteien angebotenen EDV-Dienstleistungen seien höherwertige Lösungen für ganz spezielle Probleme in ganz speziellen Fachgebieten. Die EDV-Branche dürfe hinsichtlich der Frage der Verwechslungsgefahr nicht als Einheit angesehen werden.

Der Beklagte beruft sich darüber hinaus auf prioritätsältere Rechte an dem Zeichen Ratiosoft. Diese Rechte stützt er u.a. darauf, dass er bereits zum Jahreswechsel 1998/99 Werbegeschenke, wie z.B. Textmarker, in einer Hülle verteilt habe, die optisch hervorgehoben die Zeichenfolge „www.ratiosoft.com“ enthalte. Das genannte Zeichen diene als Schlagwort für sein Unternehmen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist nicht begründet.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten weder ein Anspruch auf Freigabe der Internetdomain „ratiosoft.com“ noch ein Anspruch zu, dass der Beklagte es unterlässt, den Begriff „Ratiosoft“ und/oder „Ratio Soft“ ohne Einwilligung der Klägerin zur Bezeichnung von Dienstleistungen zu verwenden, die vom Verkehr mit der Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung in Verbindung gebracht werden.

Die Klägerin kann gegenüber dem Beklagten weder Ansprüche aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG noch aus § 15 Abs. 2 MarkenG geltend machen.

I.

Ansprüche der Klägerin aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gestützt auf die Marke „Ratiosoft“ scheitern nicht an einer etwa fehlenden Markeninhaberschaft der Klägerin. Die Klägerin hat substantiiert dargelegt, Inhaberin der am 7. Februar 2000 angemeldeten und am 29. September 2000 eingetragenen deutschen Wortmarke „Ratiosoft“ zu sein. Denn sie hat einen Handelsregisterauszug vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass die Firma xxx GmbH in xxx GmbH geändert worden ist (Anlage K 10, Bl. 58 GA).

Dem Zeichen Ratiosoft kommt normale Kennzeichnungskraft zu. Es sind zwar beschreibende Anklänge gegeben, die Kombination der beiden Begriffe Ratio und Soft ist aber hinreichend originell, um auch im EDV-Bereich eine normale Kennzeichnungskraft anzunehmen.

Die klägerische Marke und das angegriffene Zeichen des Beklagten sind hinreichend zeichenähnlich. Die unterschiedliche Schreibweise führt nicht aus der Zeichenähnlichkeit hinaus. Klanglich liegt sogar Identität vor. Die Kammer neigt ferner dazu, von einer Dienstleistungsähnlichkeit auszugehen. Beide Parteien sind in der EDV-Branche tätig. Zwar muss in der EDV-Branche auf kleinste Unterschiede geachtet werden (vgl. dazu Fetzer, Markenrecht, 3. Auflage, § 15, Rdnr. 74 a.E.), dies bezieht sich aber nicht auf die Dienstleistungsangebote, sondern auf die Zeichenähnlichkeit. Wegen der klanglichen Identität der klägerischen Marke und des angegriffenen Zeichens und aufgrund der Wechselwirkung zwischen Zeichenähnlichkeit und Dienstleistungsähnlichkeit reichen die von dem Beklagten dargelegten Unterschiede in den EDV-Tätigkeitsbereichen der Parteien nach Auffassung der Kammer nicht aus, um die Verwechslungsgefahr zu verneinen. Denn beide Parteien bieten höherwertige Lösungen für spezielle Softwareprobleme an, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Softwareentwickler zumindest davon ausgeht, dass zwischen beiden Parteien unternehmerische Verbindungen bestehen. Letztlich kann die Frage nach der Dienstleistungsähnlichkeit aber dahingestellt bleiben.

Der Anspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG scheitert nämlich, weil sich der Beklagte auf prioritätsältere Rechte berufen kann. Der Beklagte ist seit dem Jahr 1997 unter der Firma „Rationelle Softwareentwicklung“ tätig. Seine Domain „ratiosoft.com“ ist am 6. März 1998 registriert worden. Bereits zum Jahreswechsel 1997/98 verteilte der Beklagte unstreitig Werbegeschenke mit dem Aufdruck „www.ratiosoft.com“, so dass das Bestreiten der Klägerin, eine Nutzung der domain zu diesem Zeitpunkt habe noch nicht vorgelegen, auch im Hinblick auf die vorgelegten Anlagen B2 und B3 als unsubstantiiert erscheint.

Hinsichtlich der Prüfung, ob dem Beklagten prioritätsältere Rechte zustehen, darf nicht nur auf seine Firma „Rationelle Softwareentwicklung“ abgestellt werden. Vielmehr kann auch Firmenschlagworten und Firmenabkürzungen der Schutz des vollständigen Unternehmenskennzeichens zukommen (vgl. dazu Ingel/ Rohnke, Markengesetz, § 15, Rdnr. 37 ff.). Gerade Unternehmenskennzeichen – insbesondere Firmennamen – bestehen häufig aus mehreren Bestandteilen, teils frei gewählten, teils aber auch handels- oder gesellschaftsrechtlich vorgeschriebenen Sachangaben und Rechtsformzusätzen. Deshalb neigt der Verkehr grundsätzlich dazu, längere Bezeichnungen in einer die Merkbarkeit und Aussprechbarkeit erleichernden Weise zu verkürzen und Bestandteile oder auch Buchstaben-Abkürzungen an Stelle der vollständigen Bezeichnung zu verwenden (vgl. BGH GRUR 1995, 507, 508; Citi-Hotel). Dem trägt die Rechtsprechung seit langem dadurch Rechnung, dass sie unterscheidungskräftige Bestandteile und Abkürzungen eines Unternehmenskennzeichens dann dem Schutz des § 15 MarkenG unterstellt, wenn die Abkürzung oder das Schlagwort in dem vollständigen Unternehmenskennzeichen als Teil enthalten ist, namensmäßige Unterscheidungskraft hat und im Vergleich zu ungekürzten Bezeichnungen als der eigentlich kennzeichnende Teil anzusehen ist, d.h. geeignet erscheint, sich im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen durchzusetzen (vgl. BGH WRP 1997,1091 – Immo Data; Ingel/Rohnke, Markengesetz, § 15, Rdnr. 39 m.w.N.).

So liegt der Fall hier. Das Zeichen „Ratiosoft“ ist zumindest als Schlagwort für die Firma des Beklagten „Rationelle Softwareentwicklung“ geeignet. Die Abkürzung bietet sich insbesondere deshalb für den Verkehr an, weil der Beklagte sowohl die Domain „ratiosoft.com“ als auch seine E-Mail-Adresse in Kombination mit der vollen Firmenbezeichnung „Rationelle Softwareentwicklung“ verwendet. Insoweit ist die Sachlage hier anders als in dem von der Kammer entschiedenen Fall mit dem Az. 2 a O 186/02 – Exit PopUp – Fenster. Denn seinerzeit lag lediglich eine Nutzung als Domain vor. Diese führt noch nicht zur Begründung einer besonderen geschäftlichen Bezeichnung. Im vorliegenden Fall stellt sich die Domain jedoch als Schlagwort bzw. Abkürzung des von dem Beklagten verwandten Unternehmenskennzeichen in seiner Gesamtheit dar. Neben der Nutzung des Schlagwortes als Domain und als E-Mail-Adresse wirbt der Beklagte auch mit dem Schlagwort „Ratiosoft“. Der Aufdruck der Zeichenfolge „www.ratiosoft.com“ auf den Werbegeschenken kann nicht lediglich als Hinweis auf das bloße Internet-Angebot des Beklagten verstanden werden. Denn aus der Nutzung als Werbegeschenk ergibt sich bereits, dass der Beklagte nicht nur auf die Adressierung seiner Website, sondern auf sein Unternehmen als Ganzes hinweisen wollte.

Im Vergleich zur ungekürzten Bezeichnung der Firma des Beklagten ist das Schlagwort „ratiosoft“ auch als kennzeichnungskräftiger Bestandteil anzusehen, denn die vollständige Firma „Rationelle Softwareentwicklung Helmut Giese“ enthält beschreibende Anklänge.

Dem Bestandteil „Ratiosoft“ kommt die Priorität der Gesamtbezeichnung zu, vgl. BGH GRUR 1996, 68, 69 – Cottenline). Deshalb kann letztlich dahingestellt bleiben, seit wann der Beklagte die domain „ratiosoft.com“ benutzt hat. Die Firma des Beklagten ist nämlich unstreitig bereits im Jahre 1997 gegründet worde. Seit dem Jahreswechsel 1997/98 nutzte der Beklagte darüber hinaus schlagwortartig den Begriff „ratiosoft“, u.a. für die Registrierung seiner Domain, der Kennzeichnung seiner E-Mail-Adresse sowie als Aufdruck auf Werbegeschenken. Die Klägerin meldete erst im Jahre 2000 ihre Wortmarke „Ratiosoft“ an und firmierte ebenfalls erst im Jahre 2000 in die Firma Ratiosoft GmbH um. Nach allem sind für den Beklagten prioritätsältere Rechte an der Bezeichnung Ratiosoft gegeben.

II.

Ansprüche der Klägerin aus § 15 Abs. 2 MarkenG sind ebenfalls nicht gegeben. Hinsichtlich der Dienstleistungsähnlichkeit ist auf die Ausführungen unter Ziffer I. zu verweisen. Der Anspruch scheitert jedenfalls an den prioritätsälteren Rechten des Beklagten.

III.

Anhaltspunkte für ein Domain Grabbing oder für eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung liegen nicht vor. Allein aus der Tatsache, dass der Beklagte der Klägerin die Domain zum Kauf angeboten hat, sei es für 80.000,– Euro oder für 100.000,– Euro, lassen sich im vorliegenden Fall keine Indizien für das Vorliegen eines Behinderungswettbewerbs oder einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung herleiten. Denn dem Beklagten stehen eigene Kennzeichenrechte an der Bezeichnung „ratiosoft“ zu.

Soweit die Parteien nach Ablauf der Schriftsatzfrist Schriftsätze mit neuem Tatsachenvortrag eingereicht haben, rechtfertigen diese eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 709 ZPO.

Streitwert: 50.000,– Euro.