Zum Thema Markenrecht hat das Landgericht Köln am 18.03.2004 die unten veröffentlichte Entscheidung getroffen. Wenn Sie rechtliche Fragen zum Thema haben oder einen Rechtsanwalt benötigen, rufen Sie uns an 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit).
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Konkret hat das Landgericht Köln folgendes entschieden:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T A T B E S T A N D:
Die Beklagte vermarktet seit Jahren die Praline „T“, für die sie seit 1996/1997 Jahresumsätze in Höhe von jeweils mehr als DM 100 Mio. erzielt hat. Die Praline in kugeliger Form enthält in der Mitte einen Haselnußkern, der von einer Nugatschicht umgeben ist, die wiederum von einer Waffelschicht umgeben ist. Das Äußere der Praline besteht aus Mandelsplittern, die von einer Schokoladenschicht überzogen sind. Für die „nackte“ Praline besteht seit 1997 Markenschutz, wobei die Eintragung der dreidimensionalen Marke als durchgesetztes Zeichen erfolgt ist.
Für den Verkauf, ob einzeln oder zu mehreren in einer Verpackung, ist jede einzelne Praline in mattierte und leicht geknautschte Goldfolie eingewickelt, wobei auf der Spitze ein kleiner ovaler Aufkleber mit der Bezeichnung „T“ aufgeklebt ist. Jede einzelne Praline ist in eine Napfmanschette von gold-brauner Farbe eingesetzt.
Die Beklagte stellte auf der Süßwarenmesse 2002 in Köln u.a. die Praline „X“ aus. Hierbei handelt es sich um eine Praline, die in der Mitte einen Haselnußkern enthält, der gleichfalls von einer Nugatschicht umgeben ist, die wiederum von einer Waffelschicht umhüllt ist. Die außen aufgebrachten Mandelsplitter sind von einer Schokoladenschicht überzogen. Die „X“-Pralinen sind einzeln in einer Folie eingewickelt, die von der Grundfarbe rot ist und in der Mitte, die das obere Drittel der Praline umgibt, eine von der Form her blumenartig ausgestaltete Fläche in einem Goldton enthält, innerhalb der sich die Bezeichnung „X“ befindet.
Die Klägerin behauptet, daß der deutsche Kaufinteressent infolge der großen Bekanntheit der Produkte der Klägerin auf dem deutschen Markt mit den Produkten der Beklagten die Vorstellung verbinde, daß es sich möglicherweise um Zweitmarken der Klägerin handeln würde. Die Unterlassungsansprüche seien deshalb sowohl aus dem Markenrecht wie auch aus § 1 UWG, dort unter dem Aspekt der Rufausbeutung und der vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung, begründet.
Die Klägerin beantragt,
und/oder
wobei die Unterlassungsansprüche auf drei rechtlich unterschiedliche Lebenssachverhalte gestützt werden, nämlich einmal auf die zu Gunsten der Klägerin eingetragene Marke aufgrund Verkehrsgeltung sowie zusätzlich aufgrund einer Benutzungsmarke gemäß § 4 Nr. 2 MarkenG, zum zweiten auf einen Anspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG sowie auf § 1 UWG, und der Beklagten gleichzeitig anzudrohen, daß gegen sie bei jedem schuldhaften Verstoß gegen das gerichtliche Unterlassungsgebot ein Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,00 verhängt werden kann;
und
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verneint eine Verwechslungsgefahr.
„Y“-Pralinen würden von der Beklagten nie unverhüllt, sondern ausschließlich in der Einzelverpackung in den Verkehr gebracht und angeboten. Es fehle deshalb an einer markenmäßigen Benutzung der nackten Praline, die im übrigen zu der „T“-Praline einen hinreichenden Abstand wahre, weil sie einen abgeflachten Boden und damit eine „Pilzform“ aufweise. Im übrigen würden die rote Umhüllung und der Wortbestandteil X das äußere Erscheinungsbild der angegriffenen Praline prägen und eine Verwechslungsgefahr ausschließen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von ihnen überreichten Unterlagen verwiesen.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
Die Klage ist nicht begründet.
Es fehlt sowohl für einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch als auch für einen Anspruch aus § 1 UWG an einer Verwechslungsgefahr.
Die „nackte“ „Y“-Praline unterscheidet sich in ihrer Form hinreichend deutlich von der „T“-Praline. Dabei ist zunächst darauf zu verweisen, daß die Kennzeichnungskraft der für die Klägerin als dreidimensionale Marke eingetragenen äußeren Form der Praline in Form einer runden Kugel mit ungleichmäßiger Oberfläche vom Gericht eher als durchschnittlich bewertet wird; denn solche kugeligen Formen mit gleichfalls ungleichmäßiger Oberfläche sind bei Trüffel-Pralinen weithin üblich, so daß schon eine nähere Betrachtung erforderlich ist, um aufgrund der äußeren Form, nämlich der an der Oberfläche durch den Schokoladenüberzug durchschimmernden Mandelsplitter, erkennen zu können, daß es sich bei einer kugeligen Praline um die „T“-Praline handelt.
Die Form der Kugel betont die Klägerin in ihrer Werbung mit der Aussage, daß sich jemand „die Kugel“ gibt, oder in der Weise, daß in einem Werbespot die „T“-Praline in optischem Zusammenhang mit einer Roulettekugel gebracht wird. Die „nackte“ „X“-Praline weist diese Kugelform gerade nicht auf; wie ein noch geschlossener Champignon-Pilz weist sie einen großen gerundeten Kopf auf, der auf einem abgeschnittenen Fuß ruht, wobei diese glatte Fläche, auf dem die Praline steht, einen Durchmesser hat, der dem der „T“-Praline in etwa entspricht, von ihrer Dimension her also nicht übersehen werden kann. Die von Schokolade überzogenen Mandelsplitter umgeben im Gegensatz zur „T“-Praline die Praline nicht rundum, sondern nur im Bereich des Pilzkopfes.
Soweit das OLG Köln im vorausgegangenen Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung in seinem Urteil vom 28. 5. 2003 ausgeführt hat, daß die angesprochenen durchschnittlich aufmerksamen, verständigen und informierten Verbraucher die Praline der Beklagten trotz der glatten Fläche, auf der die Praline steht, gleichwohl als kugelförmig ansehen werden, weil die Form den Eindruck erwecke, daß der Versuch, in etwa eine runde Form zu erreichen, nicht bei allen Exemplaren gleichmäßig gut gelungen ist, vermag die Kammer diese Auffassung nicht zu teilen. Die Praline der Beklagten weist eine deutlich glatte Fläche auf, die schon von ihrer Dimension nicht zu übersehen ist, die aber auch deshalb nicht übersehen werden kann, weil sie beim Auspacken der ausschließlich in ihrer Umhüllung verkauften Praline als erstes vor die Augen des Verbrauchers tritt; denn die Öffnung der zusammengefalteten Folie liegt gerade über diesem Bereich der glatten Unterfläche der Praline. Um die Verpackung der einzelnen Praline zu öffnen, pflegt der Verbraucher aber gerade diesen Bereich, in dem sich der „Einstieg“ zum Aushüllen der Praline befindet, zu betrachten, so daß er nach dem Öffnen der Folie als erstes den glatten Boden der Praline sieht.
Der vom OLG angeführte Verbraucher wird die Praline der Beklagten auch nicht als mißlungene Kugelform ansehen, sondern die glatte Standfläche als ersichtlich gewollten Bestandteil der Pralinenform verstehen. Denn er kennt diese Form einer oben abgerundeten, auf einer glatten Fläche ruhenden Praline von einer Vielzahl von Pralinensorten her; da eine solche Form technisch leichter zu bewerkstelligen ist als eine rundum kugelige Form, worauf auch die Klägerin hinweist, ist diese Form vielfach gebräuchlich. Da dem Verbraucher diese „Pilzform“ vielfach von anderen Pralinen her bekannt ist, liegt es fern, daß er, wenn er die Praline der Beklagten eben in einer solchen Form vor sich hat, gerade bei dieser annimmt, die Herstellerin habe zwar eine kugelige Form beabsichtigt, diese sei ihr aber nicht bei allen Exemplaren gleichmäßig gut gelungen.
Die äußere dreidimensionale Form der Praline der Beklagten unterscheidet sich also hiernach deutlich von der für die Klägerin eingetragenen dreidimensionalen Marke. Soweit die Form der Praline der Beklagten es erlaubt, diese – aus einem bestimmten Blickwinkel aufgenommen – als Kugel erscheinen zu lassen, bestünde möglicherweise hinsichtlich einer Werbung mit solchen Abbildungen ein Unterlassungsanspruch; dies rechtfertigt jedoch nicht, das Anbieten solcher Pralinen mit einer tatsächlich nicht kugeligen Form zu untersagen.
Die Zusammensetzung der Praline – der innere ganze Haselußkern, der von einer Nugatschicht sowie einer Waffelschicht umgeben ist – ist nicht Gegenstand des Markenschutzes und kann dies auch nicht gemäß § 4 Nr. 2 MarkenG aufgrund Verkehrsgeltung sein.
Es besteht auch aufgrund von § 1 UWG kein Unterlassungsanspruch.
Die Zusammensetzung der Praline der Beklagten mag zwar weitgehend mit derjenigen der Klägerin übereinstimmen, und die äußere Form mag gewisse Ähnlichkeiten mit der „T“-Praline aufweisen. Gleichwohl vermag die Kammer nicht anzunehmen, daß aufgrund dieser Umstände beachtliche Teile des Verkehrs über die betriebliche Herkunft getäuscht werden, indem sie das Produkt der Beklagten als Schwester- oder Zweitprodukt von „T“ ansehen bzw. zwischen den Herstellern von „T“ und „X“ einen rechtlichen oder sonstigen Zusammenhang annehmen. Denn die Pralinen treten dem Verkehr bei der Kaufentscheidung nur in der jeweiligen Verpackung gegenüber. Diese unterscheidet sich jedoch so grundlegend, daß auch unter Berücksichtigung einer gesteigerten wettbewerblichen Eigenart des Produkts der Klägerin nicht davon ausgegangen werden kann, daß der Verkehr das Produkt der Beklagten als Zweitmarke der Klägerin ansieht bzw. einen geschäftlichen oder organisatorischen Zusammenhang der beteiligten Unternehmen annimmt.
Die Klägerin hat selbst wiederholt klargestellt, daß sie sich durch die von der Beklagten verwendete rote Farbe der einhüllenden Folie nicht gestört fühlt, sondern daß es ihr allein um den Inhalt der Verpackung geht. Tatsächlich sind die Verpackungen nicht verwechselbar. Durch den mattierten Goldton der zur Einhüllung der einzelnen Praline verwendeten Folie, durch die in Gold- und Brauntönen gehaltene Napfmanschette, in die jede einzelne „T“-Praline gesetzt ist, und durch den ovalen, mit Goldrand versehenen Aufkleber, der ebenfalls in Gold den Schriftzug „T“ enthält, wird der Eindruck eines hochwertigen Produkts und von Eleganz und Luxus erweckt.
Mit dem kräftigen Rot der Folie, mit dem jede einzelne „X“ eingewickelt ist, sowie dem aufgebrachten Schriftzug aus ungleichmäßigen Buchstaben, wie sie in marktschreierischer Werbung verwendet werden und die mit dem eleganten Schriftzug von „T“ nicht zu vergleichen sind, ist das Produkt der Beklagten von seiner äußeren Aufmachung her auf einem deutlich niedrigeren Niveau angesiedelt; der Eindruck von Luxus und Eleganz kann aufgrund dieser eher bunten Aufmachung nicht aufkommen.
Nicht zu übersehen ist auch auf jeder einzelnen Praline die Herkunftsbezeichnung „X“. In seiner „Viennetta“-Entscheidung (in WRP 2001, 534ff.) hatte der BGH darauf verwiesen, daß es der Verkehr bei Produkten des täglichen Bedarfs wie Speiseeis gewohnt ist, sich einer Fülle von Waren und Sortimenten gegenüberzusehen, die sich in ihrer äußeren Erscheinungsform und insbesondere in der Gestaltung ihrer Verpackung meist nicht wesentlich unterscheiden, sondern regelmäßig sehr stark ähneln, trotzdem aber von unterschiedlichen Herstellern stammen, weshalb es eher fernliegend erscheint, daß der Verkehr sowohl die Produktbezeichnung als auch die Herstellerangabe völlig vernachlässigt und sich ausschließlich an einem Gestaltungsmerkmal des Produkts orientiert. Wie für Speiseeis hat dies auch für Süßwaren und dort für Pralinen seine Gültigkeit. Nur weil er im Verkaufsregal einem Produkt begegnet, daß einem ihm bekannten Markenprodukt ähnlich ist, nimmt der Verbraucher trotz eines völlig anderen Charakters der Verpackung und trotz abweichender Herstellerangabe nicht eine Zweitmarke oder einen organisatorischen oder anderen Zusammenhang zu dem Hersteller des ihm bekannten Markenprodukts an; der Verbraucher erkennt vielmehr, daß er es mit einem ähnlichen Produkt eines anderen Herstellers zu tun hat.
Eine abweichende Vorstellung beim Verbraucher vermag auch nicht die von der Beklagten verwendete Plexiglasverpackung zu erwecken, die der von der Klägerin zum Angebot größerer Einheiten von „T“-Pralinen verwendeten Plexiglasverpackung ähnelt. Denn durch die Plexiglasumhüllung ist der darin befindliche Inhalt in deutlich von „T“ abweichender Einzel- umhüllung mit der abweichenden Herstellerangabe unschwer zu erkennen. Die Tatsache allein, daß die Ware überhaupt in einem Plexiglasbehältnis angeboten wird, ist zu einer Herkunftstäuschung nicht geeignet, weil die Klägerin für eine solche Art der Verpackungsform nicht das Monopol hat.
Soweit die Klägerin, losgelöst von der Verpackungsform, bei dem von ihr geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf die spätere Situation, nachdem die Praline aus der Einzelumhüllung genommen worden ist, um sie zu verzehren, abstellen will, vermag dies einen Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG ebenfalls nicht zu begründen. Denn abgesehen davon, daß die Herkunftsangabe sowie die Pralinenbezeichnung, die auf jeder einzelnen Pralinenumhüllung unübersehbar angebracht ist, ins Auge fällt, wenn die Praline zum Zwecke des Verzehrs ausgepackt wird, treten bei der im Zusammenhang mit dem Verzehr der Praline unumgänglichen näheren Befassung mit ihrer Form die Unterschiede, nämlich die fehlende Kugelform und ihr größerer Umfang, deutlich in den Vordergrund. Da sich die Praline der Beklagten angesichts ihres gößeren Umfangs im Vergleich zu der „T“-Praline schwerlich mit einem Mal in den Mund schieben läßt, sie vielmehr notwendig abgebissen werden muß, tritt die von einer Kugel abweichende Form auch bei dem dann sichtbar werdenden Querschnitt deutlich zu Tage. Demgegenüber reicht die Ähnlichkeit der Zusammensetzung der Praline für eine Herkunftstäuschung nicht aus, zumal der Verbraucher es gewohnt ist, daß es von unterschiedlichen Herstellern Pralinen mehr oder weniger ähnlicher Art und Zusammensetzung gibt.
Liegt hiernach eine Verletzungshandlung seitens der Beklagten nicht vor, sind auch die auf Auskunftserteilung und Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung gerichteten Anträge unbegründet.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
Streitwert: EUR 1.950.000,00