Zum Thema Markenrecht hat das Oberlandesgericht Köln am 31.08.2007 die unten veröffentlichte Entscheidung getroffen. Wenn Sie rechtliche Fragen zum Thema haben oder einen Rechtsanwalt benötigen, rufen Sie uns an 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit).
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Konkret hat das Oberlandesgericht Köln folgendes entschieden:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9.2.2007 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 81 O 174/06 – geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistung beträgt 110% des zu vollstreckenden Betrages.
Die Revision wird zugelassen.
B e g r ü n d u n g
I.
Die Parteien sind Mitbewerber auf dem Markt für Erotikartikel. Sie vertreiben ihre Waren über das Internet. Die Klägerin ist Inhaberin der Marke “G.”, welche die Beklagte als B. verwendet. Die Klägerin sieht darin eine Verletzung ihres Markenrechts und ein unlauteres Verhalten. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Auskunftserteilung in Anspruch und verlangt zudem Feststellung einer Schadenersatzpflicht.
Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 9.2.2007, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen wird, antragsgemäß stattgegeben. Es hat in der Verwendung einer fremden Marke als B. eine markenmäßige Benutzung gesehen und unter Annahme der weiteren Voraussetzungen des § 14 MarkenG einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch für gegeben erachtet.
Im Berufungsverfahren, in dem die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter verfolgt, wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt Zurückweisung der Berufung.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Das Landgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Verwendung eines fremden Kennzeichens als B. begründet mangels markenmäßiger Benutzung des Kennzeichens keine markenrechtlichen Ansprüche. Auch in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht ist das Verhalten der Beklagten nicht zu beanstanden.
1. Ein Anspruch nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG scheitert bereits an dem Erfordernis einer markenmäßigen Benutzung. Die Grundsätze der BGH-Entscheidung “Impuls” (GRUR 2007, 65, 66 f), wonach die Verwendung eines Unternehmenskennzeichens als Metatag eine kennzeichenmäßige Benutzung darstellt, lassen sich entgegen einer in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum vertretenen Ansicht nicht auf B.s übertragen (so auch LG Berlin MD 2007, 407, 408; LG Hamburg MMR 2005, 631, 633; LG Leipzig MMR 2005, 622, 623; LG München, Urt. v. 26.6.2007 – 9 HK O 980/06; a.A. OLG Braunschweig GRUR-RR 2007, 71 und Urt. v. 12.7.2007 – 2 U 47/07; Eichelberger, MarkenR 2007, 84; offen gelassen OLG Düsseldorf WRP 2007, 440 ff). Nach Auffassung des Senats können die Erwägungen, die den BGH bei der Verwendung von Metatags eine kennzeichenmäßige Benutzung bejahen lassen, eine solche im Fall des Keyword-Advertising nicht begründen. Eine markenmäßige Benutzung ist hier zu verneinen.
a) Ein markenmäßiger Gebrauch setzt voraus, dass das von der Beklagten benutzte Zeichen aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise im Rahmen des Produktabsatzes auch dazu dient, Waren des einen Herstellers von denen anderer zu unterscheiden. An der markenmäßigen Verwendung fehlt es, wenn der Verkehr in dem in die Suchmaske eingegebenen Begriff “G.” keinen Hinweis auf die Herkunft der anschließend angebotenen Ware sieht. Die angesprochenen Verkehrskreise bestehen aus den Nutzern des Internets. Es kommt somit darauf an, welche Vorstellung ein Internetnutzer hat, wenn er “G.” in die Suchmaske eingibt und sodann über und neben der Trefferliste die Werbeanzeigen der Beklagten erscheinen.
b) An einer markenmäßigen Benutzung bestehen schon deshalb Zweifel, weil B.s ebenso wie Metatags nicht unmittelbar mit den menschlichen Sinnen wahrnehmbar sind. Sie richten sich ausschließlich an das Programm einer Suchmaschine. Nach Ansicht des BGH steht diese fehlende visuelle Wahrnehmbarkeit der Marke bei der Verwendung einer Marke als Metatag einer markenrechtlich relevanten Benutzungshandlung allerdings nicht entgegen (BGH GRUR 2007, 65, 66 – Impuls). Dies lässt sich damit begründen, dass der Internetnutzer bei dem Erscheinen der Trefferliste davon ausgehe, das jeweils eingegebene Suchwort beeinflusse das Ergebnis der Trefferliste und zeige infolgedessen die Seite des Konkurrenten an. Entgegen der Ansicht des OLG Braunschweig ist diese für Metatags zutreffende Argumentation aber nicht auf B.s übertragbar. Der durchschnittliche Nutzer weiß nicht, dass das Suchwort nicht nur den Inhalt der Trefferliste, sondern auch den des Anzeigenteils beeinflusst. Er macht sich keine Gedanken darüber, warum die Werbung des Konkurrenten neben der Trefferliste erscheint und ob dies mit der Eingabe seines Suchwortes zusammenhängt. Aus Sicht der maßgeblichen Nutzer ist daher schon keine Benutzung einer Marke gegeben.
c) Doch selbst wenn einigen Nutzern bekannt sein sollte, dass die Suchworteingabe nicht nur das Ergebnis der Trefferliste, sondern auch das des Anzeigenteils beeinflusst, fehlt es an einer zeichenmäßigen Benutzung, da durch die Verwendung der Marke als B. keine Vorstellungen über die Herkunft der vom Werbenden angebotenen Ware hervorgerufen werden (Ullmann, GRUR 2007, 633, 638; Illmer, WRP 2007, 399, 402). Insoweit vermag sich der erkennende Senat nicht den Ausführungen des OLG Braunschweig anzuschließen, es mache keinen Unterschied, ob das von der Suchmaschine gefundene Ergebnis in der Trefferliste aufgeführt werde oder im Anzeigenteil erscheine. Das OLG Braunschweig geht davon aus, durch die Eingabe des Suchwortes werde eine gedankliche Verknüpfung erzeugt, die den Eindruck entstehen lasse, dass auch im Anzeigenteil Leistungen des Unternehmens der Klägerin gelistet werden. Dies sieht der erkennende Senat anders. Selbst wenn der Nutzer durch die Eingabe der Marke der Klägerin auch zu den Produkten der Beklagten geführt wird, so löst dies keine herkunftsbezogenen Vorstellungen dergestalt aus, dass die Produkte der Beklagten mit der Marke der Klägerin gekennzeichnet würden. Der Nutzer differenziert zwischen den beiden räumlich und farblich getrennten Plattformen, die ihm nach der Eingabe des Suchwortes dargeboten werden (Ullmann, GRUR 2007, 633, 638). Er wird daher nicht annehmen, die Angaben in der Trefferliste hätten die gleiche Verbindung zum Suchbegriff wie die Angaben in dem als solchen gekennzeichneten Anzeigenteil. Möglicherweise geht der Nutzer davon aus, dass die Ergebnisse im Anzeigenteil mit dem eingegebenen Suchbegriff thematisch in Verbindung stehen, aber jedenfalls nicht herkunftsmäßig (so auch Illmer, WRP 2007, 399, 403, Hüsch, K&R 2006, 223, 224; Ott, Anmerkung zu LG Braunschweig MMR 2007, 121, 123). Wollte man den vom OLG Braunschweig angeführten Vergleich der Suchmaschine mit den Aufgaben eines Verkäufers aufgreifen, der die vom Nutzer benannten Produkte heraussucht, dann ist die Überschrift “Anzeige” im Internet gleichzusetzen mit dem Hinweis des Verkäufers, dass es sich bei den hier angebotenen Produkten um Kaufalternativen handelt. Das Zeichen der Klägerin wird daher in seiner Herkunftsfunktion nicht beeinträchtigt.
d) Die gegenteilige Auffassung führt nach Ansicht des Senats auch nicht zu befriedigenden Ergebnissen. Die Bejahung der markenmäßigen Benutzung hat in den bei der Verwendung des Zeichens als B. typischen Situation der Identität von Zeichen und Dienstleistungen die Anwendung des § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkG zur Folge. Der B.-Einsatz des Zeichens wäre daher auch in Fallgestaltungen zu untersagen, in denen Verwechslungsgefahren nicht zu besorgen wären.
2. Das Verhalten der Beklagten stellt auch keine gezielte Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG unter dem Gesichtspunkt des unlauteren Abfangens von Kunden dar.
a) Da mit jeder Wettbewerbshandlung die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeit des Mitbewerbers einher geht, müssen weitere Merkmale hinzutreten, damit von einer wettbewerbswidrigen Beeinträchtigung und damit von einer unzulässigen individuellen Behinderung gesprochen werden kann (BGH GRUR 2001, 1061, 1062 – Mitwohnzentrale; BGH GRUR 2004, 877, 879 – Werbeblocker). Steht das Abfangen von Kunden in Rede, ist zu berücksichtigen, dass niemand einen Anspruch auf Erhaltung seines Kundenstamms hat. Es gehört vielmehr zum Wesen des Wettbewerbs, dass Kunden abgeworben werden. Folglich kann es einem Anbieter nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er sich um (potenzielle) Kunden seines Mitbewerbers bemüht. Ein unlauteres Abfangen von Kunden liegt nur dann vor, wenn sich der Werbende gewissermaßen zwischen den Mitbewerber und dessen (potenziellen) Kunden stellt, um durch unsachliche Beeinflussung des Kunden in bestehende Kundenbeziehungen einzudringen (BGH GRUR 2004, 704 – Verabschiedungsschreiben) oder um ihm eine Änderung seines Kaufentschlusses aufzudrängen (BGH GRUR 2001, 1061, 1063 – Mitwohnzentrale). Entscheiden sich die (potenziellen) Kunden bewusst und ohne unsachliche Beeinflussung dafür, vom Angebot der betroffenen Mitbewerber zunächst einmal Abstand zu nehmen, ist dies nicht unlauter (so auch BGH GRUR 2004, 877, 879 – Werbeblocker). Ein solcher Fall liegt hier vor.
b) Der Internetnutzer, der die Marke der Klägerin als Suchwort eingibt, ist keineswegs schon zum Kauf entschlossen. Es kann mithin nicht angenommen werden, durch das Verhalten der Beklagten werde ein Kunde zu einer Änderung eines schon gefassten Kaufentschlusses gedrängt. Der Nutzer ist dabei, sich zu informieren und allenfalls auf dem Weg in den “virtuellen Laden” der Klägerin. Hierbei wird er nicht von der Klägerin abgelenkt, denn deren Homepage erscheint weiterhin unbeeinträchtigt in der Trefferliste. Der Nutzer wird lediglich auch zur Werbung der Beklagten hingelenkt (Köhler in Bornkamm/Köhler, 25. Aufl. 2007, § 4 Rn. 10.31) und erhält damit Informationen über weitere Kaufmöglichkeiten: Soweit einige Formulierungen in der eine Kostenbeschwerde betreffenden Senatsentscheidung K & R 2006, 240, 241 ein anderes Verständnis nahe legen, wird daran nicht festgehalten.
In dieser rechtlichen Beurteilung vermag der Senat keinen unvereinbaren Widerspruch zu der Rechtsprechung des BGH zu sehen, in der er die sog. Handzettelwerbung als unlauter beurteilt hat, also zu Fällen, in denen sich ein Mitbewerber gezielt vor das Geschäft des Konkurrenten stellt und an diejenigen, die es betreten wollen, Handzettel verteilt (BGH GRUR 1963, 197, 200 – Zahnprothesen-Pflegemittel; vgl. auch BGH GRUR 1986, 547, 548 – Handzettelwerbung, wo der BGH allerdings aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles einen Wettbewerbsverstoß verneinte). Diese Rechtsprechung stammt aus einer Zeit vor der Liberalisierung des Wettbewerbsrechts und kann heute nicht mehr ohne Weiteres Geltung beanspruchen. Das Keyword-Advertising stellt auch nicht etwa einen gravierenderen Eingriff in die Interessen des Mitbewerbers dar als die Handzettelwerbung. Das Argument, das Umlenken im Internet werde – im Gegensatz zu einem realen Einkauf – dadurch erleichtert, dass das alternative Angebot nur einen “Klick” entfernt sei, vermag nicht zu überzeugen. Denn der Nutzer kann genauso leicht – nämlich durch einen “Klick” – wieder zum ursprünglich avisierten Anbieter zurückkehren.
c) Etwaige Anhaltspunkte dafür, dass der konkrete Inhalt der streitgegenständlichen Werbeanzeigen der Beklagten mit dem Lauterkeitsrecht nicht vereinbar ist, sind nicht ersichtlich. Allerdings heißt es in der ersten im Klageantrag zu 1) in Bezug genommenen Anzeige, dass die Erotikartikel der Beklagten “bis 80 % günstiger als Andere!” seien. Durch die nahe Platzierung der Anzeige bei der Benennung der Klägerin auf der Google-Seite kann der Verbraucher annehmen, der besagte Preisvorteil errechne sich gerade auch im Verhältnis zu den Artikeln der Klägerin. Wie mit den Parteien in der Berufungsverhandlung erörtert worden ist, ist indessen weder vorgetragen noch sonst aus den Akten ersichtlich, dass die Angabe bei diesem Verständnis unwahr und daher irreführend wäre.
3. Die Verwendung eines fremden Kennzeichens als B. vermag auch keinen Wettbewerbsverstoß unter dem Gesichtspunkt der Rufausbeutung nach § 4 Nr. 9 lit. b UWG zu begründen. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen nicht vor, weil die Beklagte weder Waren noch Dienstleistungen der Klägerin nachahmt. Ob man die mit der Kennzeichenverwendung verbundene Rufausbeutung unter die Fallgruppe der gezielten Behinderung nach § 4 Nr. 10 UWG (so Köhler in Köhler/Bornkamm, § 4 Rn. 10.82) oder unter die Generalklausel § 3 UWG fasst, kann letztlich ebenso dahinstehen wie die Frage, ob das Lauterkeitsrecht neben dem Markenrecht überhaupt Anwendung findet, denn die Voraussetzungen für eine Rufausbeutung sind nicht gegeben. Es fehlt an dem für eine Rufausbeutung notwendigen Imagetransfer (BGH GRUR 2005, 349, 353 – Klemmbausteine). Wenn das Erscheinen einer Werbung als Ergebnis einer Eingabe eines kennzeichenrechtlich geschützten Suchwortes beim Nutzer nicht einmal zu einer herkunftsbezogenen Vorstellung führt, so ist sie erst recht nicht geeignet, einen Imagetransfer zwischen Suchwort und Werbenden hervorzurufen (Illmer, WRP 2007, 399, 404).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 108 ZPO.
Angesichts der unterschiedlichen instanzgerichtlichen Rechtsprechung war die Revision nach § 543 II Nr. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.
Der Schriftsatz der Klägerin vom 29.08.2007 gab keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.