Zum Thema Markenrecht hat das Oberlandesgericht Köln am 08.10.2010 die unten veröffentlichte Entscheidung getroffen. Wenn Sie rechtliche Fragen zum Thema haben oder einen Rechtsanwalt benötigen, rufen Sie uns an 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit).
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Konkret hat das Oberlandesgericht Köln folgendes entschieden:
I.
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 12.04.2010 verkündete Teilversäumnis- und Schlussurteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen – 1 O 517/09 – teilweise abgeändert.
1.
Die Verurteilung der Beklagten zu 1.) und 2.) wird im Wege des Versäumnisurteils
klarstellend dahin neu gefasst
und die Beklagten zu 3.) und 4.) werden neben den Beklagten zu 1.) und 2.)
verurteilt,
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall der Beklagten zu 3.) zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs per E-Mail-Sendung gegenüber Dritten für Reiseleistungen zu werben und/oder werben zu lassen,
ohne dass deren Einwilligung vorliegt,
wenn dies geschieht wie am 26.03.2009 und 21.04.2009 gegenüber Herrn E G, …, …,
wie nachfolgend wiedergegeben:
(Bild/Grafik nur in Originalentscheidung vorhanden)
2.
Die Beklagten zu 3.) und 4.) werden neben den Beklagten zu 1.) und 2.) verurteilt,
der Klägerin Auskunft zu erteilen und in geordneter Weise Rechnung zu legen über den Umfang der vorstehend zu Nr. 1 bezeichneten Werbehandlungen, soweit diese seit dem 21.04.2009 gegen 18:02 Uhr begangen wurden, und zwar unter Angabe
a) der Anzahl der versandten Werbenachrichten
b) der Zeitpunkte der Versendung der Werbenachrichten
c) der Namen und Anschriften der Personen, die die Versendung der Werbenachrichten (mit-) ausgeführt haben
d) der Namen, Adressen und Zielrufnummern der angesprochenen Werbeadressaten unter Kennzeichnung derjenigen angesprochenen Werbeadressaten, welche unter Bezug nahme auf die Werbenachricht Bestellungen abgegeben haben
e) die Art und Menge der Dienstleistungen, die auf Grund der vorgenannten Bestellungen erbracht wurden
f) die Namen und Anschriften der Erbringer dieser Dienstleistungen
g) der Umsätze, die die Beklagten mit der Ausführung der vorgenannten Bestellungen erzielten.
3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 3.) und 4.) mit den bereits verurteilten Beklagten zu 1.) und 2.) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend zu Nr. 1 bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
4.
Die Beklagten zu 1.) bis 4.) werden – zu 1.) und 2.) im Wege des Versäumnisurteils – als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 595,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.12.2009 zu zahlen.
Die Beklagten zu 1.) und 2.) werden außerdem im Wege des Versäumnisurteils als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 703,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.12.2009 zu zahlen.
5.
Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen .
II.
Die Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben in erster Instanz die Beklagten zu 1.) bis 4.) zu 1/13 als Gesamtschuldner und im Übrigen zu gleichen Teilen, in zweiter Instanz die Beklagten zu 3.) und 4.) zu 1/7 als Gesamtschuldner und im Übrigen zu gleichen Teilen zu tragen. Die Beklagten tragen ihre eigenen außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
V.
Der Streitwert wird in Abänderung der Festsetzung im Urteil des Landgerichts Aachen – 1 O 517/09 – vom 12.04.2010 und der vorläufigen Festsetzung im Senatsbeschluss vom 18.05.2010 endgültig wie folgt festgesetzt:
1. Instanz
Unterlassung je Beklagte(n) 6.000,00 EUR, insges. 24.000,00 EUR
Auskunft und Schadensersatzfeststellung 2.000,00 EUR
_________
26.000,00 EUR
2. Instanz
Unterlassung je Beklagte(n) 6.000,00 EUR, insges. 12.000,00 EUR
Auskunft und Schadensersatzfeststellung 2.000,00 EUR
_________
14.000,00 EUR
G r ü n d e
I.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstand wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen. Das Landgericht hat die nicht anwaltlich vertretenen Beklagten zu 1.) und 2.) – nach vorauslaufendem Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Rostock – im Wesentlichen antragsgemäß zu Unterlassung und Auskunft verurteilt und ihre Schadensersatzpflicht festgestellt, den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch und die gesamte gegen die Beklagten zu 3.) und 4.) gerichtete Klage dagegen abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin den abgewiesenen Teil ihrer Anträge in vollem Umfang weiter. Die Beklagten zu 3.) und 4.) verteidigen das Urteil, soweit es sie betrifft.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg.
1. Der auf §§ 3, 7 Abs. 1 und 2 Nr. 3, 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1 UWG gestützte Unterlassungsantrag der Klägerin orientiert sich, um den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen, an den Umständen der beiden am 26.03.2009 und 21.04.2009 an Herrn G per E-Mail versandten Werbenachrichten als konkreter Verletzungsform (vgl. BGH, MMR 2010, 183 [Rn. 12]), was der Senat in Bezug auf alle vier Beklagten durch Einblendung der betreffenden Werbenachrichten (Anlagen K 18 und 22) redaktionell klargestellt hat; eine Teilabweisung des Petitums der Klägerin ist damit nicht verbunden.
2. Für die – jedenfalls in zweiter Instanz unstreitige – Übermittlung der beiden Werbenachrichten an Herrn G ohne seine vorherige ausdrückliche Einwilligung nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG und ohne Vorliegen einer der Ausnahmen des § 7 Abs. 3 UWG haften der Klägerin als aktiv legitimierter Mitbewerberin neben dem tatsächlichem Absender – dem Beklagten zu 1.) – und dessen Auftraggeberin und namentlich bezeichneter Werbeverantwortlichen – der Beklagten zu 2.) – auch die Beklagten zu 3.) und 4.).
Wie vom Landgericht im Ansatz zutreffend erkannt, kommt es für die Verantwortlichkeit der Beklagten zu 3.) und 4.) als Träger wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten (nicht als „Störer“, vgl. BGHZ 173, 188 = GRUR 2007, 890 [Rn. 36 ff.] – Jugendgefährdende Medien bei eBay; BGHZ 180, 134 = GRUR 2009, 597 [Rn. 16] – Halzband; Senat, Urt. v. 27.08.2010 – 6 U 43/10; Köhler / Bornkamm, UWG, § 8 Rn. 2.5a-5b, 2.12-14a) im Rahmen des von ihnen eingerichteten Internet-Vertriebssystems vor allem auf das Unterlassen zumutbarer Überprüfungsmaßnahmen an.
Unabhängig davon besteht indessen eine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung für Verstöße „ausgelagerter“ Mitarbeiter oder Beauftragter des Unternehmens gemäß § 8 Abs. 2 UWG. In arbeitsteiligen Unternehmen und Unternehmensverbünden haftet der Unternehmensträger ohne Entlastungsmöglichkeit für wettbewerbswidriges Verhalten auch der Leiter abgrenzbarer Unternehmensteile (vgl. BGH, GRUR 2000, 907 [909] = WRP 2000, 1258 – Filialleiterfehler) und selbständiger Werbepartner, wenn diese so in die betriebliche Organisation eingegliedert sind, dass der Erfolg ihrer Geschäftstätigkeit ihm zu Gute kommt und er entweder einen bestimmenden, durchsetzbaren Einfluss auf die Tätigkeit der Partner hat, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt, oder er sich einen solchen Einfluss sichern konnte und musste; denn er soll sich bei seiner Haftung nicht hinter abhängigen Dritten verstecken können und das von ihm in gewisser Weise beherrschte Risiko der ihm zu Gute kommenden Erweiterung des Geschäftsbetriebs tragen (BGH, GRUR 2009, 1167 [21, 25] = WRP 2009, 1520 – Partnerprogramm m.w.N. zu § 14 Abs. 7 MarkenG). Der weite Begriff der Betriebsorganisation umfasst unter anderem selbständige Handelsvertreter, Werbeagenturen und Mitglieder von Absatzorganisationen (Köhler / Bornkamm, a.a.O., Rn. 2.41 ff.; Götting / Nordemann / Schmitz-Fohrmann / Schwab, UWG, § 8 Rn. 87 ff.).
Die Beklagte zu 2.) ist im vorgenannten Sinn in die Betriebsorganisation der Beklagten zu 3.) eingegliedert. Sie tritt unter Verwendung ihres Unternehmensschlagworts als „TMG Reisevermittler“ auf und nutzt für ihre Kontaktdaten „on-tour.reisepreisvergleich.de“ und „on-tour@reisepreisvergleich.de“ die vom Beklagten zu 4.) gehaltene Domain „reisepreisvergleich.de“, unter der im Impressum der Internetseite die Beklagte zu 3.) und der Beklagte zu 4.) als ihr Geschäftsführer erscheinen. Nach der Berufungserwiderung ist die Beklagte zu 2.) zudem provisionsberechtigte Handelsvertreterin der mit dem Absatz ihrer Reiseleistungen betrauten Konzernschwester der Beklagten zu 3.), der TMG Vertrieb GmbH, deren 49-%-iger Gesellschafter der Beklagte zu 4.) ist und die ihrerseits auf Provisionsbasis für die Beklagte zu 3.) tätig wird, so dass die Beklagte zu 2.) mit der Beklagten zu 3.) jedenfalls über ein mehrstufiges Auftragsverhältnis verbunden ist.
Bei der zweiten Werbenachricht vom 21.04.2009 kommt hinzu, dass die Beklagte zu 3.) in der Person des Beklagten zu 4.) als ihres Geschäftsführers zuvor durch Herrn G auf das Fehlverhalten der Beklagten zu 2.) aufmerksam gemacht worden waren (Anlage K 01). Vor diesem Hintergrund belegt die erneut gegen § 7 UWG verstoßende Werbenachricht – unabhängig von der ohnehin und schon in Bezug auf die erste Werbenachricht vom 26.03.2009 bestehenden Verantwortlichkeit der Beklagten aus § 8 Abs. 2 UWG – eine schuldhafte Verletzung zumutbarer Überprüfungs- und Instruktionspflichten, da sich die Beklagten nicht darauf beschränken durften, wie in ihrer Antwort vom 06.04.2009 den beschwerdeführenden Herrn G auf die Verantwortlichkeit ihrer freien Mitarbeiterin zu verweisen, sondern aus gegebenem Anlass spätestens jetzt auch selbst auf sie hätten einwirken und auf die Beachtung der Regeln des Wettbewerbs hätten dringen müssen.
3. Die Annexansprüche auf vorbereitende Auskunft und Schadensersatzfeststellung sind aus § 9 UWG, § 242 BGB, § 256 ZPO zulässig und begründet.
4. Ersatz der Abmahnkosten kann die Klägerin gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG von allen Beklagten verlangen. Die Abmahnung vom 29.05.2009 war berechtigt. Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, lag ihr eine Wiederholungsgefahr begründende Verletzung des Wettbewerbsrechts zu Grunde, die nicht durch strafbewehrte Unterlassungserklärung der Beklagten entfallen war. Sie war auch nicht offenkundig entbehrlich (vgl. Köhler / Bornkamm, UWG, § 12 Rn. 1.43-45; 1.55; 1.81-82), nachdem die Beklagten zuvor von Herrn G (lediglich) mit nicht-wettbewerbsrechtlicher Begründung abgemahnt worden waren. Die daneben von den Beklagten zu 1.) und 2.) verlangten Kosten des Abschlussschreibens vom 14.08.2009 sind zur Vorbereitung der Hauptsacheklage entstanden und analog § 12 Abs. 1 S. 2 UWG ersatzfähig.
Der Höhe nach begegnet der Ansatz je einer 1,3-Gebühr keinen Bedenken. Abweichend von der Berechnung der Klägerin war es allerdings ausreichend und angemessen, für den Unterlassungsanspruch gegenüber jedem der Beklagten einen Gegenstandswert von 6.000,00 EUR anzusetzen, woraus sich ein Wert von 24.000,00 EUR für die Abmahnung und von 12.000,00 EUR (geringfügig mehr als vom Landgericht Rostock im Verfügungsverfahren angenommen) für das Abschlussschreiben ergibt. Damit ergeben sich Kosten der Abmahnung von (891,80 EUR + 20,00 EUR ./. 315,90 EUR =) 595,90 EUR und des Abschlussschreibens von (683,80 EUR + 20,00 EUR =) 703,80 EUR. Die weitergehende Klage und Berufung ist unbegründet.
5. Den Gegenstandswerten der vorgerichtlichen Tätigkeit entspricht bei den Unterlassungsansprüchen die von Amts wegen geänderte Streitwertfestsetzung für das gerichtliche Verfahren beider Instanzen (§ 63 Abs. 3 GKG); das den Wert der Annexansprüche bestimmende Interesse der Klägerin schätzt der Senat auf 2.000,00 EUR. Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten bleibt daneben außer Ansatz (§ 43 Abs. 1 GKG).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 100 Abs. 1 und 4 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO war nicht veranlasst.