Vor dem Landgericht München I fand ein Aufsehen erregender Prozess um das Kultgetränk „Spezi“ statt. Die Markenrechte an dem Namen hält nämlich die Brauerei Riegele. Doch auch die Brauerei Paulaner nennt ihr Getränk „Spezi“ – und beruft sich dabei auf eine über 50 Jahre alte Vereinbarung. Doch kann die noch Bestand haben? Oder muss Paulaner bald 5 Millionen Euro jährlich an Lizenzgebühren an Riegele abdrücken?
„Spezi“ ist nicht nur der umgangssprachliche Name für das beliebte Cola-Fanta-Mischgetränk, sondern auch eine Marke. Rechteinhaberin an „Spezi“ ist die Brauerei Riegele aus Augsburg – und das schon seit 1965.
Es gibt allerdings auch andere Getränkehersteller, die offiziell „Spezi“ vertreiben. Einer davon ist die bekannte Brauerei Paulaner. Dabei beruft sie sich auf eine besonders alte Vereinbarung der beiden Brauereien von 1974: Gegen eine Zahlung von damals einmalig 10.000 Mark sei es ihr für immer gestattet, ihr eigenes Cola-Orangenlimo-Mischgetränk herzustellen und unter dem Namen „Spezi“ zu vertreiben. Riegele möchte aber an der fast fünfzig Jahre alte Vereinbarung nicht mehr festhalten und hat deswegen im Mai 2021 die Kündigung erklärt.
Ob dies rechtens war, musste nun das Landgericht München I (LG) im Rahmen einer Feststellungsklage von Paulaner und einer Widerklage von Riegele klären. Es geht um die Kernfrage, ob Paulaner sein Mischgetränk allein aufgrund der Vereinbarung von 1974 weiterhin Spezi nennen darf. Eine erste Verhandlung fand am Montag, den 27. Juni 2022, statt.
War die alte Vereinbarung unkündbar?
Eine der wichtigsten offenen Fragen im Verfahren war, worum es sich überhaupt bei der Vereinbarung von 1974 handelte.
Die Brauerei Paulaner berief sich auf die Unkündbarkeit der Vereinbarung von 1974. Es habe sich damals lediglich um eine Abgrenzungsvereinbarung gehandelt, sodass beide Getränke nebeneinander vertrieben werden konnten. Damals sei eine einmalige Abstandszahlung vereinbart worden, durch die Paulaner sein eigenes Spezi vertreiben dürfe. Außerdem sei Spezi inzwischen eine Gattungsbezeichnung für Cola-Limo-Mischungen geworden.
Riegele ist hingegen der Meinung, es handele sich um einen Lizenzvertrag, den man kündigen könnte. Dementsprechend möchten sie nun einen neuen Lizenzvertrag mit Paulaner schließen. Außerdem ist die Brauerei der Auffassung, aufgrund diverser Änderungen im Unternehmen und Rechtsnachfolgen sei die heutige Paulaner Brauerei Gruppe nicht die Rechtsnachfolgerin der Paulaner-Salvator Thomasbräu, mit der die damalige Vereinbarung über die Nutzung der Marke „Spezi“ getroffen worden war.
Die Brauerei Riegele möchte stattdessen – wie mit anderen Getränkeherstellern – mit Paulaner einen neuen Lizenzvertrag schließen und regelmäßig Lizenzgebühren von Paulaner für die Nutzung der Marke „Spezi“ erhalten. Paulaner müsste entsprechend der von ihr produzierten Menge Spezi rund 5 Millionen Euro im Jahr zahlen.
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Das LG München I hat mit Urteil vom 11.10.2022 festgestellt, dass die zwischen den Brauereien getroffene Vereinbarung zur Berechtigung der Nutzung der Bezeichnung „PAULANER Spezi“ für ein Mischgetränk aus Limonade und Cola aus dem Jahr 1974 fortbestehe (Az. 33 O 10784/21). Damit darf die Klägerin die Bezeichnung „PAULANER Spezi“ weiter nutzen. Das Gericht erkannte die Brauerei Paulaner als Rechtsnachfolgerin an. Zudem erachtete es die Vereinbarung von 1974 als weiterhin wirksam und fortbestehend.
Zur Überzeugung des Gerichts sei die Vereinbarung von 1974 nicht als Lizenzvertrag, sondern als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung auszulegen. Hierfür spreche bereits, so das Gericht, dass die ursprünglich vorgesehene Überschrift des Vertragsdokuments noch vor Vertragsunterzeichnung von „Lizenzvertrag“ in „Vereinbarung“ abgeändert worden sei, sowie weitere Begleitumstände des Vertragsschlusses. So sei mit der Vereinbarung aus dem Jahr 1974 eine endgültige Beilegung bestehender Streitigkeiten zwischen den Parteien beabsichtigt gewesen. Im Vertrauen auf die endgültige Beilegung habe Paulaner erhebliche Investitionen in den Aufbau ihrer Marke getroffen.
Nach Auffassung des Gerichts sind markenrechtliche Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen – im Gegensatz zu Lizenzverträgen – nicht ordentlich kündbar. Denn die Schutzdauer eingetragener Markenrechte könne durch einfache Gebührenzahlung unbegrenzt verlängert werden.
Das berechtigte Bedürfnis nach einer Abgrenzung der Benutzungsbefugnisse für (tatsächlich oder vermeintlich) verwechslungsfähige Zeichen bestehe deshalb ebenfalls regelmäßig zeitlich unbegrenzt, zumal wenn – wie im Streitfall – mit dem Abschluss der Koexistenz- bzw. Abgrenzungsvereinbarung eine endgültige Beilegung bestehender Meinungsverschiedenheiten beabsichtigt worden sei, und die Parteien im Anschluss an diese Vereinbarung im Vertrauen auf deren Bestand vorhersehbar erhebliche Investitionen in ihren jeweiligen Markenaufbau getätigt hätten.
Für eine außerordentliche Kündigung durch die Beklagte habe die Klägerin keinen Anlass gegeben, da sie sich stets vertragstreu verhalten habe, so die Richter des LG München.
Das Gericht führt hierzu in seinem Urteil aus: „Die Klägerin hält die vertraglichen Vereinbarungen unbestritten ein, und Jahrzehnte nach Abschluss der Vereinbarung eingetretene Vertragsreue als Ausfluss des Wunsches der Beklagten, am beachtlichen wirtschaftlichen Erfolg der Klägerin zu partizipieren, stellt keinen wichtigen Grund im Rechtssinne dar.“
Die im Rahmen einer Widerklage geltend gemachten markenrechtlichen Ansprüche der Brauerei Riegele auf Unterlassung, Auskunft und Schadenersatz wies die Kammer wegen des Fortbestehens der Vereinbarung aus dem Jahr 1974 zwischen den Parteien als unbegründet zurück.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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mha/tsp