„Île de Beauté“: In den Augen vieler französischen Verbraucher ist dies eine Bezeichnung für die Insel Korsika, so auch die Auffassung der EU-Kommission. In einem Fall vor dem EuG ging es daher um die Frage, ob der Begriff „Île de Beauté“ bei der Bezeichnung von Schinken den Begriff „Corse“ nachahme. In diesem Zusammenhang entschied das Gericht die spannende Frage, ob die EU-Kommission ihre Beurteilung auch unabhängig von vorherigen Entscheidungen nationaler Behörden und Gerichte treffen könne.
Die EU-Kommission durfte eigenständig darüber entscheiden, welche Namen als geschützte geografische Angaben eingetragen werden – das entschied nun der Gerichtshof der Europäischen Union (EuG). Die EU-Kommission sei laut dem EuG somit nicht an frühere Bewertungen von nationalen Behörden und Gerichten gebunden, sondern ihr stehe ein eigenständiges Ermessen zu (Urteil vom 12.07.2023, Rs. T-34/22).
Im Jahr 2014 wurden die Namen „Jambon sec de Corse“/„Jambon sec de Corse – Prisuttu“, „Lonzo de Corse“/„Lonzo de Corse – Lonzu“ und „Coppa de Corse“/„Coppa de Corse – Coppa di Corsica“ 2014 als sogenannte geschützte Ursprungsbezeichnungen im entsprechenden Register eingetragen. Im Jahr 2015 beantragte ein Interessenverband korsischer Metzger bei den französischen Behörden die Eintragung der Namen „Jambon sec de l’Île de Beauté“, „Lonzo de l’Ȋle de Beauté“ und „Coppa de l’Ȋle de Beauté“ als sogenannte geschützte geografische Angaben.
Soforthilfe vom Anwalt
Sie brauchen rechtliche Beratung? Rufen Sie uns an für eine kostenlose Ersteinschätzung oder nutzen Sie unser Kontaktformular.
2018 erließen genau diese Behörden Verordnungen zur Genehmigung der entsprechenden Produktspezifikationen, damit diese der Europäischen Kommission zur Genehmigung übermittelt werden konnten. Der die Produktspezifikationen innehabende Verband, der wie oben geschildert seit 2014 unter anderem die geschützte Ursprungsbezeichnung „Jambon sec de Corse – Prisuttu“ innehat, reichte daraufhin eine Klage beim Staatsrat Frankreich (Conseil d’État) ein, um die Nichtigerklärung dieser Verordnungen zu erwirken.
(Keine) Verwechslungsgefahr?
Während der klagende Verband beispielsweise den Namen „Jambon sec de Corse“ eingetragen gelassen hat, hat der Verband korsischer Metzger „Jambon sec de l’Île de Beauté“ eintragen lassen. Problematisch war für den klagenden Verband der Umstand, dass der Begriff „Île de Beauté“ den Begriff „Corse“ (Korsika) imitiere oder darauf anspiele und somit zu Verwechslungen mit den bereits geschützten Ursprungsbezeichnungen führe. Denn: „Île de Beauté“ bedeutet „Insel der Schönheit“ und wird auch als Beiname für die Insel Korsika verwendet. Der Staatsrat jedoch war der Auffassung, dass die Verwendung unterschiedlicher Begriffe und der unterschiedliche Schutz durch eine geschützte Ursprungsbezeichnung einerseits und eine geschützte geographische Angabe andererseits, die Gefahr einer solchen Verwechslung ausschließen könne und wies die Klagen ab.
Die Kommission war hier jedoch anderer Ansicht und lehnte die Eintragung der Namen „Jambon sec de l’Île de Beauté“, „Lonzo de l’Île de Beauté“ und „Coppa de l’Île de Beauté“ als geschützte geographische Angabe ab. Sie hielt es, wie auch der klagende Verband, für allgemein bekannt, dass es sich bei dem Namen „Île de Beauté“ um eine übliche Umschreibung handle, die in den Augen der französischen Verbraucherinnen und Verbraucher eindeutig Korsika bezeichne. Die beabsichtigten Namen des Interessenverbandes korsischer Metzger verletzten daher den Schutz, den die geschützten Ursprungsbezeichnungen nach der Verordnung Nr. 1151/2012 genössen.
Kommission habe seine Befugnisse nicht überschritten
Mit diesem Beschluss wollte sich wiederum der Interessenverband korsischer Metzger nicht zufriedengeben und reichte ebenfalls Klage ein. Laut dem Verband habe die Europäische Kommission ihre Befugnisse überschritten und gegen rechtskräftige Urteile verstoßen. Das EuG wies die Klage jedoch ab – konkret in Bezug auf den Klagegrund wonach die Kommission ihre Befugnisse überschritten haben soll.
Zum einen sah das Gericht in den Regelungen der Verordnung Nr. 1151/2012 eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Ablehnung der Namenseintragung. Gemäß diesen Regelungen müssten die Produktspezifikationen, die im Eintragungsverfahren ausgearbeitet werden, unter anderem den Namen enthalten, dessen Schutz beantragt wird, wie er „im Handel oder im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet wird“, so das Gericht. Daher sei es die Pflicht der Kommission zu prüfen, ob die Verwendung dieses Namens nicht den vorgesehenen Schutz gegen Anspielungen verletze. Das EuG argumentierte, dass die Eintragung eines Namens als geschützte geografische Angabe die praktische Wirksamkeit des Schutzes nach der entsprechenden Regelung in der Verordnung Nr. 1151/2012 beeinträchtigen würde, wenn der Name auf eine bereits eingetragene geschützte Ursprungsbezeichnung anspiele. Daher könne die Kommission auch nicht verpflichtet sein, die Eintragung eines Namens zu genehmigen, wenn sie dessen Verwendung im Handel für rechtswidrig halte.
Gericht konkretisiert Umfang der Prüfung durch die Kommission
Die Europäische Kommission sei daneben verpflichtet sicherzustellen, dass keine offensichtlichen Fehler vorliegen und dass das Unionsrecht sowie die Interessen von Beteiligten außerhalb des Antragsmitgliedstaats berücksichtigt würden. Dabei habe die Kommission unterschiedliches Ermessen inne, je nachdem, ob es sich um die Zusammenstellung des Antragsdossiers als erste Stufe des Eintragungsverfahrens oder um die eigene Prüfung der Eintragungsanträge als zweite Stufe handele. Während die Kommission bei der ersten Stufe nur ein eingeschränktes oder sogar gar kein Ermessen habe, habe sie bei der Entscheidung, einen Namen als geschützte Ursprungsbezeichnung oder geschützte geografische Angabe einzutragen, ein eigenständiges Ermessen gemäß den Eintragungsvoraussetzungen der Verordnung Nr. 1151/2012. Die eigenständige Beurteilung der Eintragungsvoraussetzungen durch die Kommission dürfe folglich nicht mit einer rechtskräftigen Entscheidung eines nationalen Gerichts in Frage gestellt werden.
agü/ezo