Nach dem AG Pirna hat nun auch das OLG Braunschweig einen Facebook-Nutzer, welcher einen „Judenstern“ mit dem Wort „Ungeimpft“ postete, freigesprochen. Eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung sei nicht gegeben, da der Post im konkreten Fall nicht geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören.
Auf Corona-Demos und im Internet kommt es immer wieder zu Holocaust-Vergleichen durch sogenannte Ungeimpft-Sterne. Demonstrierende tragen Davidsterne mit der Aufschrift „Ungeimpft“, die aussehen wie die „Judensterne“ der NS-Zeit. Sie vergleichen dadurch die Verfolgung von Juden und Jüdinnen im Nationalsozialismus mit der heutigen Situation ungeimpfter Personen. Der Davidstern mit der Aufschrift „Jude“ wurde von 1941 bis zum Kriegsende, allen Juden ab dem sechsten Lebensjahr vorgeschrieben zu tragen. In den Jahren von 1933 bis 1945 stand er für das Symbol der Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch die Nationalsozialisten.
Wie die Vergleiche strafrechtlich zu beurteilen sind, ist nicht eindeutig, da nicht jede antisemitische Äußerung, nicht jede Holocaust-Verharmlosung strafbar ist. Der Tatbestand des § 130 Abs. 3 Strafgesetzbuch (StGB) stellt das Billigen, Leugnen und Verharmlosen des NS- Völkermordes unter Strafe, soweit es öffentlich oder in einer Versammlung und in einer Weise geschieht, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Volksverhetzung kann insbesondere auch durch die Veröffentlichung im Internet begangen werden. Zweck der Norm ist besondere Missachtung, Verhöhnung und fortgesetzte Diskriminierung der Betroffenen und der betroffenen Gruppe Zugehörigen unter Strafe zu stellen.
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OLG Braunschweig: Keine strafbare Volksverhetzung
Nun hat das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig entschieden, dass das Posten eines Bildes mit einem Ungeimpft“-Stern nicht als Volksverhetzung nach § 130 Abs. 3 StGB strafbar ist (Urt. v. 07.09.2023, Az. 1 ORs 10/23). Angeklagt war ein Facebook-Nutzer, der einen Davidstern in Ausgestaltung eines „Judensterns“ gepostet hatte.
Auch die Vorinstanz, das AG Clausthal-Zellerfeld, hatte denjenigen, der das geschmacklose Zeichen auf seinem Profil gepostet hatte, in erster Instanz freigesprochen. Zwar verharmloste er tatsächlich die im nationalsozialistischen Unrechtsregime mit dem „Judenstern“ bezweckte Ausgrenzung. Dennoch erfülle dies nicht die für den Straftatbestand notwendige Völkermordhandlung.
Daraufhin legte die Staatsanwaltschaft Göttingen Revision ein. Sie war der Ansicht, dass die Pflicht, den „Judenstern“ zu tragen, nicht von der Verfolgung und Entrechtung von Juden mit dem Ziel der Vernichtung zu trennen sei und daher als Teil des Völkermordes anzusehen war. Dieser rechtlichen Begründung folgte das OLG jedoch nicht und verwarf die Revision. Zwar fehle dem Senat jegliches Verständnis für die Aussage des Betroffenen. Diese sei jedoch von der Frage der Strafbarkeit im Sinne des § 130 Abs. 3 StGB zu trennen. Genauer verlange der Gesetzgeber an dieser Stelle, dass sich die Verharmlosung auf eine konkrete Völkermordhandlung beziehe. Das Tragen und Verbreiten des Sternes könne nicht mit einer solchen Handlung gleichgesetzt werden. Letztlich sei der veröffentlichte Post auch nicht dazu geeignet, den öffentlichen Frieden im Sinne des § 130 Abs. 3 Strafgesetzbuch zu stören, da er nicht darauf gerichtet gewesen sei, Dritte zu Gewalttaten oder Rechtsbrüchen anzustacheln
AG Pirna sah ebenfalls keine Volksverhetzung
Das Amtsgericht Pirna in Sachsen hatte zuvor ebenfalls entschieden, dass das Posten eines Bilds von einem “Ungeimpft”-Stern in sozialen Netzwerken nicht strafbar sei (Urt. v. 19.09.2022, Az. 212 Ds 378 Js 111122).
Auch hier hatte ein Facebook-Nutzer einen solchen Post abgesetzt, anstelle des Wortes „Jude“ stand auf dem Stern „Ungeimpft“ mit dem Zusatz „und vogelfrei“. Dem Facebook-Nutzer sei laut Urteil auch bekannt gewesen, dass der „Judenstern“ bewusst genutzt wurde, um die Juden von dem Rest der Gesellschaft auszugrenzen. Er habe dieses Symbol auch bewusst ausgewählt, da er sich als „Ungeimpfter“ ebenfalls aus der Gesellschaft ausgeschlossen fühle. Der Nutzer gab auch vor Gericht an, dass es sich dabei nicht nur um ein Gefühl gehandelt habe, sondern er auch in Alltagssituationen konkret von der Gesellschaft ausgegrenzt wurde.
Den Tatbestand der Volksverhetzung hat der Nutzer laut Amtsgericht Pirna dennoch nicht erfüllt. Nach Auffassung der sächsischen Richter habe der Nutzer keine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, verharmlost. In dem Urteil des AG heißt es außerdem, dass er das Unrecht, welches den Juden zugefügt wurde, grade nicht verharmlosen wollte. Mit seinem Post auf Facebook wollte er auf seine Stellung als „Ungeimpfter“ und die Ausgrenzung von der Gesellschaft, wie es damals auch die Juden erfahren mussten, hinweisen. Für das Gericht stehe laut Beschluss fest, dass das Handeln des Facebook-Nutzers zwar geschmackslos sei, denn das von dem Nutzer empfundene Unrecht als „Ungeimpfter“ könne nicht mit dem der Juden verglichen werden.
Eigenes empfundenes Unrecht stört nicht den öffentlichen Frieden
Um jedoch den Straftatbestand der Volksverhetzung zu erfüllen, müsse eine Darstellung auch geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören. Ziel sei hierbei der Schutz vor öffentlichen Äußerungen, welche erkennbar auf rechtsgutgefährdende Handlungen abzielen. Um das Vorliegen zu prüfen, griff das AG Pirna auf die Anforderungen der Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit zurück. Das Gericht sah dadurch die Grenzen nicht schon überschritten, wenn eine breite Meinung in der Bevölkerung die Darstellung als unangemessen und geschmacklos empfinde. Der Facebook-Nutzer habe durch den Post viel mehr seine eigene Meinung teilen wollen, um dadurch eine inhaltliche Debatte mit anderen Facebook Usern zu erzielen. Auch habe er nicht zu Rechtsbrüchen aufgefordert, welche zur Verbreitung von Hass oder Spaltung der Gesellschaft führen könnten. Sein eigenes empfundenes Unrecht als „Ungeimpfter“ durch Verwendung des „Judensterns“ zu teilen, sei daher nicht geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören.
Der Tatbestand der Volksverhetzung sei nach der Ansicht des AG Pirna daher nicht erfüllt und der Mann entsprechend freizusprechen.