Arne Semsrott hatte Gerichtsbeschlüsse gegen die „Letzte Generation“ verbotswidrig veröffentlicht. Er nahm ein Verfahren gegen sich in Kauf, um ein größeres Ziel zu erreichen. Für ihn geht es im Fall um nicht weniger als die Pressefreiheit. Ob dies am Ende ein Fall für das BVerfG wird, bleibt abzuwarten.
Arne Semsrott, Aktivist und Chefredakteur der Plattform *FragDenStaat, wurde verurteilt, weil er im Jahr 2023 drei Beschlüsse des Amtsgerichts München veröffentlicht hatte. Das Landgericht (LG) Berlin verurteilte ihn wegen verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen nach § 353d Nr. 3 StGB, es jedoch in diesem Fall bei einer Verwarnung mit sogenanntem Strafvorbehalt belassen LG Berlin I, (Urteil vom 18.10.2024, Az. 536 Kls 1/24). Der Tatbestand stellt die Veröffentlichung von Gerichtsdokumenten vor dem eigentlichen Prozess pauschal unter Strafe.
Beschlüsse zur Telefonüberwachung gegen Letzte Generation veröffentlicht
Semsrott veröffentlichte im August 2023 Durchsuchungsbeschlüsse aus dem Ermittlungsverfahren gegen die „Letzte Generation“ im Wortlaut. Dabei ging es auch um die Überwachung eines Pressetelefons. Er hatte die teilweise geschwärzten Beschlüsse bewusst ins Netz gestellt, um eine juristische Auseinandersetzung über den Umfang der Pressefreiheit zu provozieren und so das Risiko einer Strafe auf sich genommen.
Semsrott hält den § 353d Nr. 3 des Strafgesetzbuches für verfassungswidrig, da er die Presse- und Wissenschaftsfreiheit beschränke. Zudem sei das pauschale Verbot der Publikation von Original-Zitaten oder -Dokumenten aus Ermittlungsverfahren unverhältnismäßig und aus der Zeit gefallen.
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Das Landgericht Berlin verurteilte Semsrott nun aber erst einmal und brummte ihm eine milde Strafe auf: eine Geldstrafe von 1.000 Euro (20 Tagessätze zu je 50 Euro), die er nur zahlen muss, wenn er innerhalb eines Jahres erneut straffällig wird. Die Staatsanwaltschaft hatte eine härtere Strafe von 2.000 Euro (40 Tagessätze zu je 50 Euro) gefordert, doch das Gericht entschied, dass die Schuld gering war.
Semsrott will Paragrafen zu Fall bringen
Semsrott hatte zuvor abgelehnt, das Verfahren wegen Geringfügigkeit einstellen zu lassen, da er auf eine grundlegende Klärung der Rechtslage hofft. Eine Einstellung hätte ihm dieses Ziel verbaut. Entsprechend kündigte er bereits an, Revision beim Bundesgerichtshof einzulegen. Je nach Ausgang stünde ihm sodann eine Verfassungsbeschwerde offen.
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) geht währenddessen einen anderen weg. Er fordert den Gesetzgeber dazu auf, den Paragrafen endlich zu reformieren. Er sei längst nicht mehr zeitgemäß und kriminalisiere Journalistinnen und Journalisten, die einfach nur ihrer Arbeit nachgingen. Der Gesetzgeber müsse Berichterstattung zu laufenden Gerichtsverfahren von öffentlichem Interesse ermöglichen, solange die Privatsphäre der Betroffenen beachtet werde. Das beinhalte auch die Veröffentlichung relevanter Gerichtsdokumente.
Ob Semsrott schlussendlich die angegriffene Norm zu Fall bringen wird, ist noch nicht abzusehen. Eine wichtige Debatte über den rechtlichen Rahmen der Pressefreiheit in Deutschland, hat er indes bereits angestoßen.
tsp