Wann Influencer ihre Postings als Werbung kennzeichnen müssen, wird von den Gerichten derzeit noch völlig unterschiedlich entschieden. Der BGH wird nun aber gleich in drei namhaften Verfahren entscheiden, ob Influencerinnen verpflichtet sind, ihre Instagram-Beiträge als Werbung zu kennzeichnen. Ab dem 29. Juli 2021 wird verhandelt.

Welche Postings müssen als Werbung gekennzeichnet werden und welche nicht? Diese juristisch höchst spannende Frage beschäftigt Influencer und uns Juristen inzwischen seit Jahren gleichermaßen. Die bisher uneinheitliche Handhabung vor allem in der gerichtlichen Praxis sorgt leider weiterhin für enorme Unsicherheit in der Branche. Das Problem: Da sich Influencerinnen und Influencer zumeist selbst vermarkten, sind kommerzielle und private Interessen oft nur schwer voneinander zu unterscheiden.

Als Faustformel gilt grundsätzlich: Wer Werbung betreibt, der muss dies auch als Werbung kennzeichnen. Postings sind grundsätzlich immer dann als unzulässige Schleichwerbung einzustufen, wenn redaktionelle Texte und Werbung nicht hinreichend deutlich voneinander abgegrenzt werden. Für Influencer bedeutet dies, dass das jeweilige Werbeposting nicht als bloßer redaktioneller Inhalt dargestellt werden darf, sondern es für den Nutzer eindeutig erkennbar sein muss, dass es sich hierbei um Werbung handelt.

Kennzeichnungsproblem bei „Tab-Tags“

Was aber gilt, wenn ein privates Foto geteilt wird, auf dem das Produkt oder die Marke eines Unternehmens abgebildet ist, ohne dass der Influencer hierfür irgendeine Gegenleistung erhalten hat? Auch ohne eine Gegenleistung erhalten zu haben, erhofft sich der Influencer womöglich von dem Posting, dass sich dadurch künftig vielleicht eine entsprechende Kooperation ergibt. Vielleicht will er sich auch vernetzen oder die eigene Sichtbarkeit erhöhen. Hier ist insbesondere das Setzen von Tags und Links auf Produkte, Marken, Geschäfte, Restaurants oder sonstige potenzielle Werbepartner umstritten. Bestandteil der Bilder sind oftmals von den Influencerinnen eingefügte sogenannte „Tap Tags“.

Zur Information: „Tap Tags“ sind anklickbare Bereiche innerhalb eines geposteten Bildes, die Links zu den Anbietern oder Herstellern bestimmter Produkte, insbesondere auf dem Bild zusehender Kleidungsstücke oder anderer Gegenstände enthalten. Klickt man auf das mit „Tap Tags“ versehene Bild eines Instagram-Beitrags, erscheinen die „Tap Tags“. Durch einen Klick auf einen der angezeigten „Tap Tags“ wird der Nutzer auf das Instagram-Profil des jeweiligen Unternehmens weitergeleitet.

Müssen Influencer Beiträge kennzeichnen? BGH kann endlich für Klarheit sorgen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun die Chance, in gleich drei Fällen für Klarheit zu sorgen, denn er wird ab dem 29. Juli 2021 über die Frage zu entscheiden haben, ob Influencer verpflichtet sind, ihre Instagram-Beiträge als Werbung zu kennzeichnen.  

Kläger ist in allen Verfahren der „Verband Sozialer Wettbewerb“ (VSW), zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder einschließlich der Verfolgung von Verstößen gegen das Lauterkeitsrecht gehört. Der Verband mahnte in den Jahren 2017 und 2018 zahlreiche Influencer wegen angeblicher Schleichwerbung auf ihren Instagram-Accounts ab. Die Branche spricht seither vom sog. „Abmahngate“.

Bei den drei Beklagten handelt es sich um die drei Influencerinnen Cathy Hummels (BGH, I ZR 126/20), Leonie Hanne (BGH, Az. I ZR 125/20) und Luisa Maxime Huss (BGH, Az. I ZR 90/20). Alle drei veröffentlichen auf der Social-Media-Plattform Instagram regelmäßig Bilder.

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Wir sind bekannt aus

Die Frage, welches Posting, welche Verlinkung bzw. Erwähnung von Markennamen, Unternehmen, Produkten, anderen Influencern oder Orten denn nun als Werbung gekennzeichnet werden muss und welche nicht, ist derzeit noch nicht höchstrichterlich geklärt.

Der VSW als Abmahnverband sieht in den Postings der Influencerinnen samt Verlinkungen jedenfalls eine unzulässige Schleichwerbung und nimmt die die drei Frauen jeweils auf Unterlassung und Ersatz einer Abmahnkostenpauschale in Anspruch. Für ihn sind, vereinfacht gesprochen, sämtliche Influencer-Posts mit Markennennungen oder Tags Werbung.

Doch ganz so einfach ist es nicht. Das Thema ist rechtliches Neuland und die bisherigen Gesetze lassen weiterhin zu viel Spielraum. Manche Gerichte betonten bislang verstärkt die Rechte der Influencerinnen und manch anderes Gericht hob den Schutz der teils noch sehr jungen Nutzerinnen und Nutzer vor Irreführung hervor. Das Ergebnis: Etliche unterschiedliche Urteile zu identischen Fragestellungen. Der Bundesgerichtshof (BGH) also täte gut daran, den rechtlichen Flickenteppich zu klären.

Die BGH-Verfahren

Die Influencerin Luisa-Maxime Huss veröffentlicht auf Instagram insbesondere Bilder von Sportübungen sowie Fitness- und Ernährungstipps. Darüber hinaus unterhält sie eine gewerbliche Internetseite, auf der sie Fitnesskurse und Personaltrainings gegen Entgelt anbietet und einen Online-Shop betreibt. Wird das Profil von Luisa-Maxime Huss bei Instagram aufgerufen, erscheint unter anderem ein Hinweis auf ihre Internetadresse und eine App, die ihren Profilnamen trägt.  

Bei einem der zu Diskussion stehenden Postings räumte Huss bereits ein, dass eine Kooperation mit dem verlinkten Unternehmen bestanden habe. In diesem Fall hieß es in dem das Bild begleitenden Text:

„Heute konnte ich zumindest der lieben @[…] eine Freude bereiten und sie erhält unter anderem die ganze neue Raspberry Jam von […] (*Werbung: gibt’s ab morgen neu im Shop).“  

Urteile der Vorinstanzen  

Das Landgericht (LG) Göttingen hatte Huss zunächst antragsgemäß verurteilt (LG Göttingen, Urteil vom 13. November 2019, Az. 3 O 22/19). Das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig hatte in der Folge die Berufung der Influencerin zurückgewiesen. Es hat angenommen, dem Verband stehe ein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 6 UWG und ein Anspruch auf Ersatz einer Abmahnkostenpauschale zu.

Die beanstandeten Handlungen stellten geschäftliche Handlungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zur Förderung des Absatzes der Drittunternehmen dar. Dabei sei nicht allein entscheidend, ob Huss Gegenleistungen von den Unternehmen erhalten habe, da eine Gesamtwürdigung der objektiven Begleitumstände vorzunehmen sei. Entgegen § 5a Abs. 6 UWG sei der kommerzielle Zweck der Drittwerbung nicht ausreichend kenntlich gemacht worden. Die fehlende Kenntlichmachung sei geeignet, den Verbraucher zu andernfalls nicht getroffenen geschäftlichen Entscheidungen zu veranlassen.

Mit der vom OLG Braunschweig zugelassenen Revision verfolgt Huss nun ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Fitness-Bloggerin zog damit als erste Influencerin Deutschlands vor den BGH.

Hanne unterhält bei Instagram einen Account, der von ihr überwiegend kommerziell genutzt wird und inzwischen von 3,4 Millionen Nutzern abonniert ist. Der Account ist verifiziert und daher am Anfang des Profils mit einem blauen Haken versehen. Hanne veröffentlicht regelmäßig Bilder von sich selbst mit kurzen Begleittexten zu den Themen Beauty, Mode, Lifestyle und Reisen.

Der Verband Sozialer Wettbewerb ging auch gegen sie vor und klagte. Die Influencerin kennzeichnet nämlich nur Beiträge als Werbung, wenn sie Produkte eines Unternehmens auf ihrem Instagram-Account bewirbt und hierfür eine Bezahlung erhält. Der Wettbewerbsverband störte sich allerdings an drei Postings, in denen Hanne unentgeltlich Produkte eines bestimmten Herstellers zur Schau stellte. Sie wies darin auf die Namen der Hersteller hin und verlinkte auf deren Instagram-Accounts. Als Werbung kennzeichnete sie die Beiträge aber nicht.

Urteile der Vorinstanzen  

Das Landgericht (LG) Hamburg hatte die Influencerin antragsgemäß verurteilt (LG Hamburg, Urteil vom 28. März 2019, Az. 403 HKO 127/18). Auf die Berufung Hannes hin, hatte das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg sodann jedoch die Klage abgewiesen (OLG Hamburg, Urteil vom 2. Juli 2020, Az. 15 U 142/19). Das OLG hatte angenommen, dem Verband stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 6 UWG und kein Anspruch auf Ersatz einer Abmahnkostenpauschale zu. Bei den zur Diskussion stehenden Instagram-Beiträgen und den darin enthaltenen Tap Tags handele es sich zwar um geschäftliche Handlungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, da Hanne sowohl den Absatz von Waren oder Dienstleistungen der beworbenen Unternehmen als auch ihr eigenes Unternehmen fördere.

Eine wettbewerbswidrige Handlung gemäß § 5a Abs. 6 UWG liege jedoch nicht vor, da sich der kommerzielle Zweck der geschäftlichen Handlung unmittelbar aus den Umständen ergebe. Darüber hinaus sei das Nichtkenntlichmachen des kommerziellen Zwecks nicht dazu geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte.

Eine Unlauterkeit nach § 3a UWG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG wegen einer fehlenden Erkennbarkeit von kommerzieller Kommunikation scheide aus, da gemäß § 2 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b TMG eine kommerzielle Kommunikation nicht bei Angaben zu Waren und Dienstleistungen vorliege, die unabhängig und insbesondere ohne finanzielle Gegenleistung gemacht würden. Der VSW habe nicht hinreichend vorgetragen, dass die Influencerin für die zur Diskussion stehenden „Tap Tags“ eine Gegenleistung erhalten habe. Daher scheide ebenso eine Unlauterkeit nach Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG wegen als Information getarnter Werbung aus, denn auch insoweit sei ein vom Unternehmer finanzierter Einsatz Voraussetzung.

Schließlich folge eine Unlauterkeit nicht aus § 3a UWG in Verbindung mit den Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags zur Erkennbarkeit von Werbung, denn auch § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV setze voraus, dass es sich um entgeltliche Werbung handle.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebt der VSW die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Hierzu unser ausführlicher Beitrag:

OLG Hamburg zu Influencerin: Werbliche Postings für Follower offensichtlich

Influencerin Cathy Hummels veröffentlicht regelmäßig Bilder von sich selbst, oft mit kurzen Begleittexten. Darin beschäftigt sie sich vor allem mit Themen wie Mode, ihrem Leben als Mutter eines Kleinkinds, Yoga oder Reisen.

Diejenigen Instagram-Beiträge, für die Hummels nach eigenem Bekunden von den verlinkten Unternehmen bezahlt wird, kennzeichnet sie mit dem Hinweis „bezahlte Kooperation mit …“. Die im Verfahren zur Diskussion stehenden Beiträge enthielten keine entsprechende Kennzeichnung. In einem Fall postete sie die Abbildung eines Stofftier-Elefanten, ohne dessen Hersteller mithilfe eines „Tags“ zu verlinken.

Der VSW hatte sie für mehrere, nicht als Werbung gekennzeichnete Postings abgemahnt, für die sie nach eigener Aussage keine Gegenleistung erhalten hatte. In diesen Postings befanden sich teils Verlinkungen auf die Hersteller der von ihr getragenen Kleidung oder anderer Gegenstände. Das Argument der fehlenden Gegenleistung wollte der VSW nicht gelten lassen. Auch, wenn Influencer keine Gegenleistung erhalten, sei die Erwähnung und Verlinkung kommerzieller Produkte ohne entsprechende Kennzeichnung verbotene Werbung und damit wettbewerbsrechtlich unzulässig.

Urteile der Vorinstanzen  

Das Landgericht (LG) München I hatte die Klage abgewiesen (LG München I, Urteil vom 29. April 2019 – 4 HK O 14312/18). Das Oberlandesgericht (OLG) München hate sodann die Berufung des VSW zurückgewiesen (OLG München, Urteil vom 25. Juni 2020, Az. 29 U 2333/19). Es hatte angenommen, dem Verband stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 6 UWG und kein Anspruch auf Ersatz einer Abmahnkostenpauschale zu. Es fehle an einer geschäftlichen Handlung Hummels im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.

Die Informationen zu den von ihr verwendeten Produkten, inklusive der angebrachten Tags und Links, gehörten zum „redaktionellen“ Teil ihrer Beiträge. Selbst wenn man mit Blick darauf, dass die Beiträge der Förderung des eigenen Images zur Erlangung von Werbeverträgen dienten, vom Vorliegen einer geschäftlichen Handlung ausginge, wäre diese nicht gemäß § 5a Abs. 6 UWG unlauter, da sich dieser kommerzielle Zweck unmittelbar aus den Umständen ergäbe und es daher einer besonderen Kenntlichmachung nicht bedürfte.

Eine Unlauterkeit nach § 3a UWG in Verbindung mit Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags oder mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG scheide aus, weil hinsichtlich der streitgegenständlichen Beiträge kein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung geflossen sei.

Mit der vom OLG zugelassenen Revision verfolgt der VSW auch in diesem Verfahren seine Klageanträge weiter.

Hierzu unser ausführlicher Beitrag

OLG München zu Influencern: Erneuter Sieg für Cathy Hummels

Neues Gesetz kommt 2022- muss zuvor EuGH entscheiden?

Mittlerweile beschäftigt das Problem auch die Politik. Nach einer Aussprache mit Influencerinnen und Influencern im Bundesjustizministerium liegt seit dem 20. Januar 2021 ein Gesetzentwurf vor. Danach müssen nur noch Postings, die gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung erfolgen, als „Werbung“ oder „Anzeige“ gekennzeichnet werden. Mit anderen Worten: Influencer sollten ihre Posts über Beauty-Produkte, Kleidung und so weiter dann nicht mehr kennzeichnen, wenn sie dafür kein Geld bekommen haben. Das wäre dann zumindest ein klares Kriterium, wann man kennzeichnen muss und wann nicht.“ Der Gesetzgeber jedenfalls will so einen „sicheren Rechtsrahmen“ schaffen.

Hintergrund der Neuregelung ist die derzeitige Über-Kennzeichnung auf Instagram: Denn zahlreiche Influencer kennzeichnen schlichtweg alle Beiträge als „Anzeige“, was dazu führt, dass Verbraucher die bezweckte Warnung vor werblichen Inhalten nicht mehr ernst nehmen. 

Der BGH jedoch kommt dem Gesetzesvorhaben nun zuvor. Er kann die aktuellen drei Fälle nur nach dem alten Gesetz entscheiden und das neue Gesetz dabei noch nicht berücksichtigen.

Der BGH wird im Juli auch darüber zu entscheiden haben, ob die einschlägigen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften, die der deutsche Gesetzgeber durch die RL 2005/29/EG umgesetzt hat, richtlinienkonform angewendet werden können oder ob dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zunächst Vorlagefragen gestellt werden müssen. Sollte der BGH zunächst den EuGH Fragen vorlegen, würden die Verfahren ausgesetzt und zunächst eine Entscheidung des EuGH abgewartet werden.

tsp