Steht dem Kameramann Jost Vacano eine weitere angemessene Beteiligung an den Einnahmen des berühmten deutschen Filmwerks „Das Boot“ zu? Im April 2021 hatte der BGH noch entschieden, dass ein solcher Nachvergütungsanspruch zwar grundsätzlich bestehen könne, das Berufungsgericht jedoch Berechnungsfehler begangen habe, weshalb er das Urteil aufhob und zur neuen Verhandlung zurückverwies. Nach 14 Jahren sollte es nun laut Bavaria eine außergerichtliche Einigung geben, doch Kameramann Vacano weist das zurück.

Der für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) sollte im April 2021 darüber entscheiden, ob dem Kameramann Jost Vacano eine weitere angemessene Beteiligung an den Einnahmen des Filmwerks „Das Boot“ zusteht. Er verwies das Verfahren jedoch an das Berufungsgericht, das Oberlandesgericht (OLG) München zurück.

Wegen einiger Berechnungsfehler bei der Prüfung des vom Kameramann Jost Volcano erhobenen Anspruchs sei der Annahme des OLG Münchens, es liege im Verhältnis zu jedem der Beklagten ein auffälliges Missverhältnis vor, die Grundlage entzogen (BGH, Urteil vom 1. April 2021, Az. I ZR 9/18).

Nun kam es nach Meldung der Bavaria Film GmbH zu einem außergerichtlichen Vergleich. Die Münchner Bavaria Film GmbH und die EuroVideo Medien GmbH, ein Tochterunternehmen der Telepool GmbH, hätten die seit 2008 währende gerichtliche Auseinandersetzung mit Vacano bezüglich der Urheberbeteiligung gem. § 32a UrhG beendet. Sie hätten sich verpflichtet, den von Jost Vacano vor dem OLG München im Zusammenhang mit der Produktion „Das Boot“ (1981) geltend gemachten Forderungen nachzukommen: Für die Nutzungen bis zum 31. Dezember 2021 zahle die Bavaria Film GmbH ca. 270.000 Euro zzgl. Zinsen und Umsatzsteuer und beteilige Jost Vacano weiter an den zukünftigen Erlösen. Die EuroVideo Medien GmbH zahle bis Ablauf ihrer Lizenzzeit (31. Dezember 2018) ca. 192.000 Euro zzgl. Zinsen und Umsatzsteuer.

Doch da hat Bavaria offenbar die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die Auseinandersetzung zwischen dem 87-jährigen „Das Boot“-Kameramann Jost Vacano und der Bavaria Film sowie der Telepool-Tochter EuroVideo Medien ist nämlich offenbar doch noch nicht beendet. Einer Beendigung des Verfahrens hätte er nicht zugestimmt. Und dass es zu einem vorzeitigen Ende komme, sei auch eher unwahrscheinlich. Er wolle ein Urteil haben, so Vacano. Vielmehr muss nun das Gericht entscheiden, ob das Schreiben der Unternehmen als Anerkenntnis der Schuld zu bewerten sei. Eine nächste Anhörung soll es demnach im Oktober geben.

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Kameramann beim inzwischen legendären Film Das Boot

Jost Vacano war Chefkameramann des in den Jahren 1980 und 1981 hergestellten Filmwerks „Das Boot“. Der Film wurde sowohl national als auch international im Kino, im Fernsehen sowie auf Videokassette und DVD veröffentlicht. Mit der Produktionsgesellschaft vereinbarte Jost Vacano eine Pauschalvergütung in Höhe von 204.000 DM (104.303,54 €) gegen Einräumung sämtlicher Nutzungsrechte. Die Produktionsgesellschaft hat den Film an den WDR und die Videoverwerterin sowie weitere Dritte lizensiert und im Rahmen der “Bavaria Filmtour“ auf ihrem Studiogelände in München genutzt. Der WDR hat den Film in seinem Sender und im Gemeinschaftsprogramm der ARD ausgestrahlt sowie entgeltliche Sublizenzen erteilt. Auf Grundlage von Lizenzverträgen hat die Videoverwerterin das Werk auf Bildträgern wie DVDs in Deutschland und Österreich verbreitet.

Jost Vacano machte für die nach dem 28. März 2002 erfolgte Werknutzungen, jeweils einen Anspruch auf weitere angemessene Beteiligung nach § 32a Abs. 1 UrhG, dem sog. Fairnessparagrafen, gegenüber der Produktionsgesellschaft, und nach § 32a Abs. 2 UrhG gegenüber dem WDR und der Videoverwerterin geltend. Dies begründete er damit, dass die aus der Werknutzung gezogenen Erträgnisse und Vorteile in einem auffälligen Missverhältnis zu seiner Vergütung stünden. Weiter forderte Jost Vacano seitens der Produktionsfirma eine Vertragsanpassung. Gegenüber dem WDR und der Videoverwerterin bezweckt Jost Vacano die Feststellung der Verpflichtung zur zukünftigen weiteren Beteiligung.

§ 32a UrhG – Der Fairness-Paragraph

Der sogenannte Fairness-Paragraph wurde im Jahr 2002 in das Urhebergesetz eingefügt. Er dient der Stärkung der Urheberrechte und vor allem der fairen Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg eines Werkes. Kommt es zu einem später eintretenden Erfolg eines Werkes, sodass Leistung und Gegenleistung in einem Missverhältnis stehen, kann dem Urheber ein Anspruch auf eine angemessene Beteiligung aufgrund dieses Erfolgs zustehen. Dadurch wird auch der Urheber am Erfolg seines Werkes beteiligt, unabhängig welche Vergütung zuvor vertraglich vereinbart wurde. Dem Urheber steht somit ein gesetzlicher Anspruch auf Vertragsänderung zu, durch die dem Urheber eine den Umständen nach weitere angemessen Beteiligung gewehrt wird.

Wer jedoch als Urheber einen Anspruch auf eine Vertragsänderung hat, ist abhängig von dem jeweiligen Beitrag zum Gesamtwerk. Urheber und ausübende Künstler, die einen eher untergeordneten Beitrag zum Gesamtwerk erbracht haben sind nicht generell vom Anwendungsbereich des § 32a UrhG ausgeschlossen. Dies ist lediglich bei gänzlich untergeordneten Leistungen der Fall, da diese durch die erhaltene Vergütung vollständig abgegolten sind. (BGH v. 10.05.2012, Az. I ZR 145/11) Der Urheber sollte daher einen wesentlichen Beitrag am Gesamtwerk geleistet haben.

Auf den Fairness-Paragraphen kann man sich in zeitlicher Hinsicht zudem nur berufen, sofern der Vertrag nach dem 01. Juli 2002 geschlossen wurde oder der Sachverhalt nach dem 28.03.2002 entstanden ist. In der Regel kommt es dann zur Anwendung des § 32a UrhG, wenn es sich um eine Pauschalvergütung des Urhebers handelt. (Kotthoff in: Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Aufl. 2018, § 32a Weitere Beteiligung des Urhebers)

Die Prozessgeschichte von Jost Vacano

Der Streit des Kameramanns Jost Vacano dauert bereits einige Jahre und wurde durch ihn gegen verschiedene Parteien geführt.

Mit einem ersten Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) am 22. September 2011 hatte Jost Vacano die Beteiligten bereits erfolgreich auf die Erteilung von Auskünften über die jeweils erzielten Erträgnisse und Vorteile in Anspruch genommen (BGH, Urteil vom 22. September 2011 –  I ZR 127/10 –  Das Boot I). Auf dieser Grundlage stritt Jost Vacano bis heute um die Nachforderungen.

Rechtsstreit mit der Produktionsfirma, dem WDR und der Videoverwerterin

Im Jahr 2016 begann der Rechtsstreit von Jost Vacano gegen die Produktionsfirma, den Westdeutschen Rundfunk und die Videoverwerterin W.V.M. GmbH, der im BGH-Urteil 2021 sein Ende finden sollte. Die Klage hatte zunächst vor dem Landgericht München teilweise Erfolg (LG München I, ZUM 2016, 776). Es kam jedoch zur Berufung sämtlicher Parteien, wonach das Oberlandesgericht das Urteil abänderte und die Produktionsgesellschaft zur Zahlung von 162.079,27 € und zur Einwilligung in die Anpassung des streitgegenständlichen Vertrages verurteilte. Der WDR und die Videoverwerterin wurden zu einer Zahlung in Höhe von 89.856,59 € bzw. 186.490,74 € verurteilt. Weiter hat das Gericht festgestellt, dass diese für die Zeit ab dem 9. Oktober 2015 bzw. ab dem 1. April 2017 eine Verpflichtung zur Zahlung einer weiteren angemessenen Beteiligung haben. Am 17. Dezember 2020 kam es dann zur Verhandlung des Falls vor dem BGH.

Berechnungsfehler: BGH verweist Verfahren zurück

Der BGH schloss in seinem Urteil im April 2021 einen grundsätzlich bestehenden Anspruch von Jost Vacano nicht aus, lediglich die Begründung des Berufungsgerichts reichte für einen konkreten Anspruch aufgrund eines auffälligen Missverhältnisses nicht aus.

Aus diesem Grund hatte der BGH das Verfahren an das OLG München zur erneuten Entscheidung zurückgewiesen. Die Prüfung des Berufungsgerichts, ob im Streitfall ein auffälliges Missverhältnis bestehe, fußte auf einer Zugrundlegung der vereinbarten Pauschalvergütung zwischen den Parteien in voller Höhe. Dabei sei jedoch nicht berücksichtigt worden, dass es bei der Prüfung eines auffälligen Missverhältnisses gemäß § 32a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 UrhG ausschließlich auf das Verhältnis zwischen dem Urheber und dem auf weitere Beteiligung in Anspruch genommenen Nutzungsberechtigten ankomme. Da es in diesem Fall einen Vertragspartner gab, der mehreren Dritten unterschiedliche Nutzungsrecht einräumte, müsse bei der Prüfung des auffälligen Missverhältnisses jeweils der – zu schätzende – Teil der vereinbarten Gegenleistung, der auf die vom jeweiligen Nutzungsberechtigten verwerteten Nutzungsrechte entfällt, ins Verhältnis zu den von diesem Nutzungsberechtigten erzielten Erträgen und Vorteilen gesetzt werden. Die Münchener Richter am OLG hätten somit das jeweilige einzelne Verhältnis zwischen Urheber und Verwerter einzeln betrachten müssen.

Die vom OLG vorgenommene Schätzung des Vorteils durch indizielle Heranziehung von nach den Umständen sachgerechten Bewertungsgrundlagen aus Tarifverträgen und gemeinsamen Vergütungsregelungen ist durch den BGH jedoch grundsätzlich nicht beanstandet worden. Auch liege der zu schätzende Teil der Pauschalvereinbarung im Ermessen des OLG.

Allerdings halte die vom OLG indizielle Anwendung dieser Regelungen der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Einzelheiten stand. Bereits in einem vorherigen Verfahren von Vacano gegen acht ARD-Rundfunkanstalten argumentierte der BGH vergleichbar. Insbesondere bei der Berechnung der Wiederholungsvergütung beanstandete der BGH, dass hierbei die Pauschalvereinbarung in voller Höhe zu Grunde gelegt wurde. Allerdings sei im Rahmen einer Wiederholungssendung eine Wiederholungsvergütung in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der für die Erstausstrahlung des Films vereinbarten Erstvergütung zu zahlen (BGH, Urteil vom 20. Februar 2020 – I ZR 176/18 – Das Boot II). Die Pauschalvergütung ist daher nicht in voller Höhe, sondern vielmehr in einem entsprechenden, von dem Berufungsgericht zu schätzenden Teil, zur Bemessung heranzuziehen.

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Aufgrund dieses Berechnungsfehlers ist die Annahme des Berufungsgerichts, es liege ein auffälliges Missverhältnis vor, unzutreffend. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren sollte das OLG somit erneut zu prüfen haben, ob eines solches Missverhältnis auf Grundlage einer neuen Berechnung zu einem Anspruch von Jost Vacano führe und er so eine angemessene Vergütung beanspruchen könne. Ob es nun noch dazu kommt, wird sich zeigen.

Vorherige Entscheidung des BGH führte zu einem ähnlichen Ergebnis

Jost Vacano führt zudem seit dem Jahr 2017 einen ähnlichen Rechtsstreit gegen 8 ARD-Rundfunkanstalten. Er nahm diese wegen der Ausstrahlung des Films im Programm “Das Erste“ der ARD, in den von ihnen verantworteten Dritten Programmen und Digitalsendern und dem Sender 3Sat auf Zahlung einer weiteren angemessenen Beteiligung gemäß § 32a Abs. 2 Satz 1 UrhG in Anspruch.  

Der Rechtsstreit wurde zunächst durch das Landgericht Stuttgart (Urteil vom 28. November 2017 – 17 O 127/11) und anschließend durch das Oberlandesgericht Stuttgart (Urteil vom 26. September 2018 – 4 U 2/18) entschieden. Während das Landgericht der Zahlungsklage in Höhe von 77.333,79 € und dem Feststellungsantrag teilweise stattgab, hatte das Berufungsgericht Jost Vacano für den Zeitraum vom 29. März 2002 bis zum 12 März 2016 eine weitere angemessene Beteiligung in Höhe von 315.018,29 € zugesprochen und festgestellt, dass ihm auch ab dem 13. März 2016 eine weitere angemessene Beteiligung zustehe.

Die Parteien gingen in Revision, sodass am 20. Februar 2020 der BGH über die Sache zu entscheiden hatte. Der BGH hob das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück. Der BGH führte auch in diesem Fall aus, dass das OLG bei seiner Prüfung, ob im Streitfall ein auffälliges Missverhältnis bestehe, die vereinbarte Pauschalvergütung in voller Höhe zugrunde gelegt habe.

Dabei jedoch habe es laut BGH jedoch nicht berücksichtigt, dass die Parteien im vorliegenden Fall allein über eine weitere angemessene Vergütung Vacanos für die Ausstrahlung des Films im Fernsehen streiten. Daher sei allein der – zu schätzende – Teil der vereinbarten Pauschalvergütung zugrunde zu legen, der auf die Einräumung des Rechts zu dieser Fernsehausstrahlung entfalle. Auch für den Fall der Wiederholungsvergütung sei ein – zu schätzender Teil – der vereinbarten Pauschalvergütung zugrunde zu legen.

Wegen dieser Berechnungsfehler wird das OLG Stuttgart daher auch in diesem wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut zu prüfen haben, ob der auf die Einräumung der Rechte zur Fernsehausstrahlung durch die 8 ARD-Rundfunkanstalten entfallende Teil der vereinbarten Pauschalvergütung in einem auffälligen Missverhältnis zu den von den ARD-Rundfunkanstalten mit der Nutzung der urheberrechtlich geschützten Leistung des Jost Vacano erzielten Vorteilen stehe und Vacano von den ARD-Rundfunkanstalten daher eine weitere angemessene Beteiligung beanspruchen könne.

Grundsätzlich kam der BGH jedoch auch hier zu dem Ergebnis, dass Jost Vacano grundsätzlich mehr Geld zustehen könne, da auch die Sender mit den gefüllten Sendeplätzen Ausgaben für eigene Produktionen gespart haben.

rpo/tsp