Demonstrationen sind öffentliche Veranstaltungen. Daher liegt es schon in der Natur der Sache, dass dort fleißig fotografiert und gefilmt wird – auch von der Presse. Und so gab es auch nach einer Pro-Palästina-Demo am 7. Oktober in Berlin viele Medienberichte über die Veranstaltung. Im Zuge der Berichterstattung der Bild-Zeitung war ein Mann am Rande eines Fotos zu sehen, das veröffentlicht wurde. Das LG Berlin II musste nun entscheiden, ob dem Demonstrationsteilnehmer ein Unterlassungsanspruch gegen die Veröffentlichung zusteht, da er nie in diese eingewilligt hat.
Einem Teilnehmer der Pro-Palästina-Demo vom 7. Oktober in Berlin stehen keine Unterlassungsansprüche gegen die Veröffentlichung eines Fotos in der Bild-Zeitung zu, das ihn am Bildrand zeigt. Das entschied nun das Landgericht (LG) Berlin II und begründete seine Entscheidung damit, dass es sich bei dem Foto um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelte
(Beschl. v. 29.11.2024 – Az. 27 O 308/24).
Am 7. Oktober jährte sich der Hamas-Angriffs auf Israel zum ersten Mal. In Deutschland gab es in verschiedenen Städten an diesem Tag Demonstrationen – so auch in Berlin. Dort nahm ein Demonstrant an einer Pro-Palästina-Kundgebung teil. Auch Greta Thunberg war an diesem Tag in der deutschen Hauptstadt, um an der Demonstration teilzunehmen. Die Bild-Zeitung titelte am nächsten Tag: „Mir fehlen die Worte. Greta wütet gegen deutsche Polizisten“ und bebilderte den Artikel mit Fotos, auf denen auch der Demonstrant zu sehen war. Ein Bild trug die Unterschrift „Islamisten und Israel-Hasser machten fröhlich Fotos mit …“. Ein weiteres Bild trug die Überschrift „Selfie mit Judenhassern“.
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Demonstrant war auf Bild mit Greta Thunberg zu sehen
Der Demonstrant war auf einem der Bilder (am Rand) zu erkennen. Das Foto zeigte ihn zusammen mit anderen Teilnehmern wie auch Greta Thunberg, die ein Palästinensertuch und eine rosafarbene Corona-Maske trug. Auf Instagram postete die Bild-Zeitung ein weiteres Foto der Demo, auf dem der Teilnehmer teilweise durch andere Köpfe verdeckt zu sehen war. Der Demonstrant willigte nicht in die Veröffentlichung seines Bildnisses ein. Letztlich wehrte sich der Mann per Eilantrag gegen das Foto. Allerdings blieb sein Vorhaben erfolglos.
Das LG Berlin II entschied, dass die identifizierende Wort- und Bildberichterstattung zulässig sei. Dem Mann stehe kein Unterlassungsanspruch zu, da die Berichterstattung nicht in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht nach §§ 823, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, §§ 22 f. KUG eingreife. Das Berliner Gericht kam somit zu der Ansicht, dass trotz der fehlenden Einwilligung in die Veröffentlichung seines Bildnisses diese dennoch zulässig sei. Das LG begründete seine Entscheidung damit, dass es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handele, welches auch ohne Einwilligung veröffentlicht werden dürfe. Es bestehe ein überragendes Interesse an der Berichterstattung über propalästinensische Demonstrationen im Zusammenhang mit der aktuellen Situation im Nahen Osten, welches durch die Teilnahme der weltweit bekannten Klimaaktivistin Greta Thunberg noch verstärkt werde.
Interessen des Demonstranten überwiegen nicht
Das LG entschied nach einer Abwägung der Interessen somit eindeutig zugunsten der Berichterstattung und gegen den Demonstrationsteilnehmer. Obwohl der Mann auf den Bildern identifizierbar gewesen sei, stehe er nicht im Mittelpunkt, sondern erscheine eher als Randfigur. Zudem posiere er bewusst für ein Foto mit Greta Thunberg und anderen Demonstrationsteilnehmern.
Das Gericht betonte, dass er dies in einer Situation tat, in der er mit intensiver Beobachtung durch die Presse und Dritte rechnen musste, wodurch er bewusst Aufmerksamkeit erregt habe. Dieser Umstand mindere sein Schutzinteresse. Daher weise die Berichterstattung auch keine Pranger- oder stigmatisierende Wirkung auf, so das LG.
Das LG Berlin II hat den Unterlassungsanspruch des Mannes auch in Bezug auf die angegriffene Textberichterstattung abgelehnt. Die Formulierungen „Judenhasser„, „Islamisten und Israel-Hasser“ sowie „schlimmsten Judenhassern. Darunter solche, die das Wort Israel nicht einmal schreiben wollen, weil sie den Staat vernichtet sehen wollen“ wurden als grenzwertige, aber noch zulässige Meinungsäußerungen betrachtet. Ferner sei fraglich, ob ein verständiger Durchschnittsleser diese Äußerungen überhaupt auf den Demonstranten beziehe, da er in der Berichterstattung nicht namentlich genannt werde. Insgesamt überwiege das öffentliche Interesse an der Berichterstattung das Persönlichkeitsrecht des abgebildeten Mannes.
agr