Die Osnabrücker Staatsanwaltschaft hatte kurz vor der Bundestagswahl das Justizministerium in Berlin „durchsuchen“ lassen. Nun urteilte das VG Osnabrück, dass Formulierungen aus einer Pressemitteilung schlicht falsch und damit rechtswidrig waren. Geklagt hatte das Bundesjustizministerium. Ein wohl bislang einmaliger Vorgang.

Von Jörg Zägel – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0

Das Verwaltungsgericht (VG) Osnabrück hat der Klage des Bundesjustizministerium (BMJ) gegen Presseäußerungen der Osnabrücker Staatsanwaltschaft insgesamt stattgegeben. Das BMJ hatte die Staatsanwaltschaft Osnabrück wegen ihrer Pressearbeit verklagt (Az. 1 A 199/21).

Inhaltlich ging es um Presseinformationen der Staatsanwaltschaft im Vorfeld zur Bundestagswahl im September 2021. Der Pressearbeit der Staatsanwaltschaft lag ein Ermittlungsverfahren zugrunde, das gegen Mitarbeiter der Antigeldwäscheeinheit (Financial Intelligence Unit, FIU) wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt geführt wurde und das die Staatsanwaltschaft dazu veranlasste, einen Durchsuchungsbeschluss unter anderem für das BMJ zu erwirken.

Ermittlungen der Staatsanwaltschaft irritierend

Konkret war die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen auf der Suche nach einem bestimmten Schriftstück des BMJ. Das BMJ lehnte jedoch auf eine telefonische Anfrage offenbar die Herausgabe des Schriftstücks ab, da das Schreiben vertrauliche Informationen enthalte. Zudem verwies das BMJ darauf, den offiziellen Dienstweg einzuhalten. Anstatt sich im Anschluss jedoch noch einmal entsprechend offiziell schriftlich an das BMJ zu wenden, wurde die Durchsuchung in Berlin beantragt. Die Vorgeschichte zur Durchsuchung insgesamt bleibt kurios, die Kommunikation zwischen Staatsanwaltschaft, Generalstaatsanwaltschaft und dem niedersächsischen Justizministerium zudem irritierend lückenhaft. Steckte dahinter politisches Kalkül oder war es eine ans Licht gekommene peinliche Pannenlücke?

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Das Erscheinen der Osnabrücker Staatsanwaltschaft Anfang September 2021 beim Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz sowie beim Bundesfinanzministerium in Berlin jedenfalls, sorgte für gehörige Unruhe im Umfeld des damaligen Finanzministers und Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD). Dabei stand besonders die Frage im Raum, ob die Durchsuchung politisch motiviert war. Das Landgericht Osnabrück erklärte die Durchsuchung später für rechtswidrig, da diese unverhältnismäßig gewesen sei.

Presseäußerungen rechtswidrig

Das VG Osnabrück hat nun zudem festgestellt, dass einzelne Äußerungen in der Presseinformation der Staatsanwaltschaft Osnabrück vom 9. September 2021 zur Ermittlung ebenfalls rechtswidrig waren und der Staatsanwaltschaft untersagt, eine bereits dem Spiegel gegenüber getätigte Äußerung, die dort am 10. September 2021 veröffentlicht wurde, künftig zu wiederholen und zu verbreiten.

Der vom BMJ beanstandete Teil der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft lautete:

„Ziel der heutigen Durchsuchungen ist es, den Straftatverdacht und insbesondere individuelle Verantwortlichkeiten weiter aufzuklären. Es soll unter anderem untersucht werden, ob und gegebenenfalls inwieweit die Leitung sowie Verantwortliche der Ministerien sowie vorgesetzte Dienststellen in Entscheidungen der FIU eingebunden waren.“

Die beanstandete Äußerung gegenüber dem Spiegel lautete:

„So groß ist unser Vertrauen nicht, dass wir glauben, sie würden uns alles freiwillig herausgeben.“

Das VG Osnabrück urteilte nun, dass die in Teilen beanstandete Presseinformation rechtswidrig sei, weil sie unwahre Tatsachenbehauptungen enthalte. Die Presseinformation erwecke insgesamt den Eindruck, es habe tatsächlich eine Durchsuchung in den Räumen des Justizministeriums stattgefunden, was aber unstreitig nicht der Fall gewesen sei.

Zwar habe es einen Durchsuchungsbeschluss gegeben, die Staatsanwaltschaft sei am 9. September 2021 auch beim Justizministerium in Berlin vorstellig geworden. Die angeforderten Unterlagen seien jedoch direkt ausgehändigt und sichergestellt worden, ohne dass es zu einer Durchsuchung gekommen sei.

Durchsuchung war gar keine Durchsuchung

Darüber hinaus werde durch die Formulierung der Eindruck erweckt, es werde auch gegen leitende Verantwortliche im Ministerium wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt ermittelt, was ebenso wenig der Fall gewesen sei. Insoweit gehe die Presseinformation auch über den Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses hinaus.

Auch die Äußerung der Staatsanwaltschaft gegenüber dem Spiegel sei rechtswidrig, weil sie eine unwahre Tatsachenbehauptung darstelle. Die Äußerung indiziere die Behauptung, es sei nicht davon auszugehen, dass der Staatsanwaltschaft die benötigten Unterlagen seitens des Justizministeriums freiwillig herausgegeben werden würden bzw. worden seien. Da am Tag der Veröffentlichung dieser Äußerung die (freiwillige) Herausgabe bereits stattgefunden habe, sei die Tatsachenbehauptung keine zulässige sachliche Kritik, sondern schlicht falsch und damit rechtwidrig. Es sei der unzutreffende Anschein erweckt worden, das Justizministerium sei nicht zur Amtshilfe bereit. An die Öffentlichkeit gerichtete Äußerungen der Staatsanwaltschaft – Presseinformationen und sonstige Äußerungen – stellten für die Medien jedoch eine privilegierte Quelle dar, auf die sie sich verlassen könnten, weshalb sie den Tatsachen entsprechen müssten. Die rechtswidrigen medialen Äußerungen der Staatsanwaltschaft schädigten das Ansehen des Justizministeriums und seien geeignet, die Behörde in ihrer Funktion zu beeinträchtigen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

tsp