Jan Böhmermanns „Schmähgedicht“ gegen den türkischen Präsidenten Erdogan bleibt auch zukünftig teilweise verboten. Der Satiriker scheiterte nun auch mit seiner Verfassungsbeschwerde. Diese habe keine Aussicht auf Erfolg, so die Verfassungsrichter. Eine weitere Begründung gab es nicht.
Jan Böhmermanns Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist nicht zur Entscheidung angenommen worden (Beschl. v. 26.01.2022, Az.1 BvE 2026/19). Die einzige Begründung: Die Verfassungsbeschwerde habe keine Aussicht auf Erfolg. Von einer weiteren Begründung sieht das Gericht ab. Das ist nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) zulässig.
Damit bleibt es bei der Rechtslage, dass Böhmermanns „Schmähgedicht“, das sich in satirischer Weise gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan richtete, in Teilen verboten ist.
Was war passiert?
Hintergrund des „Gedichts“ war, dass der türkische Staatspräsident wegen eines überaus harmlosen Satirebeitrags von „extra 3“ den deutschen Botschafter einbestellt hatte. Außerdem unterdrückt der türkische Machthaber bis heute jegliche Kritik an ihm, insbesondere von Seiten der Presse – das geht bis zur Inhaftierung kritischer Journalisten.
Jan Böhmermann hatte als Reaktion auf die extra 3-Affaire das „Schmähgedicht“ am 31. März 2016 in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ (ZDFneo) vorgetragen und darin Erdogan unter anderem als „dumme Sau“, „Ziegenf***er“ bezeichnet. Er unterbrach sich mehrfach beim Vorlesen selbst und bekräftigte, das, was er hier tue, sei nicht erlaubt. Das hatte eine Staatskrise ausgelöst und seitdem die Staatsanwaltschaft und mehrere Gerichte beschäftigt.
Strafbar war das Gedicht allerdings nicht. Es fehle mindestens der Vorsatz, den türkischen Präsidenten ernsthaft zu beleidigen, so die Staatsanwaltschaft Mainz. Außerdem sei das Gedicht wohl auch objektiv nicht beleidigend, sondern eine „geradezu absurde Anhäufung vollkommen übertriebener, abwegig anmutender Zuschreibung negativ bewerteter Eigenschaften und Verhaltensweisen, denen jeder Bezug zu tatsächlichen Gegebenheiten – offensichtlich beabsichtigt – fehlt“.
Seitdem wurde in der Juristerei und der Gesellschaft die Frage diskutiert, wie sehr der Kontext eines solchen „Gedichts“ zu berücksichtigen. Schließlich ging es Böhmermann darum, Erdogan die tatsächlichen Grenzen der Meinungsfreiheit in Deutschland an einem sehr konkreten Beispiel aufzuzeigen. Wirklich ernst gemeint waren die Äußerungen nicht, sagte schließlich auch die Staatsanwaltschaft Mainz.
Vor den Zivilgerichten hatte der türkische Machthaber bislang allerdings immer großteils Erfolg.
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Die – nun bestätigten – Entscheidungen der Vorinstanzen
So hatte das Landgericht (LG) Hamburg der Klage Erdogans in Teilen stattgegeben und einen v 18 der 24 Zeilen des Schmähgedichts verboten (Urt. v. 10.02.2017, Az. 324 O 402/16). Zwar sei heftige Kritik an dem türkischen Präsidenten gerechtfertigt. Doch die verbotenen Textpassagen überschritten das Maß des Hinnehmbaren. Außerdem kommt es im Zivilrecht nicht auf den Vorsatz an – anders als im Strafrecht.
Verse wie „Er ist der Mann, der Mädchen schlägt“ blieben jedoch weiterhin erlaubt, da mehrere Berichte über Gewalt gegen Frauen in der Türkei vorlagen. Auch die Bezeichnung „sackdoof, feige und verklemmt“ durfte stehen bleiben, weil dies in zulässig überspitzter Form die Politik Erdogans kritisiere.
Sowohl Jan Böhmermann als auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatten gegen das Urteil Berufung eingelegt – Erdogan wollte, dass das Gedicht vollständig verboten wird. Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG Hamburg) hatte am 15. Mai 2018 entschieden, dass das Schmähgedicht des Satirikers Böhmermann weiterhin in Teilen verboten bleibt. Der Vorsitzende hatte zwar schon in der Verhandlung festgestellt, dass das umstrittene Gedicht als Satire anzusehen sei und damit unter die Kunstfreiheit falle. Doch auch diese sei nicht grenzenlos. Insbesondere sei die Grenze erreicht, wenn – wie hier – die Menschenwürde des Angegriffenen tangiert sei.
Der Bundesgerichtshof (BGH) wies eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurück (Beschl. v. 30.07.2019, Az. VI ZR 231/18). Es fehle die grundsätzliche Bedeutung.
Böhmermann und sein Anwalt hatten auf das BVerfG gehofft
Böhmermanns Anwalt Christian Schertz hatte gehofft, zumindest das BVerfG werde die Kunstfreiheit angemessen würdigen. Für eine Schmähung sei ein realer Bezug erforderlich, der hier überhaupt nicht gegeben sei. Das Gedicht sei derart überzogen und unterstelle Erdogan so viele widersprüchliche Neigungen und Absichten, dass die satirische Absicht klar erkennbar sei.
Auch Böhmermann sagte, sein Gedicht habe nicht gegen Erdogan, sondern gegen die Bundesregierung gezielt, die zu dem Zeitpunkt seiner Meinung nach viel zu abhängig von der Politik Erdogans gewesen sei. Dem Fernseh-Comedian sei es damals nicht möglich gewesen, „das Grundrecht auf die Freiheit von Wort, Presse und Kunst ausreichend zu wahren und zu verteidigen.“
Das BVerfG hatte sich zunächst mit der Angelegenheit befasst und Fachgesellschaften sowie Experten zu Stellungnahmen aufgefordert. Schließlich führe die kontroverse Diskussionen nicht zu einem einheitlichen Meinungsbild. Nun aber die fast unbegründete Entscheidung, das Thema nicht weiter zu verfolgen.
Nun, zukünftig wird Böhmermann sich wohl andere Methoden ausdenken müssen, die Kommunikationsfreiheiten zu verteidigen. So, wie man ihn aus den nergangenen Jahren kennt, werden ihm aber sicherlich noch viele kreative Möglichkeiten einfallen – für Überraschungen ist er schließlich immer gut.
ahe