Facebook darf Konten von Nutzern, die Fotos von sexueller Misshandlung von Kindern verschicken, ohne Vorwarnung dauerhaft sperren. Das hat nun das LG München I entschieden. Das Unternehmen sei aufgrund eines wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung berechtigt – auch, um eine Weiterverbreitung zu verhindern.
Ein Facebook-Nutzer hatte auf Wiederherstellung seines Kontos und Schadenersatz geklagt, nachdem Facebook sein Konto gesperrt hatte, ohne ihn vorher anzuhören. Dem erteilte das Landgericht (LG) München I eine Absage und entschied, dass die Vorgehensweise des Unternehmens zulässig war. Das Verschicken von Missbrauchsbildern sei ein wichtiger Grund, der Facebook zur außerordentlichen Kündigung des Nutzungsvertrages und damit zur sofortigen Kontosperrung berechtige (Urt. v. 31.01.2022, Az. 42 O 4307/19).
Dauerhafte Kontosperrung wegen Missbrauchsfotos
Der Facebook-Nutzer hatte neun Fotos von weiblichen Personen über den Facebook-Messenger weitergeleitet. Die von Facebook zum Ausfiltern von Pornografie eingesetzte Software „PhotoDNA“ identifizierte die Fotos als „Child Exploitative Imagery“ (CEI), also als ausbeuterische Bilder von Kindern. Daraufhin wurde das Konto des Nutzers dauerhaft gesperrt. Ihm wurde erst zeitgleich mit der Deaktivierung mitgeteilt, dass sein Konto gesperrt werde. Auf seine Beschwerde hin überprüfte ein Facebook-Mitarbeiter die Fotos und bestätigte den CEI-Inhalt der Bilder.
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Anschließend reichte der Mann Klage ein, weil er vor der Sperrung seines Kontos nicht angehört wurde. Die Fotos habe er von Freunden erhalten und er könne sich nicht vorstellen, dass diese unerlaubtes Material versendeten. Außerdem habe er die Fotos nicht öffentlich, sondern lediglich im Rahmen eines privaten Gesprächsverlaufs versandt.
Durch die Sperrung habe er nicht mehr mit Freunden und Familienmitgliedern kommunizieren können. Das Ausweichen auf andere Apps könne mit dem Verlust von Kontakten verbunden sein. Durch die Deaktivierung seines Kontos sei er zudem zumindest abstrakt daran gehindert, über Facebook seine Meinung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz (GG) kundzutun.
LG: Keine Anhörung erforderlich
Die Klage wurde nun abgewiesen. Das LG erklärte, Facebook sei bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung des Nutzungsvertragsverhältnisses zwischen dem Unternehmen und seinen Nutzern berechtigt – in Ausnahmefällen auch ohne vorherige Ankündigung. Das Verschicken von Missbrauchsbildern sei ein wichtiger Grund, der eine solche Ausnahme rechtfertige. Eine vorherige Anhörung des Mannes war deshalb nicht notwendig.
Facebook habe ein geschäftliches Interesse daran, seinen Nutzern ein sicheres Kommunikationsumfeld und seinen Werbekunden ein attraktives Werbeumfeld zu bieten, so das Gericht. Das Unternehmen dürfe Beiträge mit strafbaren oder rechtsverletzenden Inhalten entfernen oder sperren. Das Verbot von Fotos mit CEI-Inhalten diene außerdem nicht nur dem Schutz einer sicheren Kommunikationsumgebung, sondern auch und insbesondere dem Schutz von Kindern und Jugendlichen. Um die Verbreitung von solchen Inhalten auf dem sozialen Netzwerk nachhaltig zu unterbinden, sei es zulässig, bei einem Verstoß gegen das Verbot der Verbreitung das Konto des betroffenen Nutzers zu sperren und das Vertragsverhältnis zu kündigen.
Im entschiedenen Fall habe Facebook ein besonderes Interesse an einer sofortigen Beendigung des Vertragsverhältnisses gehabt. Gerade durch die digitale Verbreitung der Missbrauchsfotos bestehe die Gefahr der multiplen Weiterverbreitung, so die Richter. Nur durch eine sofortige Kündigung des Nutzungsverhältnisses sei es möglich, sicherzustellen, dass der Mann die Fotos nicht weiterverbreite.
Urteil ergänzt bisherige BGH-Entscheidungen
Die Entscheidung des LG München I ergänzt die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29. Juli 2021. In diesen erklärte der BGH aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Facebook verhängte Sperren für unwirksam, weil die AGB keine vorherige verpflichtende Anhörung des Betroffenen vor der Sperre des Benutzerkontos vorsahen (Az. III ZR 192/20 und III ZR 179/20). In diesen Fällen ging es um die Deaktivierung von Nutzerkonten wegen sogenannter „Hatespeech“ (hierzu unser Beitrag).
lrü