Plattformen wie Facebook müssen nach einem Hinweis auf einen rechtsverletzenden Post auch ohne weitere Hinweise sinngleiche Inhalte sperren. Dies hat das OLG Frankfurt am Main entschieden.
Ein Hostprovider wie Facebook muss nicht nur einzelne rechtsverletzende Beiträge auf seiner Plattform entfernen, sondern auch sinngleiche Inhalte sperren, selbst wenn sie in leicht veränderter Form erneut hochgeladen wurden. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem aktuellen Beschluss entschieden. Dies gelte insbesondere dann, wenn bereits ein Hinweis auf ein nahezu identisches Posting vorliege (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.3.2025, Az. 16 W 10/25). Damit führt das OLG Frankfurt die Rechtsprechung zum sog. „Künast-Meme“ unter Berücksichtigung des zwischenzeitlich in Kraft getretenen Digital Services Act (DSA) fort.
Fake-Werbungen mit Deep-Fake-Technologie
Der Beschluss bezieht sich auf ein Verfahren des prominenten Arztes und Fernsehmoderators Eckart von Hirschhausen gegen Facebook. Von Hirschhausen bewarb unter anderem die von ihm selbst entwickelte spezielle Hirschhausen-Diät. In der Vergangenheit jedoch tauchten auf der Plattform Facebook sogenannte Fake-Werbungen auf, in denen er angeblich auch für weitere Abnehmprodukte warb. Dabei wurden manipulierte Videos genutzt, in denen sein Name, sein Bildnis und seine Stimme auftauchten. Die Videos erweckten den Eindruck, er bewerbe aktiv bestimmte Produkte, obwohl dies nicht der Fall war.
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In dem aktuellen Verfahren ging es um zwei solcher täuschenden Werbevideos. Das erste Video verwendete eine Sequenz aus einer Talkshow, in der von Hirschhausen tatsächlich auftrat. Mittels Deep-Fake-Technologie wurde der Clip so manipuliert, dass der Eindruck entstand, er preise ein bestimmtes Mittel zur Gewichtsabnahme an. Er forderte Facebook auf, dieses Video zu entfernen, was in der Folge auch geschah. Kurze Zeit später tauchte ein weiteres Video mit nahezu identischem Inhalt auf, das sich lediglich in Details wie der Überschrift oder kleineren gestalterischen Elementen unterschied. Auch dieses Video entfernte Facebook – allerdings erst, nachdem von Hirschhausen erneut auf die Rechtsverletzung hingewiesen hatte.
Das Landgericht (LG) Frankfurt hatte seinen Antrag auf Unterlassung zunächst zurückgewiesen (LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.11.2024, Az. 2-03 O 393/24). Dagegen legte er Beschwerde beim OLG Frankfurt ein.
Warum Facebook auch sinngleiche Inhalte entfernen muss
Das OLG Frankfurt entschied nun, dass Facebook beim zweiten Video bereits nach der ersten Abmahnung eine Prüfpflicht getroffen hätte. Facebook habe also das zweite Video nicht erst nach einem weiteren Hinweis löschen dürfen, sondern schon aufgrund der Ähnlichkeit zum ersten Video selbst aktiv werden müssen.
Das OLG argumentierte, dass Hostprovider wie Facebook zwar grundsätzlich nicht verpflichtet seien, alle von Nutzern hochgeladenen Inhalte vor der Veröffentlichung auf mögliche Rechtsverletzungen zu prüfen. Eine Haftung entstehe aber dann, wenn sie ihre Prüf- und Verhaltenspflichten verletzen würden. Sobald ein Plattformbetreiber auf eine konkrete Rechtsverletzung hingewiesen wurde, müsse er nicht nur diesen konkreten Inhalt löschen, sondern auch vergleichbare Inhalte unterbinden.
Als „sinngleiche Inhalte“ erachtet das OLG dabei solche Beiträge, die sich nur marginal vom ursprünglichen Post unterscheiden würden. Dazu gehörten beispielsweise Videos oder Bilder mit identischem Inhalt, die lediglich in Auflösung, Format, Farbgestaltung oder typografischen Zeichen verändert worden seien. Auch das Hinzufügen von Captions, die den Aussagegehalt nicht veränderten, spielten dabei keine Rolle. Entscheidend sei der Gesamteindruck.
Beim ersten Video bestand insofern keine Pflicht zur vorherigen Löschung, da Facebook hier erst nach der Abmahnung über die Rechtsverletzung informiert worden sei. Für das zweite Video jedoch habe jedoch gegolten, dass es nahezu identisch mit dem ersten war. Da Facebook dieses erst nach einer erneuten Meldung löschte, sah das OLG darin eine Verletzung der Prüfpflichten. Das Gericht stellte klar, dass es in solchen Fällen keiner erneuten Abmahnung bedürfe – einmalige Hinweise auf eine bestimmte Art von Rechtsverletzung seien ausreichend, um auch ähnliche Inhalte erfassen zu müssen.
Die Entscheidung ist insbesondere vor dem Hintergrund des Digital Services Act (DSA) relevant. Dieser verpflichtet große Plattformbetreiber wie Facebook dazu, stärker gegen rechtswidrige Inhalte vorzugehen. Das Urteil bestätigt, dass sich für Plattformen daraus weitergehende Prüfpflichten ergeben. Wer einmal über eine bestimmte Art von Rechtsverletzung informiert wurde, muss auch ähnliche Verstöße eigenständig identifizieren und unterbinden.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.
tsp