Gedrucktes Papier wird weiter bevorzugt – zumindest im Steuerrecht. Nach einer Entscheidung des EuGH dürfen Printprodukte geringer besteuert werden als ihre digitalen Alternativen. Der Grund für diese Ungleichbehandlung: das komplizierte Steuerrecht. Nur so könne man die rasante Entwicklung im Digitalmarkt einfach handhaben.
Die sog. Mehrwertsteuerrichtlinie (RL 2006/112/EG) erlaubt den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), bei der Besteuerung von Büchern und Co. zwischen digitalen- und Printinhalten zu differenzieren. So wird die elektronische Lieferung von digitalen Schriften wie E-Books, Zeitungen und Zeitschriften von der Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes ausgeschlossen. Auf gedruckte Publikationen wie Bücher, Zeitungen und Zeitschriften hingegen findet die ermäßigte Mehrwertsteuer (MwSt.) Anwendung. Hierzu gehören auch Bücher, die auf einem physischen Träger wie beispielsweise einer CD-ROM geliefert werden.
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat nun entschieden, dass diese Richtlinie nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstößt (EuGH, Urteil vom 07.03.2017, Az. C-390/50).
Im konkreten Fall hatte ein polnischer Bürgerbeauftragter direkt das polnische Verfassungsgericht angerufen, weil er die Rechtmäßigkeit der Richtlinie bezweifelte. Dies ist möglich, wenn es um den Schutz der Bürger vor rechtswidrigem staatlichem Handeln und vor Menschenrechtsverletzungen geht. Das polnische Verfassungsgericht hegte ebenfalls Zweifel an der Gültigkeit der Richtlinie. U.a. sei der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt worden. Daher ersuchte es den EuGH, um diese Frage in einem Vorabentscheidungsverfahren klären zu lassen.
Gerichte können nur eingeschränkt prüfen
Der EuGH stellte in seinem Urteil zunächst zwar fest, dass hier zwei im Wesentlichen gleiche Sachverhalte ungleich behandelt würden, insbesondere da sowohl die Lieferung von Büchern auf elektronischem als auch auf physischem Wege dem Zweck des Lesens dienen.
Derartige Ungleichbehandlungen könnten jedoch gerechtfertigt sein, wenn sie einem rechtmäßigen Ziel dienen und die unterschiedliche Behandlung in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel steht.
Insbesondere bei steuerrechtlichen Maßnahmen spielten neben den rein rechtlichen Faktoren auch politische, wirtschaftliche und soziale Aspekte eine große Rolle. Damit der Unionsgesetzgeber diese teileweise diametral gegensätzlichen Interessen in Einklang bringen kann, stehe ihm ein weiter Ermessensspielraum zu. Daraus folge, dass die Gerichte dies nur eingeschränkt überprüfen könnten und die Prüfung sich letztlich auf offensichtliche Fehler beschränke.
Ungleichbehandlung ja, aber gerechtfertigt
Der Ausschluss der Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf die Lieferung digitaler Bücher sei Folge der Sonderreglungen für den elektronischen Handel, so der EuGH weiter. Aufgrund der Entwicklungsgeschwindigkeit, der elektronische Dienstleistungen unterliegen, sei es erforderlich, für solche Dienstleistungen klare, einfache und einheitliche Regeln zu normieren.
Auf diese Weise solle die zweifelsfreie Ermittlung des Mehrwertsteuersatzes ermöglicht und die Handhabung der Steuer durch die Steuerpflichtigen und die Finanzverwaltung erleichtert werden. Es bleibe dem Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltungen letztlich erspart, bei jeder Art von elektronischer Dienstleistung zu überprüfen, ob diese unter den Anwendungsbereich der Steuerermäßigung fällt.
Im Ergebnis stellte das Gericht fest, dass die Lieferung von Büchern auf elektronischem Wege – anders als die Lieferung von Büchern auf physischem Wege – auch den Zielen dient, die mit der Sonderregelung für elektronischen Handel einhergehen und daher eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.
Neue Mehrwertsteuer-Regelungen sollen kommen
Dies erscheint auf den ersten Blick einleuchtend, da das Steuerrecht ohnehin sehr kompliziert ist. Der Gesetzgeber ist dazu angehalten, dieses möglichst einfach zu gestalten und zu vereinfachen wo es geht, damit auch der Steuerpflichtige seine Rechte kennt und wahrnehmen kann.
Andererseits bezieht sich die Begründung des Gerichts stark auf das Verbreitungsmedium und lässt dabei außer Acht, dass die Steuerermäßigung mit der Förderung des Lesens auch einen kulturellen oder gar wissenschaftlichen Zweck verfolgt, dem hier nicht ausreichend Rechnung getragen wird.
Ein kleiner Hoffnungsschimmer bleibt jedoch. Denn bereits im Dezember 2016 hat die Europäische Kommission eine Änderung der Mehrwertsteuer-Regelungen angekündigt. Demnach soll den Mitgliedsstaaten ermöglicht werden, ihre Mehrwertsteuersätze für E-Books und Online-Zeitungen zu senken.
euc
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