Ist es erlaubt, Polizisten zu filmen? Diese Frage ist immer wieder Streitgegenstand vor deutschen Gerichten. Das LG Bonn hat nun entschieden, dass das Verbreiten von unverpixelten Aufnahmen von Routineeinsätzen im Internet strafbar sei. Das liegt insbesondere daran, dass an der Berichterstattung über Routineeinsätze kein erhöhtes öffentliches Interesse bestehe – das Persönlichkeitsrecht der Beamten gehe somit vor.

Vor dem Landgericht (LG) Bonn wurde ein Mann angeklagt, der sich selbst als freier Journalist bezeichnete. Er betrieb im Internet eine öffentliche Seite, auf der er selbst erstellte Videos von Polizeieinsätzen hochlud, die er selbst als wichtig einstufte. Dafür ließ er sich auch in den Presseverteiler der Polizei aufnehmen, durch die die Polizei über berichtenswerte Einsätze per SMS informiert. Mit seinen Videos verdiente er monatlich sogar Geld in Höhe von bis zu 1.500 Euro.

Zwei seiner Veröffentlichungen waren nun Gegenstand eines Strafverfahrens. Das erste Video zeigte eine polizeiliche Unfallaufnahme, bei der das Gesicht eines Polizisten deutlich zu erkennen war, der später Strafanzeige stellte. Das zweite Video zeigte, wie die Polizei einen Autokorso anlässlich einer Hochzeit stoppt und einen damit zusammenhängenden Verkehrsunfall aufnimmt. In diesem Video waren sogar 17 Polizeibeamte zu erkennen, die allesamt Anzeige stellten. Beide Videos waren nicht redaktionell bearbeitet und zu beiden Einsätzen gab es keine Presse-SMS, da es sich um unspektakuläre Routineeinsätze handelte.

Wegen der Veröffentlichung wurde der Mann zu einer Geldstrafe von insgesamt 2800 Euro verurteilt (Urt. v. 08.06.2021, Az. 25 Ns – 790 Js 802/19 – 69/21).

Was ist ein „Ereignis der Zeitgeschichte“?

Das LG Bonn verurteilte den Mann wegen Verstoßes gegen § 33 Kunsturhebergesetz (KUG). Nach dieser Norm macht sich strafbar, wer ohne Berechtigung Bildnisse von anderen verbreitet oder öffentlich macht. Eine Berechtigung kann entweder daraus folgen, dass die abgebildete Person zustimmt oder aus einer gesetzlichen Ausnahme. Die Polizisten haben vorliegend nicht eingewilligt, sondern im Gegenteil sogar Strafanzeige gestellt. Ohne die Einwilligung können gem. § 23 KUG aber auch Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte legal veröffentlicht werden.

(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden: 1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte; […]

§ 23 KUG

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen den §§ 22, 23 ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt. […]

§ 33 KUG

Die Richter beschäftigten sich deshalb mit der Frage, ob die Ausnahme aus § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG hier greifen könnte. Maßgeblich für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handele, sei laut Urteil der Begriff des Zeitgeschehens. Dieser dürfe nicht zu eng verstanden werden. Im Hinblick auf den Informationsbedarfs der Öffentlichkeit umfasse er alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Es gehöre zum Kern der Pressefreiheit, dass die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht. Dazu zähle auch die Entscheidung, ob und wie ein Presserzeugnis bebildert wird.

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Routineeinsätze sind „unspektakulär“

Jedoch sei auch nach einer weiten Auslegung des Begriffs nicht jeder Polizeieinsatz relevant für die Zeitgeschichte. Dem Ereignis müsse eine gewisse gesellschaftliche Tragweite und Bedeutung zukommen, wie es beispielweise der Fall sein kann, wenn polizeiliche Befugnisse derart überschritten werden, dass Polizeigewalt vorliegt. In solchen Konstellationen könnte das Persönlichkeitsrecht der einzelnen Beamten hinter dem öffentlichen Interesse zurücktreten.

Die vom Angeklagten veröffentlichten Routineeinsätze würden eine solche Tragweite aber keinesfalls aufweisen. Die Richter bezeichneten die dargestellten Polizeieinsätze im Urteil sogar als „weder aufsehenerregend oder gar spektakulär“. Zudem könnten Berichte in lokalen Tageszeitungen entgegen der Ansicht des Angeklagten und seiner Verteidiger keinen Maßstab dafür bieten, wann es sich um ein Ereignis der Zeitgeschichte im Sinne des KUG handele. Denn dort gäbe es zahlreiche Artikel, die lediglich nur ein sehr partielles öffentliches Interesse abdecken würden, „wie etwa über das Vereinsleben von Taubenzüchtern, Kleingärtnern, Teckelfreunden und ähnliches“. Laut LG Bonn würde eine Einstufung der vom Angeklagten dargestellten Ereignisse als Zeitgeschehen den Begriff und das Schutzkonzept des KUG völlig abwerten.

Weiterhin wurde im Urteil auch die Ausnahmekonstellation des § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG abgelehnt. Diese Norm erlaubt die Veröffentlichung von Bildern, wenn diese eine öffentliche Versammlung zeigen. Ein Hochzeitskorso stellt allerdings keine Versammlung im rechtlichen Sinne dar. Denn eine Versammlung meint ein Zusammenkommen zur öffentlichen Meinungsbildung, also Ereignisse, die in der Öffentlichkeit weithin als Demonstrationen bezeichnet werden.

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