„Geht das wieder los mit de Nazis. Da is doch schon eener! […] Fenster klirren, Schuss.“ Mit einem provokanten Hörspiel-Wahlwerbespot ist DIE PARTEI Sachsen nun vor Gericht gezogen. Da der Spot Gewalt gegen AfD-Anhänger suggeriere, wollte der MDR ihn nicht senden. Im Eilverfahren sollte das VG Leipzig nun feststellen, ob der MDR die Ausstrahlung verweigern durfte.
Sender des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dürfen die Ausstrahlung eines politischen Wahlwerbespot verweigern, wenn dieser einen offensichtlichen und schwerwiegenden Strafrechtsverstoß darstellt. Das Kurzhörspiel von der Satirepartei um Martin Sonneborn „DIE PARTEI“, in dem ein Charakter auf vermeintliche AfD-Wähler schießt, reiche dafür allerdings nicht aus. Das Verwaltungsgericht (VG) Leipzig entschied im Eilverfahren, dass der satirische Charakter überwiege (VG Leipzig, Beschl. v. 16.08.2024, Az. 1 L 473/24).
Schritte. Ein Bier zischt, und das Radio verkündet die Vereidigung der AfD-Regierung. „Örmschn! De AfD ham‘se vereidischt. Die Faschisden sind wieder anner Macht“, ruft der Protagonist des Wahlwerbespots und macht sich aus dem Weg die „Knarren ausm Keller“ zu holen. Dann fallen mehrere Schüsse, erst auf einen AfD-Wähler, dann auf den lieben Nachbarsjungen, der mutmaßlich auch schon „seit Johren“ die AfD wähle. Ein wilder Schusshagel folgt, denn „bei Fuffzisch Prozent wird’s schon die richtigen treffn!“.
Nicht untypisch für Wahlkampfmaterial von „DIE PARTEI“ provoziert der Hörspiel-Werbespot mit starker Zuspitzung und sehr explizitem satirischen Gehalt. Er provozierte sogar so sehr, dass der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) sich weigerte, den Spot im Radioprogramm „MDR Sachsen – Das Sachsenradio“ auszuspielen. Hiergegen ging DIE PARTEI nun vor dem VG Leipzig im Eilverfahren vor. Mit Erfolg: Laut Gericht müsse der Spot gesendet werden.
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Starker Anspruch auf Sendezeit
Das Gericht stellte klar, dass jeder Partei ein Anspruch auf Ausstrahlung eines Wahlwerbespots im Rahmen der ihr eingeräumten Sendezeit und Sendeplätze zustehe. Das ergebe sich unmittelbar aus dem Gleichbehandlungsgebot für Parteien (§ 5 Abs. 1 PartG).
Dieser Anspruch könne nur in sehr engen Grenzen ausgehebelt werden. Ein öffentlich-rechtlichen Radiobetreiber dürfe einen Werbespot nur dann zurückweisen, wenn dieser einen „evidenten und ins Gewicht fallenden Verstoß gegen allgemeine Normen des Strafrechts“ bedeuten würde. Erst dann sei eine Ausstrahlung für die Rundfunkanstalten unzumutbar, da sie sich nicht an offensichtlich rechtswidrigen Taten beteiligen müssten. Das VG verwies soweit auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Keine Aufforderung, Anleitung oder Volksverhetzung
Für eine offensichtliche Rechtswidrigkeit fehle es dem Spot jedoch an der nötigen Ernstlichkeit. Das Geschehen sei stark überzeichnet, was man vor allem an der Überreaktion der Protagonisten, den Beleidigungen und dem starken Dialekt erkennen könne. Entsprechend komme es auch nicht auf eine Abwägung mit der Kunstfreiheit an.
Um den Tatbestand der Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) zu erfüllen, hätte es eine bestimmte Erklärung gebraucht, mit der konkret zur Tötung von AfD-Wählern aufgerufen worden wäre. Ein bloßes Befürworten, Anreizen, Hinweisen oder Empfehlen reiche dafür gerade nicht aus. Ähnliches sagte das Gericht auch zu einer etwaigen Volksverhetzung (§ 130 StGB). Dafür müsse der Spot zum Hass gegen „Teile der Bevölkerung“ aufstacheln. Das Gericht argumentierte, dass AfD-Wähler schon nicht Teil der Bevölkerung in diesem Sinne sein könnten, da die persönliche Wahlentscheidung in der Regel nicht öffentlich verkündet würde. Entsprechend sei der Personenkreis der AfD-Wähler nicht „klar umrandet“.
Und aufgrund der überzeichneten und wenig detailreichen Darstellung der Schüsse sei erst recht keine Anleitung zu Straftaten (§ 130a StGB) gegeben.
Keine strafbare Verharmlosung
Auch eine Verharmlosung und Billigung von Gewaltstraftaten verneinte das VG.
Für eine verharmlosende Gewaltdarstellung (§ 131 StGB) müsse die Schilderung einer unmenschlichen Gewalttat gerade Sinn und Zweck des Spots sein. Das Gericht räumte hier ein, dass sich der Spot durchaus „im Grenzbereich der Strafbarkeit“ befinde, da die Protagonisten eine menschenverachtende Haltung zeigen würden. Durch ihre Ausrufe wie „Sowas verlernste nie“ oder „Oh ich eeh, viehsch die Gusche aus’m Nischel geruppt“ würden sie die Tötungen ins Lächerliche ziehen und bagatellisieren.
Trotzdem sei dieser unmenschliche Aspekt nicht das zentrale Anliegen des Spots. Der wesentliche Inhalt liege in der Darstellung des Widerstands gegen vermeintliche Nazis bzw. die Notwendigkeit dazu („Geht das wieder los, mit de Nazis“).
Laut dem VG heiße der Spot die gezeigten Straftaten auch nicht ausdrücklich gut. Gerade anhand des Schlusssatzes „Bevor es zu spät ist: Wählen Sie DIE PARTEI“ werde klar, dass der Spot ein fiktives Szenario durchspiele, welches gerade nicht von der Partei erwünscht sei. Eine Billigung im Sinne des § 140 StGB müsse man eher eng auslegen, sodass auch diese hier ausschied.
Fazit
Der Eilbeschluss des VG Leipzig macht deutlich, dass politische Werbespots einen starken Schutz vor staatlichen Einschränkungen genießen. Allerdings wird auch klar, dass sich die PARTEI hier auf einem schmalen Grat zur Strafbarkeit bewegt hat. Es ist letztlich der gesamte humoristische Kontext, inklusive der überzeichneten Dialekte und Reaktionen, die den Wahlwerbespot in den Augen des VG vor der Strafbarkeit retten. Im Rahmen des Eilverfahrens ist soweit auch ein lockerer Maßstab dahingehend angelegt worden, dass nur auf eine (für den MDR) offensichtliche Strafbarkeit abgestellt wurde.
DIE PARTEI Sachsen hat auf die Entscheidung gleich passend zum Spot reagiert und teilte u.a. mit: „Das Gericht hat’s gerichtet, also MDR: Feuer frei! (’s wird schon die Richtigen treffen.)“
Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig, und die Beschwerde zum Sächsischen Oberlandesgericht ist offen.
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