Die SPD Politikerin Sawsan Chebli klagte zuletzt gegen einen Facebook Kommentar, in dem sie als „dämliches Stück Hirn-Vakuum“ bezeichnet wurde. Mit ihrer Klage hatte sie keinen Erfolg. Das LG Heilbronn wies die Klage zurück.
Die ehemalige Berliner Staatssekretärin und SPD Politikerin Sawsan Chebli ist in den vergangenen Jahren immer wieder Zielscheibe feindseliger Äußerungen geworden. So kommentierte unter anderem ein Facebook Nutzer einen ihrer Kommentare mit den Worten sie sei ein „dämliches Stück Hirn Vakuum“. Chebli hatte dagegen Klage vor dem Landgericht (LG) Heilbronn erhoben und den Nutzer auf Schmerzensgeld in Höhe von 5.000€ verklagt. Das Gericht wies die Klage allerdings mit der Begründung zurück, die Aussage sei im konkreten Zusammenhang von der Meinungsfreiheit gedeckt (Urt. V. 22.03.2023, Az. Ko 8 O 85/22).
Dem Kommentar des Beklagten war eine Diskussion im November 2020 zu einem Fernsehbeitrag des Comedians und Kabarettisten Dieter Nuhr vorausgegangen. Chebli hatte die dortige Debatte auf ihrer Facebook Seite eröffnet, indem sie schrieb: „Immer wieder Dieter#Nuhr: so ignorant, dumm und uninformiert. Er nur Witze auf Kosten von Minderheiten machen“. Unter den Kommentaren war auch ein Kommentar des CDU Politikers Jan Redman, welcher letztlich den Beklagten dazu veranlasste, ebenfalls einen Kommentar zu verfassen, in welchem er die Politikerin Sawsan Chebli ein „dämliches Stück Hirn Vakuum“ nannte und ihrer Familie vorwarf, „Sozialschulden“ zu haben. Die Politikerin sah hierin eine Beleidigung nach § 185 StGB sowie eine üble Nachrede nach § 186 StGB, weshalb sie eine Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor dem Landgericht geltend machte.
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Der Beklagte behauptete wiederum im Prozess, er sei gar nicht der Urheber des Kommentars und jemand anderes habe diesen auf seiner Facebook-Seite verfasst. Zudem sei er durch die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG geschützt.
Gericht sieht in Kommentar Mischäußerung
Die Frage, ob der Beklagte tatsächlich der Urheber des Kommentars gewesen sei, konnte hier dahinstehen, da das Gericht die Klage schon aus anderen Gesichtspunkten für unbegründet erachtete.
Das LG Heilbronn wog hier das allgemeine Persönlichkeitsrecht Sawsan Cheblis gegen die Meinungsfreiheit des Beklagten ab. Dieses schützt sowohl Tatsachenbehauptungen als auch Werturteile. Letztere sind durch Elemente des “Meinens” geprägt. Insbesondere die Aussage, Chebli solle die Sozialschulden ihrer Familie abarbeiten, sei als sog. Mischäußerung zu qualifizieren, so das Gericht. Eine solche enthalte sowohl Elemente des Meinens als auch einen wahren Tatsachenkern. Das Gericht führte hier zugunsten des Beklagten aus, die Äußerung vertrete überwiegend die wertende Ansicht, Einwandererfamilien seien auf soziale Unterstützung angewiesen, weshalb sie insgesamt als Meinung zu qualifizieren sei.
Einfluss vorangegangener Äußerung auf Interessensabwägung
Auch bei dem Teil des Kommentars, der Chebli als ein „dämliches Stück Hirn-Vakuum“ bezeichnet, handele es sich nach Auffassung des Gerichts als eine von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsäußerung. Diese Äußerung habe Chebli hinzunehmen, denn auch sie habe sich im öffentlichen Diskurs gegenüber Dieter Nuhr mit ähnlich wertenden Worten wie „dumm“ und „ignorant“ geäußert. Infolgedessen habe auch sie mit Gegenäußerungen zu rechnen. Hier dürfte der Grundsatz gelten: “Wer selbst hart austeilt, muss auch mehr einstecken können.”
Das LG Heilbronn verneinte daher sowohl einen Unterlassungs- als auch einen Geldentschädigungsanspruch Cheblis.
Diese Wertung des Gerichts stieß in den vergangenen Tagen verständlicherweise medial auf viel Kritik. Vor allem die Grünen Politikerin Renate Künast stellte sich hier auf die Seite Cheblis. Sie selbst hatte, nach zunächst skandalösen Urteilen, Jahre lang gegen Hasskommentare (u.a. Drecksfotze) gekämpft. Zwar hatte Künast diesen Kampf letztlich gewonnen, doch der Fall Künast dürfte vielen noch im Gedächtnis geblieben sein.
Sawsan Chebli jedenfalls will in Revision gehen. Ob das Urteil bestehen bleibt, darf bezweifelt werden. Die Entscheidung hat insbesondere Schwächen bei der Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und dem Allgemeinem Persönlichkeitsrecht und dürfte mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht in Einklang zu bringen sein.
szi