In Sachsen und Bayern ruft die rechtsextreme Partei “DER DRITTE WEG” auf Plakaten dazu auf, “die Grünen zu hängen”. Das VG Chemnitz sah darin keinen eindeutigen Aufruf zur Gewalt – und erlaubte die Plakate, soweit im Umkreis von 100 Metern kein Grünen-Plakat hänge. Das OVG Bautzen hob diesen Beschluss jetzt aber auf: Die Plakate seien volksverhetzend und gefährdeten die öffentliche Sicherheit. Sie müssen daher abgehängt werden. So entschied im Ergebnis auch das LG München I.

Im Zuge der Bundestagswahl hatte die Partei “DER DRITTE WEG” in Sachsen und Bayern Wahlplakate mit dem Aufdruck “HÄNGT DIE GRÜNEN” aufgehängt. In kleineren Buchstaben war darunter der Satz “Macht unsere nationalrevolutionäre Bewegung durch Plakatwerbung in unserer Parteifarben in Stadt und Land bekannt” beigefügt.

Diese Plakate müssen nun in beiden Bundesländern abgehängt werden. Zuletzt hatte das Sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Bautzen dies entschieden und war damit dem Eilantrag der Stadt Zwickau gefolgt (Beschl. v. 21.9.2021, Az. 6 B 360/21). Die vorherige, anders lautende Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Chemnitz ist damit aufgehoben.

Die Plakate erfüllten den objektiven Tatbestand der Volksverhetzung. Sie seien geeignet, den öffentlichen Frieden durch Aufstacheln zum Hass sowie durch einen Angriff auf die Menschenwürde der Mitglieder der Grünen zu stören. Deshalb stellten sie eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Nach dem sächsischen Polizeibehördengesetzdarf darf das Ordnungsamt deshalb dagegen vorgehen.

Auf die Meinungsfreiheit kann sich die rechtsextreme Partei in diesem Fall nicht berufen. Zwar dürften Parteien ihre Kritik auch in überspitzter und polemischer Form äußern. Die Grenze sei aber bei gewichtigen Straftatbeständen – wie hier der Volksverhetzung – erreicht. Das Gericht wertete den Slogan auch nicht als doppeldeutig, sondern sah klar, dass er sich auf die Grünen beziehe. Schließlich würde die Mehrheit der Betrachter das auch so verstehen und den zweiten Satz überhaupt nicht wahrnehmen.

Umstrittene Entscheidung des VG Chemnitz

Anders hatte zuvor noch das VG Chemnitz entschieden. Die Stadt Zwickau hatte mit Bescheid vom 09.09.2021 angeordnet, die Plakate spätestens in drei Tagen nach der Zustellung des Bescheids zu entfernen. Gegen den sofort vollziehbaren Bescheid reichte “DER DRITTE WEG” einen Eilantrag beim VG Chemnitz ein mit der Begründung, die Anordnung verletze sie in ihrer Meinungsäußerungsfreiheit. Das Gericht gab dem Begehren der Partei statt und ordnete an, dass die Plakate mit der Maßgabe hängen bleiben dürfen. Allerdings müssten sie zu Wahlplakaten der Partei “Bündnis 90/Die Grünen” einen Abstand von 100m einhalten (Beschl. v. 13.09.2021, Az. 7 L 393/21).

Das VG Chemnitz hatte seine Entscheidung damit begründet, dass es – ausgehend von den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen für Wahlwerbung – noch offen sei, ob die strengen Voraussetzungen für einen gerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht auf Meinungsfreiheit vorliegen. Durch den zweiten Satz entstehe eine gewisse Doppeldeutigkeit der Plakate. Danach könnte auch gemeint sein, dass lediglich das Aufhängen von Plakaten der Partei “DER DRITTE WEG” gemeint sein soll. Denn tatsächlich ist die Parteifarbe der Partei grün. Doch auch, wenn die Grünen gemeint seien, gehe aus den Plakaten nicht eindeutig hervor, wer konkret angesprochen wird. Es könne sich sowohl um Politiker als auch um Wähler der Grünen handeln. Es sei auch keine konkrete Bedrohungslage auszumachen. Ein Eingriff in die Meinungsfreiheit ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn dafür tragfähige Gründe vorliegen.

Da in einem Eilverfahren nur solche Handlungen verboten werden können, die eindeutig und auf den ersten Blick gegen Gesetze verstoßen, genüge die bloße Möglichkeit einer Gesetzesverletzung noch nicht aus. In solchen Fällen müsse das Gericht eine Interessenabwägung vornehmen und die Belange beider Seiten gegenüberstellen. In diesem Fall liege ein eindeutiger Verstoß nicht vor, sodass im Rahmen einer Folgenabwägung die Interessen der beiden Parteien in Einklang zu bringen seien, so das VG Chemnitz.

Im Rahmen dieser Folgenabwägung hielt das Gericht es für angemessen, eine räumliche Trennung der Wahlplakate anzuordnen. So sei eine von der Wahlwerbung der “Grünen” unabhängige Wahrnehmung der Plakate möglich, ohne dass “DER DRITTE WEG” in seiner Wahlwerbung beeinträchtigt werde.

Im Falle der Plakate von „DER DRITTE WEG“ hat die Entscheidung des VG Chemnitz, diese hängen zu lassen, für massives Unverständnis und enormen Unmut in der Bevölkerung gesorgt. Viele warfen dem Gericht vor, durch den Beschluss gewaltbereiten Rechtsextremismus zu legitimieren und entgegen aller Rechtsstaatlichkeit zu handeln.

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Andere Bewertung in München: Störung des öffentlichen Friedens

Von Superikonoskop – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0

Auch in München wurden Plakate der Partei aufgehängt. Anders als in Zwickau hängte die Polizei diese hier aber eigenmächtig ab. Die Behörden sahen in der Äußerung einen Verstoß gegen § 126 des Strafgesetzbuchs, der die Störung des öffentlichen Friedens durch die Androhung von Straftaten unter Strafe stellt. Aus dem ersten Satz lasse sich die Forderung entnehmen, die Mitglieder der “Grünen” zu hängen, also ein Mordaufruf.

Das Vorgehen der Polizei wurde auch vom Landgericht (LG) München bestätigt. Dieses hat per Beschluss vorläufig verboten, die umstrittenen Wahlplakate aufzuhängen (Beschl. v. 17.09.2021, Az. 25 0 12449/21). Das Gericht folgte der Argumentation der Grünen und sah in der Formulierung jemanden „zu hängen“ eine Aufforderung, jemanden in sonstiger Weise zu töten oder körperlich zu verletzen. Mit der Äußerung werde daher das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Grünen und ihrer Mitglieder verletzt.

Auch Satireplakate von „die Partei“ sind zulässig

In einem weiteren Verfahren musste das VG Chemnitz ebenfalls über die Zulässigkeit von Wahlplakaten entscheiden (Beschl. v. 16.09.2021, Az. 7 L 395/21). Diesmal ging es um Plakate der Satirepartei „die Partei“, die nach einer Anordnung der Stadt Plauen abgehängt werden sollten. Die Stadt sah zwar keinen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit, da die Plakate insbesondere nicht gegen die Strafvorschriften §§ 111, 185 StGB verstoßen. Dafür führte sie an, durch die Wahlwerbung werde die öffentliche Ordnung bedroht.

Dieser Auffassung folgte das VG Chemnitz nicht. Das Gericht sieht in der Wahlwerbung der Partei eine zulässige Ausübung der Meinungsfreiheit. Nach den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aufgestellten Grundsätzen für Wahlwerbung handele es sich bei den Aussagen „Nazis töten. und „Feminismus, ihr Fotzen!“ um Werturteile, die in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fielen. Schließlich umfasse diese auch das Recht, sich im politischen Meinungskampf „selbst in überspitzter und polemischer Form kritisch zu äußern“, so das VG in seinem Beschluss. Eine Einschränkung dieses Rechts lediglich unter Berufung auf eine Gefahr der öffentlichen Ordnung reiche nicht aus.  Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

lpo/ahe