Die Gewerkschaft ver.di hat in einem Streit um eine Formulierung in dem Magazin „M Menschen Machen Medien“ vor dem Berliner Kammergericht gegen das Oberhaupt des Hauses Hohenzollern gewonnen. Das Gericht hat einen äußerungsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Prinzen abgelehnt. Eine andere Entscheidung würde „die Pressefreiheit in unzulässiger Weise beschneiden“.
Am 19. August 2021 hatte sich das Kammergericht (KG) Berlin in einer Marathonsitzung mit gleich vier Verfahren zur Abmahnpraxis von Georg Friedrich Prinz von Preußen, dem Nachfahren des letzten deutschen Kaisers, auseinandersetzen müssen. Weitere fünf sind offenbar noch anhängig.
Es ging jeweils um veröffentlichte Äußerungen, die sich Georg Friedrich Prinz von Preußen nicht gefallen ließ. Er erwirkte einstweilige Verfügungen gegen Journalisten und Historiker, welche in den Jahren 2019 und 2020 vom Landgericht Berlin bestätigt wurden. Das wiederum ließen sich die Betroffenen nicht gefallen und legten Revision ein. Darüber musste nun das KG Berlin entscheiden.
Nachdem der Prinz die meisten von ihm angestrengten Verfahren am Landgericht Berlin gewonnen hatte, wurde seine umstrittene Abmahnpraxis in zweiter Instanz auf den Prüfstand gestellt. Da es in den Verfahren um presserechtliche Fragen hinsichtlich der Zulässigkeit von Äußerungen ging, sah das Gericht in den Konflikten ein erhebliches öffentliches Interesse.
Kammergericht spricht sich für Pressefreiheit aus
In allen vier Verfahren ging es um presserechtliche Fragen hinsichtlich der Zulässigkeit von Äußerungen. Daher sah das Gericht in den Konflikten ein erhebliches öffentliches Interesse.
Unter anderem ging es um ein Verfahren gegen die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Hier strengte der Prinz die Unterlassung negativer Aussagen zu seiner Person an. In einem zweiten Verfahren beschäftigte sich das Gericht ebenfalls mit der Zulässigkeit einer Aussage. So führte der Verein „Open Knowledge Foundation“ aus, dass die hohenzollernschen Privatarchive öffentlich nicht zugänglich sein sollen.
Aber nicht nur Gewerkschaften und Vereine, sondern auch Historiker und politische Parteien sahen sich in der Vergangenheit einer Abmahnung des Hohenzollernoberhauptes ausgesetzt. So hatte das Gericht eine Sache zu entscheiden, in der es um die Zulässigkeit der Äußerungen eines Historikers ging, die er gegenüber der Deutschen Welle getätigt hatte. Im letzten Verfahren des Tages hat das Gericht sich mit der Rechtmäßigkeit einer einstweiligen Verfügung beschäftigt, die der Prinz gegen die Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus erwirkt hatte.
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Streit gegen ver.di: Kammergericht spricht sich für die Pressefreiheit aus
In dem Streit um die „Hohenzollern-Debatte“ hat sich die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) in der Auseinandersetzung mit dem Oberhaupt des Hauses Hohenzollern, Georg Friedrich Prinz von Preußen, erfolgreich gegen eine vom Landgericht (LG) Berlin im August 2020 erlassene und im November 2020 bestätigte einstweilige Verfügung gewehrt. Der von dem Familienoberhaupt der Hohenzollern geltend gemachte äußerungsrechtliche Unterlassungsanspruch blieb damit ohne Erfolg (Kammergericht Berlin, Urt. v. 19.08.2021, Az. 10 U 5/21).
Hintergrund der Streitigkeit war eine Äußerung im ver.di-Medienmagazin „M Menschen Machen Medien“. In dem Artikel „SLAPP: Pressefreiheit unter pressure“ hieß es, Prinz von Preußen habe sich als „besonders klagefreudig erwiesen, was die wissenschaftliche und mediale Aufarbeitung der Geschichte seiner Familie angeht“. Diese Aussage wollte der Prinz von Preußen nicht auf sich sitzen lassen. Aus diesem Grund zog er vor Gericht und beantragte eine einstweilige Verfügung, die vor dem Landgericht Berlin zunächst Bestand hatte. In zweiter Instanz ging die Gewerkschaft ver.di in Berufung, sodass das Kammergericht Berlin erneut über den Sachverhalt entscheiden musste.
Diese Berufung hatte Erfolg, so dass das Gericht die erlassene einstweilige Verfügung vom 06. August 2020 aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen hat. Nach Ansicht des Gerichts handele es sich bei der streitgegenständlichen Aussage um eine zulässige Meinungsäußerung. Man würde „die Pressefreiheit in unzulässiger Weise beschneiden“, hätte man dem Ansinnen der Hohenzollern stattgegeben, machte die Vorsitzende Richterin des Kammergerichts deutlich. Zudem sei es nicht von der Hand zu weisen, dass Georg Friedrich Prinz von Preußen „klagefreudig“ sei. Weitere Angaben zur Entscheidung machte das Gericht zunächst nicht.
Damit hat der Verfügungskläger als Familienoberhaupt eines deutschen Adelsgeschlechts mit dem von ihm in diesem Verfahren geltend gemachten äußerungsrechtlichen Unterlassungsanspruch nach dem Urteil der zweiten Instanz keinen Erfolg.
Entscheidungen in den anderen Verfahren
Erfolgreicher für Georg Friedrich Prinz von Preußen war zumindest eins der weiteren drei äußerungsrechtlichen Verfahren mit denen sich das Kammergericht am selbigen Tage beschäftigen durfte.
In dem Fall schloss sich das Kammergericht dem hohenzollern-freundlichen erstinstanzlichen Urteil des Landgerichts Berlin an. Der Entscheidung lag eine einstweilige Verfügung gegen den Verein „Open Knowledge Foundation“ zugrunde. Dieser hat ausgeführt, dass die hohenzollernschen Privatarchive öffentlich nicht zugänglich sein. Diese Behauptung konnte widerlegt werden, sodass das Gericht der einstweiligen Verfügung stattgab.
Der Rechtsstreit um die Äußerungen eines Historikers wurde in der Hauptsache für erledigt erklärt. Hintergrund dieser Streitigkeit waren mehrere vermeintlich unwahre Aussagen des Historikers Stephan Malinowski, die er gegenüber der Deutschen Welle getätigt hatte. Dabei hatte er unter anderem angemerkt, dass sich die Hohenzollern seiner Auffassung nach die Erforschung ihrer Familiengeschichte öffentlich finanzieren lassen wollten. Hintergrund war das Familienmuseum, das sich die Familie sich einrichten lassen wollte. Im Rahmen der Entscheidung hat der Senat sehr deutlich gemacht, dass die gesamten Äußerungen unzulässig sind. In diesem Zusammenhang hat das Gericht dem Verfügungsbeklagten daher angeraten zu Protokoll zu erklären, dass er die gesamte Äußerung nicht mehr wiederholt. Damit wurde die Sache für erledigt erklärt.
Im vierten und somit letzten Verfahren des Marathons entschied das Gericht über eine einstweilige Verfügung, die der Prinz gegen die Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus erwirkt hatte. Auch hier wurde der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung in Absprache beider Parteien zurückgenommen. Die Antragsrücknahme war damit verbunden, dass dafür gesorgt worden ist, das die streitige Äußerung nicht mehr wiederholt werden kann. Laut Aussagen des Gerichts seien weitere fünf Verfahren noch anhängig.
Urteile sollen anderen betroffenen Mut machen
Ver.di begrüßt das Urteil als überfällige Klarstellung, dass die „royalen Rechtsattacken einen Angriff auf die Pressefreiheit darstellen“. Das massive juristische Vorgehen gegen Journalist*innen durch Prinz von Preußen sei der Versuch, die öffentliche Debatte über die Familie der Hohenzollern zu ersticken. Dem habe das Gericht nun einen ersten Riegel vorgeschoben.
Ob die Entscheidungen des Kammergerichts zudem weitere Betroffene motivieren kann, sich gegen die Abmahn- und Klagepraxis der Hohenzollern zur Wehr zu setzen, bleibt abzuwarten.
Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig.Ein Termin für das Hauptsacheverfahren vor dem Berliner Landgericht ist bereits Anfang November angesetzt. Jedoch hat das Kammergericht dem Prinzen bereits während der Verhandlung nahegelegt, das Verfahren gegen ver.di nicht weiter zu führen. Aus diesem Grund bleibt abzuwarten, ob es zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren kommt.
jwi