Ein Frankfurter Politiker hatte Israel als „Virus“ bezeichnet, woraufhin eine Zeitung dies als „antisemitisch“ betitelte. Zwar habe die Zeitung die Äußerung nicht um den Sachbezug zur israelischen Siedlungspolitik verkürzen dürfen. Sehr wohl aber habe sie die Aussage als antisemitisch erklären dürfen, so das OLG Frankfurt.
Ein Fehlzitat kann vorliegen, wenn in einem Zeitungsartikel nur ein Satz eines Facebook-Posts zitiert wird, ohne auch den weiteren Kontext wiederzugeben, in dem der zitierte Satz steht. Eine an das Zitat anknüpfende Wertung der Aussage als „antisemitisch“ kann dagegen eine zulässige Meinungsäußerung sein. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main entschieden und damit die landgerichtliche Entscheidung im Wesentlichen bestätigt.
Der Kläger ist ein Frankfurter Politiker und stellvertretender Vorsitzender einer kleinen Partei und Mitglied der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung. Kern des Verfahrens war eine Aussage des Mannes im Internet, über welche die beklagte Zeitung berichtet hatte. Der Mann wendete sich sodann gegen insgesamt vier Aussagen im Rahmen der Berichterstattungen der Zeitung. In dem Bericht hieß es u.a., dass er auf Facebook geschrieben habe: „Während man nur noch von Corona redet, hat man den wahren Virus im Nahen Osten vergessen: Israel“.
Frankfurter Politiker als Antisemit dargestellt?
Der Frankfurter Politiker war der Ansicht, die Berichterstattung stelle ihn als Antisemiten dar und verletze ihn in seinen Persönlichkeitsrechten. Mit einer Klage auf Unterlassung versuchte er sich gegen die Aussagen zu wehren. Er führte an, das Zitat sei ohne weiteren Kontext wiedergegeben worden und verfälsche seine eigentliche Aussage, welche im Kontext mit Kritik an der Siedlungspolitik der israelischen Regierung gegenüber den Palästinensern gestanden habe.
Das Landgericht (LG) Farnkfurt am Main hatte seine Klage insgesamt abgewiesen (LG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.4.2022, Az. 2-03 O 367/21). Die hiergegen eingelegte Berufung hatte nun vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main nur hinsichtlich einer Aussage Erfolg (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 8.5.2024, Az. 16 U 169/22).
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Den Staat Israel durch Begriff „Virus“ mit Krankheitserreger gleichgestellt
Drei der angegriffenen Äußerungen enthielten auch nach Auffassung des OLGs zulässige Meinungsäußerungen. Soweit in den Berichten das Adjektiv „antisemitisch“ verwendet werde, liege eine zulässige Meinungsäußerung vor. Entgegen der Ansicht des Politikers werde nicht er als Person als Antisemit bezeichnet, sondern konkret aufgeführte Äußerungen als antisemitisch.
Die Zeitung habe diese Bewertung auf einen objektiv tatsächlichen Anknüpfungspunkt in Form des vorausgegangenen Posts des Klägers auf Facebook zurückführen können. Der Post biete (noch) einen ausreichenden Anhaltspunkt dafür, dass die Zeitung diesen Beitrag als antisemitisch habe beurteilen können. Der Mann habe den Staat Israel durch den Begriff „Virus“ mit einem Krankheitserreger gleichgesetzt, der – vergleichbar mit dem Corona-Virus – bekämpft und ausgerottet werden müsse.
Bei Abwägung der involvierten Interessen sei auch zu berücksichtigen, dass der Artikel einen Beitrag im geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage darstelle. Für die Öffentlichkeit seien sowohl die kleine Partei als Teil der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung als auch die von ihren Vertretern nach außen vertretenen Ansichten von wesentlichem Interesse.
Ein Zitat verfälsche Aussage
Mit Erfolg aber habe sich der klagende Politiker gegen die Aussage, dass er auf Facebook das oben wiedergegebene Zitat geschrieben habe, gewehrt. Das Zitat verfälsche seine eigentliche Äußerung.
Im Ursprungspost habe die Äußerung im Kontext mit Kritik an der Siedlungspolitik der israelischen Regierung gegenüber den Palästinensern gestanden. Durch das nicht gekennzeichnete Weglassen dieser Passage erhalte das Zitat eine andere Färbung und entspreche nicht mehr dem, was er tatsächlich gesagt habe.
Mit der Bezeichnung Israels als „wahren Virus“ habe er Kritik an der Siedlungspolitik des israelischen Staats seit 1948 zum Ausdruck bringen wollen. Es mache einen Unterschied, ob eine generell ablehnende Haltung gegenüber der Bevölkerung Israels geäußert werde, wie es die als Zitat des Mannes wiedergegebene Äußerung der Zeitung nahelege, oder ob hierfür ein sachlicher Bezug, nämlich die dortige Siedlungspolitik angeführt werde, so das OLG.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann der Kläger die Zulassung der Revision beim BGH begehren.
tsp