Jeder Schüler dürfte in seiner Laufbahn wohl mindestens einen Lehrer gehabt haben, der sich sehr kreative Methoden hat einfallen lassen, um den Stoff bestmöglich an seine Klasse zu vermitteln. Einem dieser Lehrer brachte die eigene Kreativität nun ein Rendezvous mit dem LG Köln ein. Der Grund: Er erstellte ein Video aus Cartoons, das auf einer Kurzgeschichte von Heinrich Böll basierte. Am Ende stellte sich die große Frage: War das eine Urheberrechtsverletzung?

Auch wenn ein urheberrechtlich geschütztes Werk in eine andere Form übertragen wird, in diesem Fall von einem Buch in ein Cartoon-Video, kann eine Urheberrechtsverletzung vorliegen. Das entschied nun das Landgericht (LG) Köln. Geklagt hatte ein Verlag, der die Rechte an einer Kurzgeschichte Heinrich Bölls hat, aus der ein Lehrer ein Video erstellte, das er auf YouTube hochgeladen hat. Auch die Schranke des Pastiches war dem Lehrer in diesem Fall keine Hilfe mehr (Urt. v. 28.03.2024 – Az.14 O 181/22).

In diesem Urheberrechtsstreit geht es um einen kreativen Lehrer und einen Verlag, der von den Lehrmethoden wenig begeistert war. Der Lehrer und spätere Beklagte wollte seinen Schülern den Inhalt einer Kurzgeschichte von Heinrich Böll näherbringen. Also fertigte der Lehrer ein Video aus Cartoons an und erzählte die Story aus der Kurzgeschichte in wesentlichen Zügen mit eigenen Worten wieder. Dieses Video lud die Lehrkraft dann bei YouTube hoch, sodass es für alle zugänglich wurde. Möglicherweise erfreuten sich die Schüler des Lehrers an dem Video. Wer allerdings nicht erfreut war, war der Verlag, der die Rechte an der dargestellten Kurzgeschichte Heinrich Bölls hat. Der Verlag sah in der Darstellung eine Urheberrechtsverletzung und zog vor das LG Köln.

Die Kölner Richter mussten sich mit der Frage beschäftigen, wie weit das Urheberrecht in solchen Fällen reicht.

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Auch Umwandlung in Film stellt Urheberrechtsverletzung dar

Der Lehrer behauptete, dass die Übertragung in eine andere Kunstform keinen Eingriff in den Schutzbereich des älteren Werkes darstellen würde. Dafür lieferte die Lehrkraft auch eine Passage im Kommentar zum Urheberrecht von Wandtke/Bullinger. Das LG ist jedoch anderer Ansicht. Laut den Kölner Richtern habe der Lehrer sehr wohl eine Urheberrechtsverletzung zugunsten des Verlags begangen, obwohl das Werk von Heinrich Böll, das in Form eines Schriftstücks vorliegt, in einen Film umgewandelt wurde.

Nach der von dem Lehrer angeführten Passage aus dem Kommentar zum Urheberrecht ist entscheidend, ob und inwieweit die gestalterischen Merkmale des älteren Werkes, die den Urheberrechtsschutz auslösen, übernommen wurden. Nur wenn die neu geschaffene Gestaltung keine urheberrechtlich geschützten Elemente des älteren Werkes aufweist, liege ein aus urheberrechtlicher Sicht irrelevanter Fall der Inspiration durch ein Werk einer anderen Gattung für ein eigenes Werk vor. Sollten jedoch die urheberrechtlich geschützten gestalterischen Merkmale übernommen werden, wie zum Beispiel bei der bildlichen Darstellung von körperlichen Kunstwerken, liege laut Ansicht des LG Köln eine Vervielfältigung im Sinne von § 16 UrhG vor.

Schließlich sei jede körperliche Festlegung eines Werkes, die das Werk auf irgendeine Art für die menschlichen Sinne wahrnehmbar macht, grundsätzlich eine Vervielfältigung im Sinne des § 16 Abs. 1 UrhG. Das Gericht führt weiterhin aus, dass seine Einschätzung auch durch § 23 Abs. 2 UrhG bestätigt werde, der die Übertragung in ein anderes Medium ausdrücklich als Bearbeitung oder andere Umgestaltung des ursprünglichen Werkes einstuft – insbesondere auch die Verfilmung eines Werkes gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1 UrhG.

§ 51a UrhG als Rechtfertigung?

Allerdings stellte sich das LG Köln noch die Frage, ob das Handeln des Lehrers möglicherweise durch die Schranke des Pastiches nach § 51a UrhG gerechtfertigt hätte sein können. Die Pastiche-Regelung wurde erst 2021 ins Gesetz aufgenommen, daher gibt es nur wenig an Rechtsprechung zu der Regelung. Allerdings sollte auch dieser letzte Strohhalm keine Hilfe mehr für den kreativen Lehrer sein.

Auch wenn der Begriff des Pastiches gemeinschaftsrechtlich noch nicht abschließend geklärt ist, legten sich die Kölner Richter fest, dass in diesem Fall kein Pastiche im Sinne von § 51a UrhG vorliege. Unabhängig davon, ob die Schrankenregelung der Nutzung zum Zwecke von Pastiches im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG ein Auffangtatbestand sei, zumindest für eine künstlerische Auseinandersetzung mit einem vorbestehenden Werk oder sonstigen Bezugsgegenstand, einschließlich des Samplings, und ob für den Begriff des Pastiche einschränkende Kriterien wie das Erfordernis von Humor, Stilnachahmung oder Hommage gelten würden, und wann eine Nutzung „zum Zwecke“ eines Pastiche erfolge, seien vorliegend die Voraussetzungen für ein Pastiche nicht erfüllt – so das LG Köln. Denn § 51a UrhG würde die Rechte des Urhebers zur Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches einschränken.

Weiterhin erklärte das LG Köln, dass die Schranke des Pastiches jedenfalls der Bindung an diesen Zweck unterliege, die hier überschritten sei. Das LG führt aus, dass selbst wenn die Zweckbindung es erlauben mag, Teile des Werks – gegebenenfalls künstlerisch abgewandelt – wiederzugeben, eine alleinige Nutzung des fremden Werkes ausgeschlossen sei. Eine solche Nutzung liege vorliegend vor, da das Video des Lehrers die Fabel von Heinrich Bölls Anekdote vollständig wiedergegeben habe – dabei seien laut dem LG auch keine eigenen Zusätze des Lehrers erfolgt. Lediglich die äußere Darstellung als Video habe die Lehrkraft gewählt, jedoch gebe er die von Heinrich Böll geschaffene Fabel wie aufgezeigt unverändert wieder, ohne darüber hinauszugehen.

Der Lehrer hatte vor dem LG also das Nachsehen. Die Pastiche wurde in diesem Fall letztlich verneint, weil der Lehrer das Werk Heinrich Bölls wiedergab, ohne eigene Akzente zu setzen.

agr