Ein AfD-Großspender, der auf dem Potsdamer Treffen von Rechten und Rechtsextremen nur als Spender erwähnt wurde, wollte seinen Namen aus dem Bericht streichen lassen. Wenigstens aber sollte Correctiv die Darstellung, wie und für wen er gespendet hatte, aus dem Artikel streichen. Das LG Hamburg hat den Eilantrag nun abgewiesen. Die klare Begründung: Es ist alles wahr und unstreitig, was im Bericht hierzu steht.

Die Pressekammer des Landgerichts (LG) Hamburg hat in einem zweiten Verfahren den Eilantrag eines im Artikel „Geheimplan gegen Deutschland“ genannten Spenders vollständig abgewiesen. Dieser hatte zunächst erwirken wollen, in dem Bericht nicht mehr namentlich genannt zu werden. Zudem solle nicht der Eindruck erweckt werden, er finanziere direkt die Organisation des rechtsextremen Österreichers, Martin Sellner. Correctiv hatte hierzu geschrieben: „Das Geld, das er sammelt, werde genutzt, um kleinere Organisationen zu unterstützen, wie etwa von Martin Sellner.“ Die Ansprüche bestünden aber nicht, weil der Correctiv-Bericht zu diesen Punkten unstreitig sei – und wahre Aussagen über einen selbst müsse man hinnehmen. Es gebe keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit nur so von anderen dargestellt zu werden, wie man sich selber sehen oder gesehen werden möchte. Auch habe Correctiv seine Stellungnahme um den Inhalt, dass es eine Unverschämtheit sei, „mit derartigem Unfug“ konfrontiert zu werden, kürzen dürfen (Beschl. v. 27.02.2014, Az. 324 O 53/24).

Der Beschluss liegt WBS.LEGAL vor. Correctiv schreibt hierzu auf LinkedIn, das Gericht habe dem Antragsteller zuvor einen Hinweis erteilt, ob er seinen Antrag zurücknehmen wolle. Über seine Kanzlei Höcker zog er aber nur einen Teil zurück und legte einen weiteren Schriftsatz vor – was nichts am Ergebnis änderte.  

Bereits am Dienstag, den 28.02.2024, hatte das LG zwei von drei Anträgen auf einstweilige Verfügung des Potsdamteilnehmers Dr. Vosgerau gegen Correctiv abgewiesen, ihm in einem Punkt jedoch Recht gegeben.

Es ist Aufgabe der Presse, über wahre Tatsachen zu berichten …

Dem im Bericht namentlich erwähnten „Mittelständler aus NRW und AfD-Großspender“ stehe kein Anspruch zu, dass nicht identifizierbar über ihn berichtet werde. Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) biete keinen generellen Schutz vor individualisierender Berichterstattung, sondern nur in spezifischen Hinsichten. Dabei komme es vor allem auf den Inhalt der Berichterstattung an.

Die identifizierende Verdachtsberichterstattung über Strafverfahren sei nicht immer zulässig. Dies weil dem Verfahren ein besonderes Gewicht zukomme, weil es mit den „stärksten staatlichen Sanktion eines staatlichen Unwerturteils“ enden könne, während aber zuvor noch die Unschuldsvermutung gelte.

Hiervon unterscheide sich jedoch eine Berichterstattung über einen Sachverhalt, über den unabhängig von einem Strafverfahren berichtet werde und bei dem es um einen unstreitigen Vorfall gehe. Insoweit gewähre das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht den Anspruch, nur so von anderen dargestellt zu werden, wie man sich selber sehen oder gesehen werden möchte. Hier seien Meinungsfreiheit und allgemeines Persönlichkeitsrecht abzuwägen. Denn die Presse könne „zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ nicht grundsätzlich auf eine anonymisierte Berichterstattung verwiesen werden. Bei Tatsachenberichten hänge das Ergebnis dieser Abwägung davon ab, ob die angegriffene Aussage wahr ist. Denn wahre Aussagen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind.

… und diese Tatsachen sind wahr

Nach diesem Maßstab sei die identifizierende Berichterstattung im vorliegenden Fall zulässig. Hier überwiege die Meinungsfreiheit von Correctiv gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Spenders. Schließlich seien die im Artikel geschilderten Umstände wahr.

Der Spender bestreitet nicht, dass er, wie in der Berichterstattung geschildert, auf einer von Gernot Mörig während des Treffens verlesenen Liste von Spendern stand. Er habe vielmehr in diesem Verfahren selbst vorgetragen, dass er über Herrn Mörig eine Spende in Höhe eines mittleren vierstelligen Tausendeuro-Betrages geleistet habe. Diese diente der Finanzierung der Durchführung eines Wahleinspruchs sowie einer Wahlprüfungsbeschwerde durch Herrn Dr. Vosgerau. Letzterer hatte auf dem Treffen einen Vortrag gehalten und von den juristischen Möglichkeiten gesprochen, Wahlen anzuzweifeln und – auf Nachfrage – auch seine konkrete Hilfe angeboten, etwa durch das Erstellen von Musterschreiben.

Die Berichterstattung über die de facto geleistete Spende betreffe den Spender zudem nur in dessen Sozialsphäre. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass er bereits zuvor aufgrund einer anzeige- und publizitätspflichtigen Spende in Höhe von über 50.000 € (§ 25 Abs. 3 S. 2, 3 ParteienG) an die AfD öffentlich in Erscheinung getreten sei. In diesem Zusammenhang habe er sich auch öffentlich gegenüber dem Spiegel und dem manager magazin geäußert.

Auch eine weitere Passage des Correctiv-Artikels darf so stehen bleiben, wie sie ist. Darin geht es unter anderem um die Ausführungen, „Das Geld, das er sammelt, werde genutzt, um kleinere Organisationen zu unterstützen, wie etwa von Martin Sellner. Das bedeutet: Jeder im Raum, der wie verabredet Geld zahlte, finanziert die Identitäre Bewegung und auch Sellner selbst.“ Hierzu schrieb das Gericht: „Die Äußerung, wonach der Antragsteller auf der von Herrn Mörig verlesenen Liste mit Spendern stand, ist – wie dargelegt – ebenso wahr wie der Umstand, dass der Antragsteller an Herrn Mörig auch tatsächlich eine Spende geleistet hat.“

Correctiv hat seine Stellungnahme nicht verfälscht wiedergegeben

Schließlich sei die Stellungnahme des Spenders nicht in unzulässiger Weise verfälscht oder verkürzt wiedergegeben. Sein Statement habe Correctiv mit der Passage „Dieser schreibt anschließend auf Fragen der Redaktion, dass er keine 5.000 Euro gespendet habe und sich auch nicht dazu veranlasst sehe“ zutreffend wiedergegeben, denn fast wortgleich hatte er es auch geschrieben.

Die Stellungnahme werde auch nicht deshalb in unzulässiger Weise verkürzt wiedergegeben, weil die Berichterstattung nicht erwähne, dass der Mittelständler zusätzlich geäußert habe, dass es eine Unverschämtheit sei, dass er „mit derartigem Unfug“ konfrontiert werde. Aus dieser Äußerung werde noch nicht deutlich, ob der Spender die Inhalte der Veranstaltung oder vielmehr die Art und Weise der Konfrontation als Unfug bezeichne.

Keine Direkt-Spende an Martin Sellner geleistet – und das versteht man auch

Der Unterlassungsanspruch bestehe auch nicht im Hinblick auf „die Erweckung des Verdachts oder des Eindrucks“, er habe eine Organisation Sellners finanziert oder sonstwie – auch unabhängig von dem Treffen – eine entsprechende Finanzierung zugesagt. Martin Sellner ist ein rechtsextremer Aktivist aus Österreich. Im Artikel wird er beschrieben als „das langjährige Gesicht der rechtsextremen Identitären Bewegung“ und als „führender Kopf der Neuen Rechten“. Er sprach auf dem Treffen als erster Redner zu dem von ihm entwickelten „Masterplan“ zur „Remigration“.

Der Artikel wecke aber nicht den Verdacht, der AfD-Großspender finanziere zugleich auch eine Organisation Sellners. In der Berichterstattung werde Mörig (der Organisator des Treffens) zunächst mit der Äußerung wiedergegeben, wonach das Geld, das er sammele, genutzt werde, um kleinere Organisationen zu unterstützen, „wie etwa von Martin Sellner“. Eine unmittelbar Sellner zuzurechnende Organisation werde somit nur als ein möglicher von mehreren denkbaren Empfängern der Spenden genannt. Im Artikel steht dementsprechend: „Das bedeutet: jeder im Raum, der wie verabredet Geld zahlte, finanziert die Identitäre Bewegung und auch Sellner selbst“. Dabei handele es sich um eine wertende Äußerung. Diese würde nicht zu dem tatsächlichen Verständnis führen, dass alle Zahlungen unmittelbar an Sellner oder an eine ihn ihm zuzurechnende Organisation flössen.

Weiterhin hatte der Spender angegriffen, dass Correctiv schrieb: „Er (gemeint ist Mörig) zeigt eine Liste von Unterstützern, die angeblich Geld zahlen wollen oder schon bezahlt haben; auch solche, die nicht da sind: (…) Außerdem: (Der Antragsteller), ein Mittelständler aus NRW und AfD-Großspender“. Diese Formulierung führe zwar zu dem Verständnis, dass der Antragsteller unabhängig von der für die Teilnahme erbetenen 5.000 € eine Spende geleistet habe – nicht jedoch, dass er an Herrn Sellner oder an ein ihm zuzurechnende Organisation gespendet habe. Vielmehr verstehe der „unvoreingenommene und verständige Durchschnittsleser“ die Äußerung lediglich dahin, dass der NRW-Mittelständler im Vorfeld der Tagung eine Spende geleistet habe, die Herrn Mörig bekannt sei. Dies sei, wie dargelegt, wahr.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Prozessvertreter, Dr. Carsten Brennecke, hat auf X (ehem. Twitter) bereits angekündigt, gegen die Entscheidung mit einer Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht (OLG) Hamburg vorzugehen.

(aktualisiert am Tag der Veröffentlichung um 20.26 Uhr)

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