Das Medienunternehmen ProSiebenSat.1 muss die Werbung einer österreichischen Modefirma zeigen, auch wenn die Ausstrahlung nur in Bayern stattfindet. Das Regionalwerbeverbot für nationale Fernsehveranstalter verstößt gegen EU-Recht, entschied nun das LG Stuttgart.

Bundesweiten TV-Programmen in Deutschland ist es verboten, regional unterschiedliche Werbung auszustrahlen. Das Landgericht (LG) Stuttgart entschied nun aber, dass dieses Verbot europarechtswidrig ist. Damit muss der private Medienkonzern ProSiebenSat.1 Werbung einer österreichischen Modefirma, die nur in Bayern laufen sollte, ausstrahlen (Urt. v. 23.12.2021, Az. 20 O 43/19).

Medienstaatsvertrag verbietet regionale Werbung

Das österreichische Modeunternehmen hatte geklagt, weil ProSiebenSat.1 einen Werbespot nicht zeigte. Das Unternehmen betreibt Modefachgeschäfte in Österreich und im Freistaat Bayern. Die ProSiebenSat.1 Media SE und das Modeunternehmen schlossen einen Vertrag über die Einbuchung von Werbung – die Ausstrahlung der Werbung wurde dabei auf das Gebiet Bayern begrenzt. Sie sollte also nicht in das bundesweit ausgestrahlte Fernsehprogramm eingefügt werden.

ProSiebenSat.1 verweigerte die Ausstrahlung des Werbespots, obwohl das Unternehmen dazu in der Lage ist, regionale Werbung zu zeigen. Hintergrund sind die Regelungen im Medienstaatsvertrag (MStV) der Bundesländer, die ein regionales TV-Werbeverbot festlegen. Danach ist eine regionale Verbreitung von Werbung in einem bundesweit ausgerichteten TV-Programm grundsätzlich verboten.

Nach dem MStV bedürfte die vorgesehene regionale Ausstrahlung durch einen bundesweiten TV-Anbieter einer – vorliegend nicht gegebenen – gesonderten landesrechtlichen Gestattung oder Zulassung (anders als bei einer Ausstrahlung regionaler Werbung durch regionale TV-Sender). Der Grund ist, dass die Bundesländer die Position von lokalen und regionalen Medien im Sinne der Meinungsvielfalt stärken wollen. Diese sollen von Einnahmen durch regionale Werbung profitieren können.

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EuGH sieht möglichen Verstoß gegen EU-Recht

Das LG Stuttgart hatte mit Beschluss vom 12.07.2019 das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mehrere Fragen zur Auslegung des EU-Rechts vorgelegt, über die dieser im Februar entschied (Urt. v. 03.02.2021, Az. C-555/19). Der EuGH gab die Einschätzung ab, dass das in Deutschland geltende regionale Werbeverbot für bundesweit ausgestrahlte TV-Programme gegen EU-Recht verstoßen könnte; insbesondere, weil es nicht für Werbedienstleister im Internet gilt.

Bruchstückhafter Schutz des Medienpluralismus

Das LG Stuttgart hat ProSiebenSat.1 nun dazu verurteilt, die Werbung auszustrahlen. Das regionale TV-Werbeverbot sei weder mit dem europarechtlich garantierten freien Dienstleistungsverkehr noch mit dem unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar und verstoße daher gegen Europarecht.

Im Hinblick auf die Dienstleistungsfreiheit sei das Werbeverbot bereits nicht geeignet, sein angestrebtes Ziel – nämlich den Schutz regionaler TV-Sender, denen Regionalwerbung gestattet ist – umfassend zu erreichen. Denn regionale Werbung auf Internetplattformen stellten gleichfalls eine echte Konkurrenz für die regionalen und lokalen Fernsehveranstalter dar. Die Internetplattformen gefährden nach Auffassung des Gerichts in ähnlich großem Maße wie die nationalen Fernsehveranstalter die Einnahmen, die die regionalen und lokalen Fernsehveranstalter mit dieser Werbung erzielen. Von den Internetplattformen gehe daher die gleiche Gefahr für das finanzielle Wohlergehen und den Fortbestand der regionalen und lokalen Fernsehveranstalter aus.

Ein Schutz des Medienpluralismus sei mit einem regionalen TV-Werbeverbot für bundesweite TV-Sender nur bruchstückhaft zu erreichen. Nach der Rechtsprechung des EuGH sei die damit verbundene Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit inkohärent und damit ungeeignet, die Medienvielfalt zu schützen.

Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes

Das regionale TV-Werbeverbot verstoße zudem auch gegen den unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die nationalen Fernsehanstalten würden anders behandelt als Anbieter von Werbedienstleistungen im Internet. Letzteren sei eine Regionalwerbung gestattet. Damit würden vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt, ohne dass es dafür eine objektive Rechtfertigung gebe.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das TV-Unternehmen kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart Berufung einlegen. Das ist jedoch unwahrscheinlich, denn auch ProSiebenSat1 war der Ansicht, dass die Regelungen im MStV rechtswidrig seien. Sowohl das Medienunternehmen als auch das österreichische Modeunternehmen dürften deshalb mit der Entscheidung zufrieden sein.

lrü