Ein Mann zeigte auf einer Anti-Israel-Demonstration eine Geste, die von Zeugen und der Presse als „Hitler-Gruß“ interpretiert wurde. Eine identifizierende Berichterstattung darüber sei zulässig, urteilte das LG Berlin II. Sie diene der Veranschaulichung antisemitischer Tendenzen in der Öffentlichkeit – das müsse man zeigen dürfen.
Die Zulässigkeit von Wort- und Bildberichterstattungen über Demonstrationsteilnehmer, die als Beispiele für antisemitisches Verhalten dienen, hat das Landgericht (LG) Berlin II im Eilverfahren bestätigt. Das Gericht hob eine zuvor erlassene einstweilige Verfügung auf, die einer Medienplattform die Berichterstattung untersagt hatte. Das Medium sei berechtigt gewesen, mit Bebilderung über das Verhalten eines Demonstrationsteilnehmers zu berichten, der im Kontext einer anti-israelischen Kundgebung den verbotenen antisemitische Hitler-Gruß zeigte. Der Informationswert für die Öffentlichkeit überwiege das allgemeine Persönlichkeitsrecht des gezeigten Mannes (Urt. v. 26.11.2024, Az. 27 O 250/24 eV).
Demonstrant wollte bebilderte Berichterstattung unterbinden
Ein seit sieben Jahren in Deutschland lebender Mann, hatte an einer Anti-Israel-Demonstration teilgenommen. Ein Journalist hatte ihn fotografiert, als er mit ausgestrecktem rechten Arm eine Geste machte, die als „Hitler-Gruß“ gedeutet wurde. In der Berichterstattung wurde unter Veröffentlichung dieser Bildaufnahme über die Proteste berichtet, die pro-palästinensisch und anti-israelisch geprägt waren. Das beklagte Medium betitelte den Bericht mit Schlagzeilen wie „Wieder Hetze gegen Israel Hitler-Gruß und Hamas-Jubel auf Hass-Demo“ sowie „Israel-Hass in der Hauptstadt Hitler-Gruß und Hamas-Jubel auf Demo“. Die weitere Textberichterstattung nimmt auf das Bild Bezug mit „H. -Gruß und Palästinenser-Schal: Offenbar kein Gegensatz für diesen Demonstranten“. Eine Namensnennung erfolgte aber nicht.
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Nachdem ihn sein Arbeitgeber darauf angesprochen hatte, forderte der abgebildete Mann die Entfernung des Bildmaterials und die Abgabe einer Unterlassungserklärung. Tatsächlich entfernte das Medium schließlich das Titelbild, hielt an der Berichterstattung jedoch fest. Dennoch beantragte der Abgebildete zunächst erfolgreich eine einstweilige Verfügung und erreichte zunächst ein Verbot der Wort- und Bild-Berichterstattung, gegen das die Medienplattform jedoch Widerspruch einlegte.
Das beklagte Medium argumentierte, dass die Berichterstattung wahrheitsgemäß und im öffentlichen Interesse sei. Die dargestellten Tatsachen, einschließlich der Geste des Klägers, seien durch Videos und Zeugenaussagen hinreichend belegt. Der Kläger hingegen bestritt den Vorwurf, die Geste sei ein „Hitler-Gruß“ gewesen. Vielmehr habe er versucht, die Kamera des Journalisten zu verdecken und sich gegen die Aufnahmen zu wehren.
LG Berlin: Informationsinteresse überwiegt Persönlichkeitsrecht
Das LG Berlin hob die einstweilige Verfügung auf. Die Berichterstattung habe ihn also nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach §§ 823, 1004 Abs. 1 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch analog in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 Grundgesetz, §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz (KUG) verletzt. In den Entscheidungsgründen nahm das Gericht explizit Bezug auf die kurz darauf ergangene Entscheidung zum Selfie mit Greta Thunberg auf einer ähnlichen Demonstration (Beschl. v. 29.11.2024 – Az. 27 O 308/24).
Das Gericht kam zunächst nach einer umfangreichen Beweisaufnahme mit der im Eilverfahren erforderlichen „überwiegender Wahrscheinlichkeit“ zu der Überzeugung, dass das Magazin wahrheitsgemäß berichtet hatte. Mehrere Zeuginnen bestätigten, die Geste des Klägers als „Hitler-Gruß“ wahrgenommen zu haben. Zusätzlich hätten sie glaubhaft ausgesagt, dass ein Polizeibeamter die Geste unterbunden habe, da sie in das aggressive und israelfeindliche Klima der Demonstration passte. Berichterstattungen über wahre Tatsachen seien aber in der Regel – so auch hier – zulässig.
Auch die veröffentlichten Bilder seien als Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte zulässig (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG). Die Abwägung zwischen den Rechten des Mannes und der Pressefreiheit fiel zugunsten des Mediums aus.
Die Berichterstattung über die Demonstration und das Verhalten der Teilnehmer, einschließlich des Klägers, komme erheblicher Informationswert zu. Die massiven Spannungen bei pro-palästinensichen und anti-israelischen Kundgebungen sowie deren Begleitumstände seien von sehr hohem gesellschaftlichen Interesse und Gegenstand öffentlicher Diskussionen. Dies betreffe auch den Aspekt, welche Personen sich daran beteiligten und wie sie sich verhielten.
Die Persönlichkeitsrechte des Teilnehmers müssten daher hinter dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit zurücktreten. Der Mann werde nicht unverhältnismäßig stigmatisiert oder an den Pranger gestellt. Dabei berücksichtigte das Gericht, dass der Teilnehmer sich in einer öffentlichen Demonstration befand, mithin lediglich seine Sozialsphäre betroffen war. Zudem hatte er sich bewusst und in Kenntnis der anwesenden filmenden Journalisten so verhalten. Im Vordergrund der Berichterstattung stehe nicht der Mann, sondern das Anliegen, Erscheinungsformen anti-israelischen und antisemitischen Verhaltens im Allgemeinen und auf politischen Demonstrationen im Besonderen zu benennen und zu veranschaulichen.
ahe