Comedian Thomas Spitzer durfte Luke Mockridge in einem Tweet „scheiße“ nennen. Das hat das LG Hamburg in einem Beschluss von vergangenem Montag entschieden und eine Verletzung von Mockridge in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verneint.

Von Krd – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0

„Scheiße“ werde umgangssprachlich häufiger eher „salopp“ verwendet und sei daher nicht als Schmähkritik oder Formalbeleidigung anzusehen. Der Tweet von Spritzer sei daher vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit erfasst und müsse nicht vom sozialen Netzwerk entfernt werden. Das hat das Landgericht (LG) Hamburg entschieden und eine gegen den Tweet gerichtete einstweilige Unterlassungsverfügung Mockridges erstinstanzlich abgewiesen (Beschl. v. 11.07.2022, Az. 324 O 263/22).

Hintergrund des Verfahrens vor dem LG ist ein Tweet Spitzers vom 26. Mai dieses Jahres, in dem sich Spitzer kritisch gegenüber dem Auftreten Mockridges als Entertainer äußerte. Der genaue Wortlaut der für den Rechtsstreit entscheidenden Textpassage lautete: „Die Frage nach der Trennung zwischen Werk und Künstler stellt sich nicht, wenn beides scheiße ist„.

Anlass für die Äußerung war nach Angaben Spitzers ein Auftritt von Mockridge in Berlin, bei dem er von einer Frau zu einem mittlerweile eingestellten Verfahren zwischen ihm und seiner Ex-Freundin Ines Anioli konfrontiert wurde. Anioli hatte Mockridge 2019 wegen versuchter Vergewaltigung angezeigt. Und obwohl die Kölner Staatsanwaltschaft das Verfahren bereits Anfang Mai 2020 mangels hinreichendem Tatverdacht eingestellt hat und auch eine Beschwerde Aniolis gegen die Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen wurde, flacht die gesellschaftliche Kritik an der Person Mockridges nach wie vor kaum ab.

Mockridge sah sich durch die Aussage Spitzers in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und beantragte vor dem LG Hamburg den Erlass einer einstweiligen Verfügung – allerdings ohne Erfolg.

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„Scheiße“ salopp für persönliche Missachtung

Entscheidend für den Ausgang des Verfahrens vor dem LG war, ob die Richter in der Äußerung Spitzers eine unzulässige Schmähkritik oder Formalbeleidigung sehen. Wäre das der Fall gewesen, hätte Spitzer aus rechtlicher Sicht kein schützenswertes Interesse an der Veröffentlichung des Tweets gehabt und eine Verletzung von Mockridge in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht sei zu bejahen gewesen.

Dazu führte das Gericht aus, dass die Äußerungen Mockridges zwar sowohl in seiner Rolle als Künstler als auch sein Werk in abwertender Weise kritisieren. Eine unzulässige Schmähkritik bestünde jedoch erst, wenn die Äußerung keinen nachvollziehbaren Bezug zu einer sachlichen Auseinandersetzung habe und es nur um das grundlose Verächtlichmachen des Betroffenen ginge. Eine Formalbeleidigung sei nur dann zu bejahen, wenn eine kontextunabhängige, gesellschaftlich absolut missbilligte und tabuisierte Begrifflichkeit verwendet werde.

Beides sei bei dem Tweet Spitzers nicht gegeben, so das LG, denn die Aussage befinde sich am Ende einer längeren Textpassage, in der sich Spritzer sowohl mit dem Auftritt Mockridges als auch der gesellschaftlichen Debatte rund um den Rechtsstreit mit Anioli auseinandersetze. Dadurch bestünde für die Kritik ein ausreichender Sachzusammenhang.

Besonders interessant an der Begründung des LG ist jedoch, dass nach Ansicht der Richter „scheiße“ kein generell zu tabuisierendes Adjektiv sei, sondern in der Umgangssprache häufig eher „salopp“ verwendet würde, um eine eigene Missachtung zu verdeutlichen. Auch deswegen verneinte das Gericht eine Schmähkritik sowie eine Formalbeleidigung.

Die anschließend vom LG vorgenommene kurze Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht von Mockridge und der Meinungsfreiheit von Spitzer kam im Ergebnis zu einem überwiegenden Interesse Spitzers an der Veröffentlichung des Tweets. Für das Überwiegen der Meinungsfreiheit spreche entscheidend, dass Spritzer die Äußerung im Rahmen einer ernsthaften inhaltlichen Auseinandersetzung getroffen habe. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht Mockridges sei hingegen nur geringfügig betroffen, da er nicht als Privatperson, sondern nur in seiner Rolle als Künstler adressiert worden war.

Beschluss des LG nur Entscheidung im Einzelfall

Entsprechend wies das LG Hamburg den Antrag von Mockridge auf Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung ab, weswegen der Tweet weiterhin öffentlich bleiben darf. Wichtig ist jedoch, dass das LG Hamburg in dem vorliegenden Beschluss nur über die Zulässigkeit der konkreten Meinungsäußerung entschieden hat. Nicht hingegen kann der Beschluss zum Anlass genommen werden, Mockridge allgemeingültig entsprechend zu bezeichnen.

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