Der ARD-Spielfilm „Die Auserwählten“ aus dem Jahr 2014 thematisiert den sexuellen Missbrauch von zahlreichen Kindern an der Odenwaldschule in Hessen. Ein ehemaliges Opfer des Missbrauchs klagte gegen die weitere Verbreitung einiger Filmszenen, da er erkennbar das Vorbild für eine der Hauptfiguren war. Die Klage blieb nun letztinstanzlich vor dem BGH erfolglos.
Der Kläger war in den 1980er Jahren Schüler der Odenwaldschule und wurde jahrelang sexuell missbraucht. Später trug er selbst wesentlich zur Aufklärung des Missbrauchsgeschehen bei und wirkte diesbezüglich auch an verschiedenen Presseveröffentlichungen und an einem Dokumentarfilm mit. Im Jahr 2011 veröffentlichte er sogar ein autobiographisches Buch, das unter einem Pseudonym veröffentlicht wurde, welches er nach Auszeichnung mit dem Geschwister-Scholl-Preis 2012 aber ablegte und nunmehr unter seinem Klarnamen auftrat. Eine Mitwirkung des an Original-Schauplätzen produzierten ARD-Films „Die Auserwählten“ 2014 lehnte er aber ausdrücklich ab. Eine Hauptfigur des Spielfilms ist ihm aber ersichtlich nachempfunden worden.
Er begehrte gerichtlich nunmehr die Untersagung der weiteren Verbreitung der Filmszenen, die ihn als Vorbild für die Filmfigur erkennen lassen, wegen seines Rechts am eigenen Bild und wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
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Keine Verletzung des Rechts am eigenen Bild
Die Unterlassungsklage gegen die Verbreitung der Filmszenen, die ihn als Vorbild für die Filmfigur erkennen lassen, hatte sowohl in den Vorinstanzen (Landgericht und Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg) als nun auch vor dem Bundesgerichtshof (BGH) keinen Erfolg (BGH, Urteil vom 18. Mai 2021, Az. VI ZR 441/19).
Nach Ansicht der Gerichte, kann sich der Kläger nicht auf sein Recht am eigenen Bild stützen. Denn die erkennbare Darstellung einer realen Person durch einen Schauspieler stellt nach Auffassung des BGH kein Bildnis der dargestellten Person im Sinne des § 22 S. 1 Kunsturhebergesetz (KUG) dar. Dieser Schutz würde in einem solchen Fall ausschließlich dem Schauspieler zustehen, da er auch in der Rolle noch als Schauspieler, also er selbst, erkennbar bliebe. Ein Bildnis der dargestellten Person, also hier des Missbrauchsopfers, könne man erst annehmen, wenn ein täuschend echter Eindruck erweckt werde, was bei der Nachstellung berühmter Szenen durch Doppelgänger der Fall sein könne. Dies sei hier allerdings nicht der Fall, denn es sei erkenntlich, dass die Hauptfigur in dem Spielfilm schauspielerisch dargestellt werde.
§ 22 Satz 1 KUG: Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.
Keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
Ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 analog, § 823 Abs. 1 BGB des Klägers ergebe sich weiterhin auch nicht aus seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG). Denn bei einer Beeinträchtigung dieses Grundrechts müsse auch das Grundrecht der Kunstfreiheit der Filmproduzenten berücksichtigt werden. Der BGH stellte fest, dass die Darstellungen in „Die Auserwählten“ das Persönlichkeitsrecht des Klägers zwar beeinträchtigen würden, weil die Übereinstimmungen zwischen seinem persönlichen Schicksal und der Darstellung der Hauptfigur tatsächlich sehr ausgeprägt seien. Die Beeinträchtigung würde auch durch „die in der besonderen Intensität der visuellen Darstellung liegende suggestive Kraft eines Spielfilms“ verstärkt.
Die Beeinträchtigungen des Klägers würden aber insgesamt nicht schwere wiegen, als eine Beeinträchtigung der Kunst- und Filmfreiheit des ARD durch Untersagung der Verbreitung wiegen würde. Das Ergebnis dieser Abwägung ergebe sich insbesondere auch daraus, dass sich der Kläger schon freiwillig in der Öffentlichkeit – auch durch seine Autobiographie – geäußert und geöffnet habe. Das Aufgreifen seines bereits öffentlichen Schicksals verletze sein allgemeines Persönlichkeitsrecht deshalb nicht mehr.
ses