Pink-Floyd-Mitbegründer Roger Waters darf am 28. Mai in der Frankfurter Festhalle auftreten. Das hat das VG Frankfurt entschieden. Das Land Hessen und die Stadt Frankfurt hatten versucht, das Konzert zu verhindern. Sie werfen Waters Antisemitismus vor.

Roger_Waters_en_el_Palau_Sant_Jordi_de_Barcelona (The_Wall_Live), 04.jpg, CC BY 2.0

Roger Waters ist ein britischer Sänger, E-Bassist, Komponist, Texter und Musikproduzent. Weltruhm erlangte er als Mitglied der Rockgruppe Pink Floyd, die er mitgründete. Allerdings machte er ohne Zweifel begnadete Musiker in jüngerer Vergangenheit vor allem durch politische Ausfälle von sich reden. So wird Waters unter anderem für seine Nähe zur BDS-Kampagne (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) kritisiert, die zum Boykott des Staates Israel und seiner Güter wegen der Palästina-Politik aufruft. Bei Konzerten ließ er so bereits Ballons in Schweineform mit einem Davidstern aufsteigen. Auch seine Äußerungen zum Krieg in der Ukraine sorgten für Aufsehen, so etwa, dass Russlands Präsident Wladimir Putin damit den Faschismus in dem Land bekämpfen wolle und dass die USA ein Hauptaggressor seien.

Auf Betreiben des Frankfurter Magistrats und des Landes Hessen hatte die Messegesellschaft dem Konzertveranstalter des 79-Jährigen Waters für dessen Auftritt am 28. Mai ein Kündigungsschreiben zustellen lassen. Der umstrittene Pink-Floyd-Mitbegründer warf der Stadt daraufhin einen Angriff auf die Kunstfreiheit vor und klagte. 

Nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts (VG) Frankfurt am Main müssen die Stadt Frankfurt am Main und das Land Hessen als Gesellschafter der Frankfurter Messe GmbH Waters nun die Möglichkeit verschaffen, sein geplantes Konzert am 28.05.2023 in der Festhalle durchzuführen /VG Frankfurt a.M., Az. 7 L 1055/23.F).

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Kündigung wegen israelkritischer Bühnenshow

Im Herbst 2022 schloss die Messe GmbH mit der Produktionsfirma von Roger Waters einen Vertrag zur Durchführung der Veranstaltung „Roger Waters 2023 Konzert“ am 28.05.2023 in der Frankfurter Festhalle. Die Stadt Frankfurt am Main und das Land Hessen sind Gesellschafter der Messe GmbH und halten jeweils 60 bzw. 40 % Geschäftsanteile.

In der Festhalle wurden zu Zeiten der nationalsozialistischen Diktatur im November 1938 nach der Reichspogromnacht mehr als 3.000 jüdische Männer aus Frankfurt und dem Rhein-Main-Gebiet zusammengetrieben, festgehalten, schwer misshandelt und anschließend der Deportation in die Konzentrationslager zugeführt. Entsprechende Gedenktafeln sind in der Rotunde der Halle und auf dem Vorplatz aufgestellt. 

Mit Magistratsbeschluss vom 24.02.2023 wies die Stadt zusammen mit dem Land die Geschäftsführer der Messe GmbH an, den Veranstaltungsvertrag unverzüglich aus wichtigem Grund zu kündigen und damit die Festhalle nicht für das Konzert zur Verfügung zu stellen. In dem Rücktrittsschreiben der Messe GmbH an die Produktionsfirma von Roger Waters vom 21.03.2023 wurde hierzu ausgeführt, dass man auf mögliche israelfeindliche Äußerungen Waters und auf mögliche israelkritische Teile seiner Bühnenshow aufmerksam gemacht worden sei.

Nach erfolglosen Verhandlungen über die Nutzung der Festhalle und somit über die Vertragserfüllung hatte Waters am 04.04.2023 einen Eilantrag beim VG Frankfurt am Main gestellt, mit dem er gegenüber dem Land und der Stadt Frankfurt am Main seinen Anspruch auf Nutzung der Festhalle geltend macht.

Konzert sei Kunst und dürfe stattfinden

Mit Beschluss hat das VG Frankfurt am Main nun dem Antrag überwiegend stattgegeben und entschieden, dass das Land Hessen und die Stadt Frankfurt am Main dem Antragsteller durch entsprechende Einwirkung auf die Geschäftsführer der Messe GmbH Zutritt zur Festhalle zur Durchführung des Konzertes am 28.05.2023 zu verschaffen haben.

Das Gericht hat zunächst ausgeführt, dass der Antrag gegen das Land Hessen und die Stadt Frankfurt am Main zulässig sei. Diese hätten gemeinsam Einwirkungsmöglichkeiten auf die Messe GmbH, weil sie die alleinigen Gesellschafter seien. Dies zeige schon der Magistratsbeschluss vom 24.02.2023, mit dem die Geschäftsführer der Messe GmbH angewiesen wurden, den Vertrag mit der Produktionsfirma zu kündigen. Dem Antrag stehe auch nicht entgegen, dass es keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen zwischen Roger Waters und der Messe GmbH gebe, da die Zugangsbeschränkung auch die Rechte Waters selbst betreffe.

Inhaltlich habe der Musiker Roger Waters einen Anspruch auf Durchführung des Konzerts aus Art. 3 Grundgesetz in Verbindung mit der Selbstbindung der Verwaltung. Denn die Festhalle sei als Event- und Konzerthalle aufgrund der bisherigen Benutzungspraxis allgemein für Veranstaltungen und Konzerte von internationalen Künstlern sowie für Messen, Ausstellungen und Kongresse von Unternehmen gewidmet. Insoweit habe Waters einen Verschaffungsanspruch auf Zugang zu der Halle, den die öffentlichen Träger durch Einwirken auf den privatrechtlichen Betreiber zu erfüllen hätten. Das für den 28. Mai 2023 geplante Konzert sei vom Widmungszweck der Festhalle umfasst. Eine konkludente Widmungsbeschränkung aufgrund der besonderen historischen Bedeutung der Festhalle ergebe sich weder aus der bisherigen Benutzungspraxis noch aus anderen Umständen wie etwa den Gedenktafeln.

Bühnenshow nutzt Symbolik nationalsozialistischer Herrschaft

Durch die Entziehung der Nutzung der Festhalle werde Waters in seinem Grundrecht auf Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes verletzt. Die Konzertveranstaltung sei als Kunstwerk zu betrachten. Bei einer Beschränkung der nach dem Grundgesetz schrankenlos gewährten Kunstfreiheit müsse entsprechend den verfassungsrechtlichen Wertungen zur Meinungsfreiheit bei Kunstwerken, die mehrere nachvollziehbare Interpretationsmöglichkeiten zulassen, diejenige Lesart gewählt werden, die nicht als in irgendeiner Form rechtswidrig oder gar sanktionsbedürftig einzustufen sei. Danach verletze das Konzert nicht die Menschenwürde der in der Festhalle misshandelten jüdischen Männer und es lasse sich eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Geltungs- und Achtungsanspruchs der in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden nicht zweifelsfrei feststellen. Zwar bediene sich Waters im Rahmen seiner Bühnenshow offenkundig einer an die nationalsozialistische Herrschaft angelehnten Symbolik.

Gerade vor dem historischen Hintergrund der Festhalle möge die Bühnenshow daher als besonders geschmacklos zu bewerten sein. Eine solche Bewertung entziehe sich jedoch der verwaltungs- bzw. verfassungsrechtlichen Prüfung. Entscheidend sei allein, dass der Auftritt Waters in seiner Gesamtschau nicht den Schluss zulasse, dass er nationalsozialistische Gräueltaten verherrliche oder relativiere oder sich mit der nationalsozialistischen Rassenideologie identifiziere.

Anhaltspunkte dafür, dass durch seine Bühnenshow oder von ihm selbst strafbare Handlungen, wie das Verwenden von Propagandamaterial und Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§§ 86, 86 a Strafgesetzbuch) oder Volksverhetzung (§ 130 Strafgesetzbuch), begangen würden, seien nicht ersichtlich.

Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in Kassel eingelegt werden.

tsp