Muss sich eine Transfrau Hashtags wie „#DubistEinMann“ gefallen lassen? Die Pressekammer des LG Frankfurt am Main entschied in drei Fällen über mögliche Persönlichkeitsrechtsverletzungen transsexueller Frauen. Eine der angegriffenen Aussagen stammte aus der Feder des ehemaligen Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt.
Die Pressekammer des Landgerichts (LG) Frankfurt am Main befasste sich mit drei unterschiedlichen Äußerungen, gegen die sich die betroffenen Frauen juristisch gewehrt hatten. In zwei von drei Fällen sah das LG das Persönlichkeitsrecht als verletzt an (Az. 2-03 O 204/23 und Az. 2-03 O 149/23), in einem Fall konnte sich die betroffene Transfrau jedoch nicht gegen einen Twitter-Kommentar wehren (Az. 2-03 O 228/23).
Anlass für die Klagen waren einige Äußerungen in journalistischen Beiträgen und sozialen Medien. Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung liegt laut dem Landgericht (LG) Frankfurt am Main vor, wenn nach umfassender Würdigung unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes der Äußerung der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Transfrau gegenüber dem Recht auf Meinungsäußerung der Presse oder des Netzwerknutzers überwiegt. Eine solche Persönlichkeitsrechtverletzung wurde in Bezug auf die angegriffenen Aussagen teilweise angenommen, teilweise aber auch abgelehnt. In der mündlichen Urteilsbegründung wurde erklärt, dass die geschlechtliche Identität Teil der zu achtenden Persönlichkeit eines Menschen sei. Allerdings stellte das Gericht klar, dass nicht jede darauf bezogene, abwertende Äußerung per se unzulässig sei.
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Wenn ein Hashtag ausschlaggebend wird (Az.2-03 O 228/23)
In einem Verfahren ging es um einen Twitter-Kommentar mit dem Hashtag „#DubistEinMann“. Antragstellerin war eine Transfrau und Aktivistin für Trans-Rechte, die auf Twitter um Unterstützung für das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz warb.
Der Eilantrag der Aktivistin gegen den Kommentar wurde vom LG Frankfurt am Main zurückgewiesen. Die Pressekammer war der Auffassung, dass bei dem Kommentar der wertende Charakter im Vordergrund stehe. Zwar werde aus diesem Kommentar eine ablehnende, polarisierende Haltung zum Einsatz für das Selbstbestimmungsgesetz und zur Transgeschlechtlichkeit im Allgemeinen deutlich. Er beinhalte laut Gericht jedoch weder eine Schmähkritik noch eine Beleidigung. Es handele sich lediglich um eine Meinungsäußerung.
Außerdem sei bei der erforderlichen Abwägung der Meinungsfreiheit der Twitter-Nutzerin gegenüber dem Persönlichkeitsrecht der Aktivistin zu berücksichtigen, dass der Kommentar im Kontext der gesellschaftlichen Auseinandersetzung über den Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes erfolgt sei. Das Hashtag-Zeichen verdeutliche dies, denn diese würden auf Twitter verwendet, um unter einem Schlagwort Diskussionen zu eröffnen. „#DubistEinMann“ sei auch bereits zuvor auf Twitter verwendet worden. Das Gericht zog den Schluss, dass obwohl das Wort „Du“ die betroffenen transsexuellen Personen in besonders herausfordernder Form personalisiere, es sich hier nicht auf eine bestimmte, individuelle Person beziehe. Vor diesem Hintergrund sei die Verwendung genau dieses Hashtags eine zulässige Meinungsäußerung im Rahmen der öffentlichen Diskussion.
Streit zwischen Aktivistin und Julian Reichelt (Az. 2-03 O 204/23)
In einem anderen Fall ging es um die Überschrift eines Blogbeitrags. Eine Transfrau, die im Personenstandsregister als „weiblich“ eingetragen ist und seit 40 Jahren als Frau lebt, ging gerichtlich gegen Äußerungen des ehemaligen Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt vor – am Ende verzichtete sie aber auf etwaige Unterlassungsansprüche. Diesen Verzicht nahm der Journalist zum Anlass, einen Blogbeitrag mit der Überschrift „Versuchte Abmahnung gegen Ansage: Totalitär tickende Transe zieht den Schwanz ein.“ zu veröffentlichen. Im April 2023 reichte die Betroffene einen Eilantrag auf Unterlassung dieser Äußerung ein – mit Erfolg. Nachdem Julian Reichelt Widerspruch einlegte, schaffte das LG Frankfurt am Main nun Klarheit: Die Frankfurter Richter sahen in der Überschrift des Blogs eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Aktivistin, wenngleich auch hier die Grenze der Schmähkritik noch nicht überschritten worden sei.
Der Begriff „Transe“ sei umgangssprachlich abwertend und kein bloßes – vermeintlich neutrales – Kurzwort für eine transsexuelle Person. Die herabwürdigende Intention der Äußerung werde zudem durch das Attribut „totalitär tickend“ verstärkt. Die Aussagekomponente „zieht den Schwanz ein“ stelle außerdem unmissverständlich eine Assoziation zum männlichen Geschlechtsteil her und richte den Fokus auf die Frage seines (Nicht-)Vorhandenseins bei der Aktivistin, so das Gericht. Diese Hervorhebung habe keinerlei Sachbezug zu der vorangegangenen rechtlichen Auseinandersetzung zwischen den Parteien und müsse daher von der Aktivistin nicht hingenommen werden.
Streit zwischen Transfrau und Biologin (Az. 2-03 O 149/23)
Die Aktivistin aus dem eben geschilderten Fall gegen Julian Reichelt reichte außerdem noch eine weitere Klage ein. Sie lebt seit 40 Jahren als Frau, trägt einen weiblichen Vornamen und möchte auch so angesprochen werden. Im Februar 2023 erschien ein Artikel, in dem kritisiert wurde, dass eine gemeinnützige Stiftung die Transfrau in einem Rechtsstreit gegen eine junge Biologin finanziell unterstützt hatte. Die Biologin hatte behauptet, dass es nur zwei biologische Geschlechter gebe. Die Autoren des Beitrags hatten die klagende Frau in ihrem Artikel zwar zunächst als „Transfrau“ bezeichnet. Danach nannte sie die Frau jedoch einen „biologische[n] Mann“ und bezeichneten sie schlussendlich als „über 60-jährige[n] Mann, der […] maßgeblich an dem Frauenhass beteiligt ist“, dem die Biologin seit Monaten ausgesetzt sei. Die Pressekammer des LG Frankfurt am Main stellte in diesem Fall klar, dass eine scharfe, aggressive Sprache zwar prinzipiell im Rahmen der freien Rede erlaubt sei – so wie auch die geäußerte Kritik an der klagenden Frau. Gleichwohl könne die Äußerung „über 60-jähriger Mann“ im Gesamtkontext nicht als bloße neutrale Feststellung des biologischen Geschlechts verstanden werden. Die Wortwahl sei vielmehr ein bewusstes Stilmittel, um einen plakativen Kontrast zu der jungen, weiblichen Biologin herzustellen und die klagende Frau als frauenhassenden Mann zu beschreiben. Die Äußerung sei daher bewusst verunglimpfend gemeint und damit im Ergebnis persönlichkeitsrechtsverletzend.
Somit nahm das LG Frankfurt am Main insgesamt in zwei von drei Fällen eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der betroffenen Transfrauen an. Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Gegen sie kann noch innerhalb eines Monats Berufung bei dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main eingelegt werden.
agü