Das OLG Köln hat einige Aussagen der BILD im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den Missbrauchsskandal in Köln untersagt. Einige greifen unrechtmäßig in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht von Kardinal Woelki ein. Andere Äußerungen waren aber zulässig und müssen von Woelki ertragen werden.
Der Kölner Erzbischof Kardinal Woelki ist gegen die Berichterstattung der BILD-Zeitung über ihn vorgegangen. Er sah in einigen Artikeln über den Umgang mit Missbrauchsfällen im Bistum Köln seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Er verlangte deshalb die Unterlassung von fünf Äußerungen aus einem Artikel sowie der Äußerung aus einem Kommentar, die sich mit der vom Kläger ausgesprochenen Beförderung eines Priesters befassen.
Nachdem das Landgericht (LG) Köln bereits in der Sache verhandelt hatte, legte Woelki gegen das Urteil Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) Köln ein (OLG Köln, Urt. v. 16.03.2023, Az. 15 U 120/22 und 15 U 131/22).
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Berichterstattung berührt Allgemeines Persönlichkeitsrecht von Woelki
Das OLG gab der Klage in Bezug auf vier von sechs Äußerungen statt. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt, die sechs angegriffenen Äußerungen berührten alle den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Woelki. In Bezug auf vier der sechs Äußerungen liege auch ein rechtswidriger Eingriff vor; im Rahmen der gebotenen Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit dem Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit der BILD überwiege das Schutzinteresse von Woelki die schutzwürdigen Belange der anderen Seite. Dies sei hinsichtlich zweier weiterer Äußerungen nicht der Fall.
Äußerungen über minderjährige Sexualpartnerin unzulässig
Als unwahre Tatsachenbehauptungen unzulässig seien die Äußerungen, der Priester habe „der Polizei 2001 sexuelle Handlungen mit einem Minderjährigen gestanden“. Sie seien deshalb unwahr, weil ein unbefangener und verständiger Leser sie nur so verstehen könne, dass der Priester gegenüber der Polizei Angaben zur Minderjährigkeit seines Sexualpartners gemacht habe, was tatsächlich im Rahmen seiner Vernehmung als Zeuge – nicht als Beschuldigter – nicht der Fall gewesen sei.
Unzulässig sei auch die Äußerung „obwohl dieser zuvor Kindesmissbrauch gestanden hat“. Es handele sich um eine irreführende Meinungsäußerung mit einem unwahren Tatsachenkern. Namentlich sei im Rahmen der Zeugenvernehmung des Priesters, die Minderjährigkeit von dessen Sexualpartner überhaupt nicht zur Sprache gekommen.
Berichterstattung über Beförderung eines Priesters
Weitere Äußerungen betrafen die Beförderung eines Priesters, die Woelki in seiner Funktion als Kölner Kardinal vornahm. Er griff gerichtlich auch die Artikelüberschriften „Obwohl er von den Vorwürfen wusste – Kardinal Woelki beförderte Missbrauchs-Priester“ und eine Äußerung aus dem Kommentar „Kardinal Woelki, der Erzbischof von Köln, hat einen Missbrauchspriester befördert“ an.
Zwar enthielten diese eine scharfe und zugespitzte Kritik an der Amtsführung des Kardinals. Diese Kritik müsse sich Woelki als Träger eines hohen kirchlichen Amtes aber im Lichte der breiten öffentlichen Diskussion um sein Verhalten im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche gefallen lassen.
Die Bezeichnung des Priesters als „Missbrauchs-Priester“ sei ebenfalls rechtmäßig. Die Frage, ob ein Verhalten als Missbrauch anzusehen sei, unterliege der rechtlichen oder moralischen Bewertung. Mangels Vorliegens eines unwahren tatsächlichen Bestandteils stehe den Beklagten die Bewertung als Missbrauch frei mit der Konsequenz, dass sie den Priester dementsprechend in einer zugespitzten Wertung als „Missbrauchs-Priester“ bezeichnen könne. Bei der Äußerung, der Kläger habe „von den Vorwürfen“ gewusst, handele es sich auf der Grundlage des diesbezüglichen Parteivortrags ebenfalls um eine auf Tatsachen fußende Schlussfolgerung auf das Vorliegen einer inneren Tatsache.
Berichte über Vertuschung der Missbrauchsfälle
Nicht rechtmäßig seien hingegen einige Berichte, in denen es um eine mögliche Vertuschung der Missbrauchsfälle in Köln ging, da diese als Werturteile eingeschätzt wurden. Bei Werturteilen falle bei der Abwägung der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht; ausgehend davon trete hier das Grundrecht der Meinungsfreiheit der BILD hinter den Schutzinteressen von Woelki zurück. Die Überschrift der Berichte jedoch „Die Vertuschungs-‚Mafia‘ im Erzbistum Köln“ sei zulässig, da nicht Woelki selbst betroffen ist.
Die BILD zeigt sich zufrieden mit dem Urteil. Sie sieht das Bistum als gescheitert, die Berichterstattung zu stoppen, da der Großteil der Artikel, Äußerungen, Kommentare und Überschriften zulässig war.
Die Revision wurde vom Gericht nicht zugelassen.
mha